Der Protest gegen das Geschäftsgebaren des Online-Händlers Amazon war schon vor dem Protestbrief US-amerikanischer Autoren groß. Insbesondere kleine Verlage sahen sich - und damit auch ihre Autoren - vom Online-Giganten, der sich längst wie ein Monopolist verhält, über den Tisch gezogen. Dann aber gaben berühmte Autoren aus den USA von John Grisham bis Stephen King dem Protest ihren Namen. Jetzt sagen auch deutschsprachige Autoren: Es reicht!

Am 15. August haben 555 Autoren aus dem Verband der Schriftsteller, vom PEN, vom Syndikat und weiteren Autorengruppen den Protest unterschrieben. Es passiert etwas, was es in dieser Form auch auf dem deutschen Buchmarkt noch nicht gab: Sie solidarisieren sich mit ihren Verlagen, die von Amazon direkt angegriffen wurden.

“Amazon befindet sich in einem Machtkampf mit der Bonnier-Verlagsgruppe und Hachette. Solche Auseinandersetzungen zwischen Firmen geschehen ständig, und normalerweise finden sie in den Büros der Firmen zwischen zwei Verhandlungspartnern statt”, heißt es in ihrem Protest. “Aber diesmal hat Amazon etwas Ungewöhnliches getan. Es hat direkt die Autoren und Autorinnen der Bonnier-Gruppe (Aladin, arsEdition, Berlin Verlag, Carlsen, Hörbuch Hamburg, Piper, Thienemann-Esslinger, Ullstein) angegriffen, um damit die Verlagsgruppe zu zwingen, in die neuen Vertragsbedingungen einzuwilligen.”

Aber diese Vertragsbedingungen bezwecken nichts anderes, als dem Buchmarkt die Bedingungen des Bezos-Konzerns aufzuzwingen. Und um das zu erreichen, boykottiert Amazon die Bücher aus den genannten Verlagen, will sie so zum Einlenken zwingen – auch unter dem Aspekt, dass Amazon mit seinem Online-Versand mittlerweile den Online-Verkauf von Buchtiteln dominiert. Ein kleiner Vorgeschmack auf das Wirtschaftsmodell, das den Verfassern des TTIP-Abkommens vorschwebt mit Giganten, die ihre Marktmacht nutzen können, allen Anderen ihre Geschäftsbedingungen diktieren zu können.

“Wir Autorinnen und Autoren sind der Meinung, dass kein Buchverkäufer den Verkauf von Büchern behindern oder gar Kunden vom Kauf von Büchern abhalten sollte. Amazon hat kein Recht, eine Autorengruppe, die am Konflikt nicht beteiligt ist, “in Beugehaft” zu nehmen. Obendrein sollte kein Buchverkäufer seine eigenen Kunden falsch informieren oder ihre Einkäufe durch künstlich verlängerte Lieferzeiten behindern. Damit widerspricht Amazon seinem eigenen Versprechen, das kundenorientierteste Kaufhaus der Welt zu sein”, schreiben die Erstunterzeichner des Protestes.

Andererseits sind deutsche Autoren mittlerweile auch recht gut erzogen und fordern selbst nicht zum Boykott heraus, sondern formulieren lieber: “Wir bitten alle unsere Leserinnen und Leser, dass sie dem Gründer von Amazon Jeff Bezos (jeff@amazon.com) und dem Chef von Amazon Deutschland Ralf Kleber (rkleber@amazon.de) schreiben und ihm ihre Meinung über die jüngsten Erpressungsmethoden mitteilen.”

Da bekommt dann Jeff Bezos eine Menge Post, die mit ziemlicher Sicherheit in der Ablage landet.Der Spagat wird in der Presseerklärung noch deutlicher: “Wir wollen wie die amerikanischen Autoren und Autorinnen gegen diese unfairen Geschäftspraktiken Stellung beziehen. Mit der Aktion ‘Autoren und Autorinnen für einen fairen Buchmarkt’ und einem Offenen Brief an Amazon, an Jeff Bezos, an Ralf Kleber fordern wir, uns AutorInnen und damit auch die Leser und Leserinnen nicht als Druckmittel in einem Kampf um Händlerrabatte zu benutzen. Übrigens: Wir sprechen uns hiermit nicht in erster Linie gegen Amazon aus. Aber entschieden für einen fairen Buchmarkt.”

Amazon beherrscht zwar auch in Deutschland den größten Teil des Online-Buchhandels. Aber anders als den USA ist das noch nicht das dominierende Marktsegment. Millionenstädte ohne einen Buchladen wie in den USA gibt es in Deutschland nicht. Nach wie vor werden 48,6 Prozent des Buchumsatzes in der Bundesrepublik in Buchhandlungen gemacht. Der Umsatz wuchs 2013 sogar wieder um 0,9 Prozent. Was durchaus als Zeichen dafür gewertet werden kann, dass viele Leser die Vorteile des Buchladens in ihrer Stadt wieder für sich entdecken. Bestellen kann man auch dort jedes Buch und binnen weniger Tage ist es da. Der Internet-Buchhandel machte 2013 nur 16,3 Prozent des Marktes aus. Viele Verlage haben ihre eigene Verkaufsstrategie in den letzten Jahren ausgebaut und vertreiben selbst – in eigenen Online-Shops, auf Messen und bei Lesungen. 19,7 Prozent des Umsatzes wird mittlerweile im Direktgeschäft abgewickelt.

Insofern ist der Appell der mittlerweile 1.096 Unterzeichner (Stand: 17. August, 14 Uhr) auch ein Appell an einen Konzern, der gern global mitspielen möchte, die Normen der Märkte zu akzeptieren, auf denen er agieren will. Dann ist auch ein Miteinander denkbar. Aber erstaunlicherweise bevorzugen die eben noch hippen, jungen IT-Konzerne “Made in USA” erstaunlich rabiate Methoden, um sich Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu sichern und dem Markt ihre Bedingungen aufzuzwingen. Mit ein paar Milliarden Rücklage in Steuerparadiesen ein leichtes Spiel. Doch auch die Verlage wehren sich. Der Einbuch Buchverlag aus Leipzig hat sich schon vor Monaten von Amazon verabschiedet.

Parallel dazu entstand eine Initiative Kleinfairlage, die gerade den vielen innovativen kleinen und kleinsten Verlagen bessere Vermarktungsbedingungen für ihre Bücher verschaffen soll.

Zum Aufruf der deutschen Autoren: www.fairer-buchmarkt.de

Das Thema auf der Website des Verbands deutscher Schriftsteller: http://vs.verdi.de/themen/nachrichten/++co++c70e4f76-2496-11e4-acef-525400248a66

Die Kleinfairlage: www.kleinfairlage.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar