Rund 28,7 Millionen Euro wollen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) in diesem Jahr in ihre Infrastruktur investieren, zusätzlich zu den geplanten Investitionen in Straßenbahnen und Busse. Aber gerade die Infrastrukturen zeigen mittlerweile, wie hochbelastet das System ist. Und selbst Haltestellen wie die am Hauptbahnhof platzen aus allen Nähten, weil die Zahl der hier Aus-, Ein- und Umsteigenden seit 2007 um 40 Prozent zugelegt hat.

Deswegen steht die Entschlackung dieser wichtigsten Haltestelle im LVB-Netz bevor. Vom 19. August bis zum 3. November soll die Haltestelle umgebaut werden. Entstanden ist sie ja in der jetzigen Form 2006, damals im Zusammenhang mit der Fußball-WM, von der ein paar Spiele auch im Leipzig ausgetragen wurden. Sie löste die alte, ebenerdige Haltestelle aus DDR-Zeiten ab, die noch wesentlich enger war, barrierefrei schon gar nicht.

Die neue Haltestelle wurde regelrecht gefeiert für ihre neuen Bedachungen mit der darunter weiß schimmernden Beleuchtung, für die Kassenhäuschen und Automaten auf den Bahnsteigen, die riesigen Windfänge und die erleuchteten Glaswürfel, auf denen man sitzen kann.

Aber seitdem sind 13 Jahre vergangen. Was damals völlig angemessen und ausreichend war, ist mittlerweile verschlissen. Die Farbe blättert ab, das installierte Klangprojekt funktioniert schon lange nicht mehr. „Das nutzen wir heute für unsere Haltestellendurchsagen“, sagt Ronald Juhrs, Geschäftsführer Technik und Betrieb der Leipziger Verkehrsbetriebe.

Aber allein schon die Zahl der hier täglich Umsteigenden hat sich deutlich erhöht – von 41.755 im Tagesdurchschnitt von 2007 auf mittlerweile 57.494, wie der Tagesdurchschnitt 2018 war. Und das sind wirklich nur die Durchschnittswerte. An Tagen mit Großereignissen, Weihnachtsmärkten oder Fußballspielen sind es noch einmal deutlich mehr, betont Juhrs.

Das Wachstum der Fahrgastzahlen bei den LVB schlägt sich auch hier nieder. Seit 2017 betrug es immerhin 15 Prozent. Dass gerade am Hauptbahnhof die Einsteigerzahlen noch stärker wuchsen, hat zum Teil auch mit der Eröffnung des City-Tunnels im Dezember 2013 zu tun.

„Die Haltestelle braucht dringend eine Renovierung“, sagt Juhrs. Genau das soll nach den Sommerferien passieren. Die nunmehr viel zu breiten Windabweiser sollen deutlich eingekürzt werden. Die beiden Schalterhäuschen werden schon lange nicht mehr besetzt und sollen jetzt endgültig verschwinden. Verschwinden sollen auch die einst so gefeierten Glaswürfel mit Leipziger Motiven. Die sind zu Hinsetzen einfach zu niedrig, auch zu kalt. Und sie bieten nicht genug Sitzmöglichkeiten. An ihrer statt sollen deutlich mehr Sitzbänke mit jeweils drei Sitzen aufgestellt werden.

Blick von oben auf die Haltestelle Hauptbahnhof. Foto: Ralf Julke
Blick von oben auf die Haltestelle Hauptbahnhof. Foto: Ralf Julke

„Dazu werden wir auch in den Belag eingreifen müssen“, so Juhrs. Und nach 13 Jahren könnte es ein Problem werden, noch einmal Ersatzkacheln in derselben Farbe zu bekommen. Aber das muss die Ausschreibung zeigen. Die ist gerade erst gestartet.

Umgebaut werden soll auch die Beleuchtung unter den Dächern – die längst als viel zu schwach und diffus erscheint, gerade wenn sich in dunklen Jahreszeiten auf den Bahnsteigen die Wartenden drängen. Hier soll eine moderne LED-Beleuchtung für mehr Licht sorgen.

