Es gibt zwar schon jede Menge Leihfahrräder in Leipzig. Doch sie stehen einfach im öffentlichen Raum, werden vom Wind umgeblasen. Das soll sich ändern, beschloss die Stadtspitze im vergangenen Jahr. Am Dienstag, 26. März, wurden die Vorschläge des Verkehrs- und Tiefbauamtes über mögliche Standorte fester Verleihstationen in der Dienstberatung des OBM diskutiert. Im Mai soll der Stadtrat darüber befinden.

Ein bisschen aus dem amtlichen Kauderwelsch hatte am Dienstag auch in die Pressemeldung dazu gefunden: “Die Ermöglichung eines Systems von festen Fahrradverleihstationen mit Informationsterminals im öffentlichen Raum gehört zu den Maßnahmen, mit denen die Stadt, wie im Radverkehrsentwicklungsplan vorgesehen, den Anteil des Radverkehrs an den täglichen Wegen auf 20 Prozent steigern und die Entwicklung des Umweltverbundes fördern will.”

Wahrscheinlich spricht man so verquer, wenn man ein paar Jahre in einem Amt gearbeitet hat. Aber die Vorlage bringt noch einmal deutlich zum Ausdruck, worum es in Leipzigs Verkehrspolitik der nächsten Jahre eigentlich geht und was der Stadtrat da am 20. Juni 2012 tatsächlich beschlossen hat.

“Mit dem Beschluss des Radverkehrsentwicklungsplans 2010-2020 am 20.06.2012 wurde mit dem Ziel Z1 eine Erhöhung des Radverkehrsanteils an den täglichen Wegen der Leipziger auf 20 % bis zum Jahr 2020 beschlossen. Da es sich bei diesem Wert für die gesamte Stadt um einen Ganzjahreswert für einen mittleren Werktag handelt, gleichzeitig der Fußwegeanteil bei 27 % gehalten und der ÖPNV-Anteil auf 25 % gesteigert werden soll, bedeutet das eine Verlagerung von ca. 11,5 %-Punkte des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes zum Vergleichsjahr 2008. Das heißt eine modale Verlagerung von ca. jeder 4. Fahrt im MIV auf ein Verkehrsmittel des Umweltverbundes (von 39,6 % in 2008 auf ca. 28 % in 2020). Ein sehr ambitioniertes Ziel, das ohne weitergehende Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs nicht zu erreichen ist …”

Das “ca.” steht in diesem Satz für eine etwas legere Rechenweise. Denn die beschlossenen Zahlenwerte bedeuten – auf das Jahr 2008 bezogen – tatsächlich eine Verlagerung von fast 30 % (29,7 %) aller bis jetzt mit Kfz zurückgelegten Wege auf die drei umweltfreundlichen Verkehrsarten. Was dann fast jeder dritte Weg ist, nicht nur jeder vierte.

Dabei ändert sich am Fußwegeanteil eher nichts. Echte Zuwächse wollen die Stadträte beim ÖPNV und im Radverkehr sehen. Und wer aus dem Fenster schaut, sieht, dass diese Herkulesaufgabe noch nicht einmal angepackt ist.

Denn wenn Straßenbahn und Bus ihren Wegeanteil von 18,8 Prozent im Jahr 2008 auf künftig 25 Prozent erhöhen sollen, bedeutet das für sie eine Steigerung um ziemlich genau 33 Prozent. Wir wissen jetzt nicht, wie das in den Planungsgremien der LVB diskutiert wird, ob dazu im Aufsichtsrat die Fetzen fliegen, ob den Verantwortlichen überhaupt klar ist, was das bedeutet. Möglich ist, dass das künftige Mitteldeutsche S-Bahn-Netz davon einen Teil auffangen wird. Insbesondere bei den längeren Fahrten ins Umland, wo dann die Benutzung des Pkw überflüssig wird, weil die S-Bahnen in kurzen Takten fahren. Wenn sie es tun.

