Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht bis zum Jahr 2025 die Chance, die Fahrgastzahlen im sächsischen ÖPNV zu verdoppeln. Dazu hat die Fraktion eine Studie "Masterplan Sachsentakt 21 - Qualitätsoffensive für den Bahnverkehr in Sachsen" in Auftrag gegeben. Darin haben Gutachter der kcw GmbH und des Leipziger Planungsbüros StadtLabor die nötigen finanziellen Grundlagen und Infrastrukturmaßnahmen ermittelt.

“Uns geht es nicht allein um die Erhöhung der Fahrgastzahlen”, erklärt Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. “Wir wollen, dass jeder Mensch in Sachsen mobil sein kann. Nicht nur in der Großstadt, sondern auch in jedem Dorf. Kern des Konzepts ist ein sachsenweiter Integrierter Taktfahrplan, bei dem nicht allein Einzelstrecken, sondern deren Verknüpfung mit allen anderen Verkehrsmitteln im Mittelpunkt stehen.”

“Bereits mit Ausbaumaßnahmen für geringe Fahrzeitverbesserungen lassen sich auf Strecken fahrgastfreundliche Stundentakte anbieten”, erläutert Dr. Felix Berschin, Gutachter der kcw GmbH. “Zudem bräuchte man etwa auf der Strecke von Dresden nach Görlitz bei einer Fahrtzeitoptimierung von nur zehn Minuten für den Stundentakt zukünftig nur noch neun Fahrzeuge. Heute sind allein auf dieser Strecke in einem ungünstigen Wechsel zwischen Regionalbahnen und Regionalexpress-Zügen elf Fahrzeuge unterwegs. Würde die derzeitige Fahrgastzahl vom 2.000 pro Tag sich nur um 700 erhöhen, wären die zusätzliche Betriebskosten zu finanzieren. Nach unseren Berechnungen fallen für die Gesamtumsetzung eines Integrierten Taktfahrplans in ganz Sachsen jährliche Betriebskosten von insgesamt knapp 500 Millionen Euro an.”

Im Jahr 2013 erhalten die Zweckverbände dafür vom Land 389 Millionen Euro. 2012 waren es 374 Millionen Euro. Dabei behält der Freistaat einen Teil der Regionalisierungsmittel auch noch ein. Über 130 Millionen Euro in diesem Jahr.

“Die vollständige Weiterleitung der Regionalisierungsmittel des Bundes an die sächsischen Verkehrsverbünde würde also für die Finanzierung des Bahnbetriebs mit Integrierten Taktfahrplan ausreichen”, schlussfolgert die Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen. “Wirtschaftsminister Sven Morlok müsste aber seine Verkehrspolitik radikal ändern (FDP) und die ÖPNV-Kürzungen zurücknehmen. Derzeit reicht Sachsen als bundesweites Schlusslicht nur 74 Prozent der Regionalisierungsmittel des Bundes weiter.”Die Gelder fehlen nicht nur zur Herstellung eines ordentlichen Zugtaktes. Die Zweckverbände müssen auch bei Investitionen sparen. Jähnigen: “Mit jährlich 50 Millionen Euro Investitionskosten können binnen zehn Jahren wesentliche Voraussetzungen für einen sachsenweiten Taktfahrplan geschaffen werden.”

Fritjof Mothes vom StadtLabor aus Leipzig forderte eine neue Bahnkultur: “Wer den öffentlichen Verkehr stärken will, muss sich auch für eine Serviceoffensive einsetzen. Dazu gehört etwa der Fahrkartenverkauf in Zügen der Deutschen Bahn. Bahnhöfe müssen wieder attraktiver werden.”

“Eine Verbesserung des Bahnverkehrs wird heute oft mit einer Beschleunigung auf einer bestimmten Strecke gleichgesetzt. Dabei gerät schnell die Gesamtreisedauer aus dem Blick: Was nutzt der beste Streckenausbau, wenn der Anschlusszug eben abgefahren ist? In unserem Konzept stehen nicht allein Einzelstrecken, sondern deren Verknüpfung mit allen anderen Verkehrsmitteln im Mittelpunkt. Der Stundentakt als landesweiter Mindeststandard für alle Busse und Bahnen und sichere Anschlüsse untereinander sollen ein schnelles Vorankommen ohne lange Wartezeiten ermöglichen”, so Mothes.

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Jähnigen sieht durch die Studie grüne Verkehrspolitik bestätigt: “Die Studie macht deutlich, dass Tarifsteigerungen und Streckenstilllegungen nicht unabwendbar sind. Wie die Schweiz oder das Bundesland Rheinland-Pfalz können wir ein landesweites ÖPNV-Netz mit leicht zu merkenden Taktfahrplänen, gesicherten Anschlüssen in den Knotenpunkten und guten Informationsangeboten für die Fahrgäste schaffen. – Dafür muss die Zusammenarbeit über die Verkehrs-Verbundgrenzen in Sachsen verbessert werden. Auf die Agenda gehören ein sachsenweit gültiger Tarif, der nicht nur bei der Deutschen Bahn, sondern von Tür zur Tür, also auch in Bussen und Straßenbahnen gilt. Sachsen braucht wieder eine landesweite Verkehrsplanung, die diesen Namen auch verdient.”

Ein Blick über die Landesgrenzen macht Mut: Die Zahl der Fahrgäste in der brandenburgischen Region Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf (TKS) hat sich innerhalb von vier Jahren durch die Einführung eines neuen Liniennetzes mit Taktfahrplan von 17.200 Beförderungsfällen (2008) auf 23.100 Beförderungsfälle (2012) um 34 Prozent gesteigert.

www.maz-online.de/Region/Potsdam/Boom-bei-Bussen-und-Bahnen

Aktualisierungsstudie zum SACHSENTAKT21 (Juni 2013): www.mobiles-sachsen.de/c1169d00.l

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