Und auch die Abfallbehälter bekommen eine neue Anordnung: Es sollen deutlich mehr werden, denn schon heute ist Tag für Tag zu besichtigen, dass sie für den Betrieb nicht ausreichen. Oft genug bieten die Bahnsteige einen stark verschmuddelten Anblick. Und sie hängen auch noch oft im Weg, sollen also aus der Laufrichtung der Fahrgäste gedreht werden. Alles eher überschaubare Maßnahmen, die nicht nur auf die messbar gestiegene Zahl von ein- und aussteigenden Fahrgästen reagieren, sondern auch auf eine Computersimulation, mit der die LVB das Gewimmel auf den vier Bahnsteigen einmal am Bildschirm sichtbar gemacht haben.

Und gerade der Bahnsteig 1 erweist sich dabei als ein Nadelöhr, nicht nur weil mit den Linien 10, 11 und 16 hier drei Linien andocken, die sowieso stark frequentiert sind und am Hauptbahnhof wohl den größten Fahrgastaustausch aller Linien bewerkstelligen müssen. Wenn die Bahnen dann auch noch hintereinander halten, werden die ganzen Möblierungen auf dem Bahnsteig geradezu zur Falle, geraten sich alle Umsteigewilligen in den Weg und die Straßenbahnen stecken umso länger fest.

Dazu kommt aber auch noch der Fußgängerüberweg an der Westseite der Haltestelle, wo sich im Grunde bei jeder Ampelphase die Menschenmassen stauen und bei Grün stets im Wege sind.

Deswegen arbeiten die LVB schon länger daran, gemeinsam mit den Leipziger Verkehrsplanern einen dritten Überweg in der Mitte der Haltestelle zu bauen. Das wird nun nach den Sommerferien ebenfalls geschehen – ein Ampelübergang soll dann den direkten Übergang von der Mitte der Haltestelle zum Taxistand und dem Mitteleingang des Hauptbahnhofs ermöglichen.

Wenn die Computersimulationen recht behalten, wird sich dann das Geschehen von den jetzt existierenden Übergängen deutlich wegverlagern. Heute nutzen noch 60 Prozent der Menschen, die von der Haltestelleninsel zum Hauptbahnhof wollen, den Übergang an der Westseite, 40 Prozent den an der Ostseite. Der künftige Mittelübergang könnte bis zu 27 Prozent der Passantenströme übernehmen, sodass auf der Westseite nur noch 39 und auf der Ostseite 33 Prozent die Übergänge nutzen.

Alles zwar jetzt schon dringend, weil die Haltestelle längst an ihrer Belastungsgrenze angekommen ist, auch wenn die LVB es durchaus noch für möglich halten, zwei weitere Linien im 10-Minuten-Takt hierher zu verlegen.

Aber auch in den nächsten zehn Jahren rechnen die Verkehrsbetriebe mit weiteren Fahrgaststeigerungen. Der jetzt geplante Umbau der Haltestelle soll genau diesen dafür notwendigen Puffer schaffen und die Haltestelle in ihren jetzigen Dimensionen für die nächsten zehn, zwölf Jahre in ihrer Nutzbarkeit erhalten, sagt Juhrs.

Denn auch bei den LVB weiß man noch nicht, zu welchem Ergebnis die Leipziger Verkehrsplaner kommen, wenn sie den Promenadenring in seiner Verkehrsaufteilung neu justieren und auch die Leistungsfähigkeit des ÖPNV dort mit berücksichtigen. Vor Ende der 2020er Jahre rechnet Ronald Juhrs hier nicht mit einem umsetzbaren Ergebnis. Deshalb muss die Haltestelle so wie sie ist entschlackt werden, damit sie wenigstens die nächsten zehn Jahre noch ein zumutbares Umsteigen ermöglicht.

Gleichzeitig zur Haltestelle Hauptbahnhof werden vom 19. August bis zum 8. Oktober auch noch die Gleise östlich der Haltestelle erneuert. Auch sie stammen aus der Zeit um 2006 und haben entsprechend massive Verkehrslasten zu tragen gehabt. Jetzt sind sie so heruntergefahren, dass sie im Spätsommer komplett erneuert werden müssen.

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