Welche Probleme es da möglicherweise noch gibt, darüber berichtet die L-IZ ja in ihrer Serie “Tunnelblick – Schlaglichter auf ein Milliarden-Projekt”. Aber da es sich bei den Wegen, bei denen man die Leipziger zum Umsteigen bewegen will, vor allem um solche unter 10 Kilometer handelt, bedeutet das auch für die Straßenbahnen und Busse der LVB einen signifikanten Ausbau: mehr Fahrzeuge, größere Fahrzeuge, dichtere Taktfolgen, Barrierefreiheit und vor allem – konkurrenzfähige Fahrpreise.Beim Radverkehr, wo man rein rechnerisch eine Zunahme von fast 40 Prozent will (38,9 Prozent), hieße das genauso: massiv investieren in Radwege, Entschärfung von Gefahrenstellen, Radwegweisung, Abstellanlagen und vor allem einen funktionierenden Winterdienst. Wer sich in diesem nun wirklich langen Winter die Radwege angeschaut hat, weiß, was da auf die Leipziger Stadtreinigung an zusätzlichen Aufgaben noch zukommt.

Die Stadtverwaltung hat jetzt 20 geeignete Standorte für Ausleihstationen ermittelt, teilte die Presseabteilung der Stadt am Dienstag mit, davon sieben in der Innenstadt bzw. innenstadtnah gelegen. Oberbürgermeister Burkhard Jung will im Mai eine entsprechende Vorlage in die Ratsversammlung einbringen. Wird sie beschlossen, können Betreiber von Fahrradverleihsystemen Anträge für die Nutzung der bestätigten Standorte stellen.

Die Fahrradverleihstationen sollen durch ihr Design als Teil des Konzeptes der Leipziger Mobilitätsstationen im öffentlichen Raum wahrgenommen werden. Die Standorte können künftig durch weitere ergänzt werden, sowohl innerhalb der Innenstadt als auch an Straßenbahn- und Bushaltestellen und S-Bahn-Stationen. Angestrebt wird die Synergie von öffentlichem Nahverkehr, Bike-and-Ride, Car Sharing und E-Ladesäulen im Umweltverbund.

Dabei sind die sieben innerstädtischen Stationen durchaus interessant. Eine soll auf der Westseite des Hauptbahnhofes ihren Platz finden, wo jetzt schon ein Fahrradladen zu finden ist, eine auf der Ostseite, eine am Johannisplatz an der Einmündung der Querstraße, eine wohl irgendwie hinterm Radisson-Hotel am Augustusplatz, eine an der Einmündung der Schillerstraße neben dem Zugang zur City-Tunnel-Station.

Und die nächste wird richtig spannend: Die soll am Martin-Luther-Ring liegen, gegenüber vom Neuen Rathaus, wo die Stadt bei allen Diskussionen um den innerstädtischen Radring stets betonte, hier könne kein separater Radweg untergebracht werden – die Radfahrer dürften aber auch nicht auf der Fahrbahn fahren. Ein Nadelöhr. Unter dem auch noch der Pleißemühlgraben fließt. Genau hier hat man jetzt augenscheinlich Platz für eine Ausleihstation gefunden.

Die siebente innerstädtische Ausleihstation soll dann am Dittrichring an der Einmündung der Gottschedstraße ihren Platz finden.

Das pfiffige Verkehrs- und Tiefbauamt hat auch gleich mal ausgerechnet, was das Ganze die Stadt kostet – auch wenn es sie nichts kostet, denn es soll ja alles privat betrieben werden. Die Sondernutzungsgebühren werden erlassen, nur die Verwaltungsgebühren für die Ausstellung der Sondernutzungsgebühr fallen an. Es sei denn, die Betreiber verzieren die Stationen und die Fahrräder wieder mit Werbung – dann werden dafür Gebühren fällig. “Mit dem Erlass der Sondernutzungsgebühren für die Fahrradverleihstationen, im Bezug auf die Grundfläche der Informationsstelen, ist von einem Einnahmenverzicht von maximal 2.880,- ? auszugehen”, so die Verwaltung.

Die Infostelen hat die Stadt schon durchdesignt – hohe blaue Säulen mit gelber Banderole am Kopf und Bildschirm. In gleicher Weise sollen künftig auch die Elektrolade-Säulen im Stadtbild aussehen und die Info-Säulen für die Übergänge zwischen den einzelnen Verkehrsträgern.

Die sieben innerstädtischen Flächen für mögliche Ausleihstationen: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/05A4809BFDC5D5D2C1257B36002E469F/$FILE/V-ds-2899-anlage-1.pdf

Der Design-Entwurf der Stadt für die Ausleihstationen: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/05A4809BFDC5D5D2C1257B36002E469F/$FILE/V-ds-2899-anlage-2.pdf

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