Leipzig ist eine Stadt zwischen Baum und Borke - die Einwohner fahren schon öfter mit dem Rad, dafür fehlen im Radnetz noch immer wichtige Teile. Eins dieser Teile hatten sich die Grünen mal herausgegriffen und als Antrag ins Verfahren gebracht: Mehr Radabstellanlagen für Leipziger Schulen und Kindertagesstätten. Denn nicht die Propeller-Eltern, die ihre Kinder jeden Tag mit dem Auto zur Schule bringen, sind die Zukunft, sondern die selbstbewussten Kinder, die mit dem Rad allein hinkommen.

Nur fehlte es bislang an vielen Einrichtungen an Abstellanlagen. Der Mangel an Anlagen zum Abstellen von Fahrrädern an Schulen und Kitas in Leipzig wurde durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits im vergangenen Haushaltsplanverfahren thematisiert. Im Ergebnis stellte der Stadtrat 30.000 Euro Investitionsmittel zur Verfügung, nach deren Umsetzung sich die Grünen-Fraktion nun in einer Stadtratsanfrage erkundigt hat. Als Antwort teilte das Dezernat Planung und Bau im Oktober mit, dass lediglich ein sehr geringer Teil der Mittel verbaut bzw. verplant sei. Als Begründung wird seitens der Verwaltung die geringe Zahl der Bedarfsmeldungen angegeben.

“Der von der Verwaltung ermittelte geringe Bedarf in den Schulen und Kitas ist für uns nicht nachvollziehbar, denn er deckt sich in keiner Weise mit unseren Erfahrungen”, kommentiert das Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende und schulpolitische Sprecherin der Fraktion. “Zudem offenbarten einzelne Nachfragen in Schulen durch unsere Fraktion, dass diese keinerlei Kenntnis davon hatten, dass Mittel zur Errichtung weiterer Fahrradstellplätze zur Verfügung stehen oder dass durch die Schule ein Bedarf angemeldet werden kann.”

Irgendetwas muss da gründlich schief gelaufen sein. Viele Einrichtungen wissen nichts von den verfügbaren Geldern. Und das Planungsdezernat beteuert: “Durch die beiden Ämter, die in der Verwaltung zuständig sind, wurden die Einrichtungen bezüglich eventuell notwendiger Stellplätze parallel abgefragt. Im Ergebnis konnten bisher nur die oben aufgeführten Bedarfe ermittelt werden.” Und: “Der Verwaltung sind keine weiteren Bedarfsmeldungen von Einrichtungen bekannt, daher werden nur bei Sanierungen von Außenanlagen, komplexen Sanierungen und Neubauten entsprechende Fahrradabstellanlagen vorgesehen. Eventuelle weitere, zeitnahe Bedarfsmeldungen könnten in diesem Jahr jedoch in Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch umgesetzt werden.”Angemeldet waren bis zum Oktober tatsächlich nur Bedarfe in Höhe von 12.540 Euro. Die Wilhelm-Busch-Schule in Reudnitz, die Kita Stollberger Straße 8 und Apollonia-von-Wiedebach-Schule haben irgendwie was spitz gekriegt und entsprechende Abstellanlagen bestellt.

In eigener Regie plant das Baudezernat noch, Abstellanlagen an folgenden Schulen unterzubringen: an der Erich-Kästner-Schule und der Pablo-Neruda-Schule, an der 68. Schule im Bereich der Sporthalle, am Immanuel-Kant-Gymnasium, am Anton-Philip-Reclam-Gymnasium und an den Kindertagesstätten Gohliser Straße und Bornaische Straße 184.

Was trotzdem die Frage ergibt: Warum wussten dann ausgerechnet Schulen, an denen schon intensiv über das Thema diskutiert wird, nichts von der Anmeldemöglichkeit?

Katharina Krefft: “Gerade Kitas und Schulen, bei denen seit Jahren Stellplatzbedarfe für die Fahrräder der Schülerinnen und Schüler herrschen und diskutiert werden, finden sich nicht in der Anmelde- und Umsetzungsliste. Ich erwarte hier seitens der Stadt deutlich mehr Offenheit und Transparenz und auch die notwendige Initiative. Als Kita- und Schulträger hat die Stadt aus meiner Sicht die Pflicht, hier selbst proaktiv Bedarfe zu ermitteln und die notwendigen Verbesserungen umgehend umzusetzen. Stattdessen wird versucht, den Bedarf kleinzureden oder gar abzusprechen und die Mittel an anderer Stelle zum Löcherstopfen zu nutzen.”

Eigentlich logisch: Bei Pkw kriegt es jeder Sachbearbeiter fertig, die nötige Stellplatzzahl pro Gebäude zu errechnen, bei Fahrrädern aber tut man so, als wäre es ein Wahlessen. Die Speisekarte ist dann wahrscheinlich einfach in einem Berg von Sendschreiben in den überlasteten (halbtags besetzten) Sekretariaten der Schulen hängen geblieben. Ist ja nicht so, dass die Stadt nicht auch dort spart.

“Meine Fraktion appelliert daher an alle Schul-/ KitaleiterInnen und Elternvertreter, die noch zur Verfügung stehenden Mittel schnellstmöglich abzufordern”, sagt Katharina Krefft. “Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler nicht mit dem Fahrrad zur Schule kommen, weil die Schule wegen der fehlenden Stellplätze an Eltern appelliert, ihre Kinder lieber mit dem Auto zu bringen. Eine vernünftige Umwelt- und Mobilitätserziehung geht anders und braucht die nötigen Voraussetzungen!”

Die Antwort aus dem Planungsdezernat als PDF zum Download.

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