Mit der Initiative "Pro Pflege Sachsen" beabsichtigt die Sozialministerin, Pflegekassen, kommunale Spitzenverbände sowie die sächsischen Pflegeeinrichtungen auf eine Absichtserklärung zu verpflichten, die die angeblich wichtigsten Probleme der Pflegebranche in Sachsen lösen soll. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) in Sachsen, mit rund 450 stationären und ambulanten Einrichtungen größter Verband im Bereich Pflege, lehnt die vorgelegte Vereinbarung ab.

“Im Grunde ist die Lage ganz einfach: Wir brauchen mehr Pflegekräfte. Und damit mehr Menschen in der Pflege ihren Beruf finden und im Beruf bleiben, müssen entscheidende Weichen gestellt werden. Wir verstehen nicht, warum sich die Sozialministerin bei dieser Initiative nicht auf verbindliche Aussagen festlegt”, kritisiert Dr. Matthias Faensen, Vorsitzender des bpa Sachsen, die von der Ministerin Christine Clauß (CDU) vorgelegte Vereinbarung.

Die beiden wichtigsten Aufgaben sieht er in einer Erhöhung der Vergütung für Pflegekräfte und in der kostenfreien Ausbildung.

“Eine Pflegeeinrichtung verwendet über 75 Prozent ihrer Einnahmen für die Personalkosten. Frau Clauß möchte bitte mal den Pflegeeinrichtungen erklären, woher höhere Löhne kommen sollen, wenn nicht die Entgelte für die Leistungen der Pflegeeinrichtungen erhöht werden”, fordert Dr. Faensen. “Gerade wir Arbeitgeber würden sehr gerne unsere Beschäftigten besser bezahlen.” Sachsen liegt bei den Entgeltvereinbarungen mit den Pflege- und Krankenkassen sowie den Sozialhilfeträgern am unteren Ende der Bundesländer.

Außerdem beklagt der bpa seit langem den Skandal, dass Pflegekräfte ihre Ausbildung selber bezahlen müssen. Auch hier sieht er die Ministerin in der Pflicht.

“Frau Clauß hat dieses Thema immer wieder vor sich her geschoben. Unsere Anträge im Landespflegeausschuss, dass der Freistaat das Schulgeld für die Auszubildenden in der Pflege übernimmt, wurden vom Sozialministerium und den Kassen vom Tisch gefegt”, erinnert Dr. Faensen und meint: “Es ist inakzeptabel, dass man in Sachsen kostenlos Arzt werden kann, aber Pflegefachkräfte Geld bezahlen, um ihren Beruf zu erlernen. Die Pflegeanbieter bemühen sich um jeden Auszubildenden und das Sozialministerium hat die Schulgeldfreiheit immer noch nicht auf den Weg gebracht. Das ist eine Farce.”

Der bpa lehnt aus diesen Gründen die Unterzeichnung der Vereinbarung ab und fordert verbindliche Zusagen, die tatsächlich eine Verbesserung für die Pflegenden und damit auch für die Pflegebedürftigen bringt.

Auch Christine Clauß selbst stellte am Mittwoch fest, dass der Anteil der Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse deutlich erhöht und im Gegenzug die befristeten Arbeitsverhältnisse sowie der Einsatz von Leiharbeit reduziert werden müssten. Bis dato ist die Pflegebranche einer jener sächsischen Wirtschaftsbereiche, in denen prekäre Beschäftigung eher der Normalzustand ist. Christine Clauß: “Traditionell hat die Altenpflege einen sehr hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten – auch in Sachsen liegt er über 60 Prozent. Auf Dauer können wir es uns sicher nicht leisten, so viel Potenzial brach liegen zu lassen.”Auch die Grünen kritisieren: “Das von Sozialministerin Clauß vorgestellte Projekt “Pro Pflege Sachsen” bleibt in der Analyse stecken, anstatt auch Konsequenzen zu ziehen. Verbindliche Absprachen für Verbesserungen in der Pflege finden sich im Positionspapier kaum.”

“Alarmierend ist die Situation der ambulanten Pflegedienste. Durch die steigenden Sachkosten können bereits jetzt einige Anbieter nicht mehr kostendeckend arbeiten. Das betrifft besonders Pflegedienste im ländlichen Raum, wo die Fahrtzeiten länger sind”, erklärt Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Deshalb muss ‘die Anerkennung von Tariflöhnen bzw. wirtschaftlich angemessener Pflegevergütungen’ durch den Kommunalen Sozialverband (KSV) oberste Priorität haben. Nur so kann die wirtschaftlich angespannte Situation der Pflegeanbieter in Sachsen entschärft werden und eine Abwanderung der Pflegekräfte in andere Branchen und Bundesländer gestoppt werden.”

Ein wichtiger Schritt zur Gewinnung von Pflegefachkräften ist auch aus Sicht der Grünen “die Befreiung vom Schulgeld für die dreijährige Altenpflegeausbildung”. “Dieses Ziel der Staatsregierung unterstützen wir und erwarten konkrete Vorschläge, wie die Forderung zügig umgesetzt werden kann”, sagt Herrmann. “Um weitere Fachkräfte zu gewinnen, ist es denkbar, den Einsatz von Heilerziehungspflegern als Fachkräfte in der Altenpflege zu ermöglichen. Das darf allerdings nicht auf Kosten der Inklusion in Kitas und im Hort passieren. – Wir wollen zudem die Diskussion über die Einführung einer Pflegekammer in Sachsen voranbringen. Pflegekammern können starke Partner der Beschäftigten sein und dabei helfen die Selbstständigkeit und Mitbestimmung der Pflegekräfte voranzubringen.”

www.bpa.de/index.php?id=sachsen

Die Mitteilung des Sozialministeriums zum Thema als PDF zum Download.

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