Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland erhöht den Wettbewerbsdruck auf die regionale Wirtschaft - mit zum Teil erheblichen Auswirkungen, stellt die IHK zu Leipzig fest. So gaben in einer onlinebasierten Umfrage unter Mitgliedsunternehmen der IHK zu Leipzig fast 40 Prozent der ausbildenden Unternehmen an, ihre Ausbildungsanstrengung reduzieren bzw. gänzlich einstellen zu wollen.

Gründe können hierbei Umverteilungen im Personalbudget sein. Über 45 Prozent dieser Unternehmen befürchten zudem negative Auswirkungen auf die Bereitschaft von Jugendlichen, eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen.

Wolfgang Topf, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig, zu den Umfrageergebnissen: “Die Einführung des geplanten Mindestlohns birgt Risiken für die duale Ausbildung. So ist die Altersuntergrenze von 18 Jahren nicht ausreichend, um den Anreiz zu verringern, dass Jugendliche zugunsten einer geringer qualifizierten Beschäftigung auf die Aufnahme einer fundierten Berufsausbildung verzichten. Auch spätere Chancen zur beruflichen Qualifizierung und Weiterbildung werden so frühzeitig vertan.”

46 Prozent der Ausbildungsbetriebe sehen es wie der IHK-Präsident.

Ein Problem des Mindestlohnes in Leipzig ist: Hier trifft es auf ein flächendeckend niedriges Lohngefüge. Auch Fachkräfte in etlichen Branchen erhalten oft nicht mehr Geld für ihre Arbeit.

Aber bevorzugen die jungen Leute dann trotzdem eine niedrig qualifizierte Arbeit, ohne einen Berufsabschluss in der Tasche zu haben?

Das Durchschnittsalter der Ausbildungsanfänger liegt laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) bei 19,8 Jahren (Stand 2011). “Die IHK-Organisation hat deshalb vorgeschlagen, junge Erwachsene bis 25 Jahre – ohne abgeschlossene Berufsausbildung – vom Mindestlohn auszunehmen.”

Eine durchaus komplexe Diskussion. Denn die rund 1.350 Euro, die die Beschäftigten mit einem Mindestlohn dann bekämen, sind im Leipziger Lohngefüge zwar fast ein Normalfall – zur Deckung der Lebenserhaltungskosten aber nicht wirklich üppig.Gefahr sieht die IHK vor allem für Branchen, die gering qualifizierte Arbeitskräfte beschäftigen.

Die flächendeckende Einführung eines Mindestlohns könnte vor allem in Branchen mit einem hohen Anteil von gering qualifizierten Erwerbstätigen zu einem Arbeitsplatzabbau führen, stellt sie fest.

Aber noch brisanter ist eher, dass der Mindestlohn Geringqualifizierte in der Bezahlung in die Nähe von Fachkräften rückt. – Mehr als die Hälfte (51,8 Prozent) der befragten Unternehmen sehen im Lohnabstand (Lohnstruktur) zwischen Fachkräften und Geringqualifizierten erhebliche Herausforderungen. Über 80 Prozent der Unternehmen, in denen die Einführung eines Mindestlohns den innerbetrieblichen Lohnabstand gefährdet, sind nicht bereit, einen monatlichen Mindestlohn von 1.350 Euro zu zahlen.

Hierbei zeigt sich auch eine größenabhängige Tendenz, stellt die IHK fest: Kleinere Unternehmen stehen dem Mindestlohn eher skeptischer gegenüber als größere Betriebe.

In mehreren Branchen gelten schon – durch die Tarifparteien ausgehandelte – Mindestlöhne. Und sie haben im Allgemeinen keine Arbeitsplatzverluste mit sich gebracht. Dafür zeigt sich in Ostdeutschland ein anderer Effekt: Mit der Einführung des Mindestlohns rückten die niedrigen Gehaltsgruppen näher an die höheren – aber die Einkommen der Fachkräfte stiegen nicht weiter.

Die höheren Qualifizierungsgruppen erfahren also keine weiteren Einkommenssteigerungen und verdienen nur noch wenig mehr als die niedrigen. Auch das eine Form, die Wettbewerbsfähigkeit im Unternehmen zu erhalten, auch wenn sie die Gefahr mit sich bringt, dass qualifizierte Kräfte verloren gehen, wenn sie mit Lohnzuwachs nicht mehr rechnen können.

Zwei Einschätzungen der befragten Unternehmen freilich schließen sich aus: Wenn der größere Teil der Befragten mit Einführung des Mindestlohns auf die Einstellung Geringqualifizierter verzichten will, dürfte es für junge Leute ohne Berufsabschluss schwierig werden, statt einer Ausbildung einfach eine gering qualifizierte Tätigkeit aufzunehmen. Es sieht sogar ganz so aus, dass der Mindestlohn den Druck auf die jungen Leute erhöht, sich um eine qualifizierte Berufsausbildung zu kümmern. Sonst stehen sie wirklich im Regen, wenn es ums Geldverdienen geht.

Die Umfrage der IHK ist zumindest ein Stimmungstest, auch wenn die Befragungsbasis recht schmal ist.

An der Onlineumfrage (Durchführung im März 2014) beteiligten sich 141 Unternehmen der Branchen Industrie und Bau, Handel, Verkehr und Logistik, Dienstleistungen sowie Gastronomie und Tourismus des IHK-Bezirkes Leipzig (Stadt Leipzig, Landkreise Nordsachsen und Leipzig).

www.leipzig.ihk.de

Die Umfrage in Grafiken als PDF zum Download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar