"Lebensmittelsicherheit beginnt mit der hohen Qualität und der Einhaltung der erforderlichen Standards bei den Futtermitteln", erklärte Verbraucherschutzministerin Christine Clauß (CDU) am Montag, 4. August, in Wurzen bei der Vorstellung des Amtlichen Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung-Berichts. Die Basis für diese Sicherheit seien die regelmäßigen Kontrollen, unterstrich Clauß. Aber weder Grüne noch Linke glauben, dass es die versprochene Sicherheit tatsächlich gibt.

Die Grünen hatten sich zum Thema schon am 21. Juli zu Wort gemeldet, als der Jahresbericht der Landesuntersuchungsanstalt vorlag. Offiziell stellte ihn die Ministerin dann am Montag, 4. August, in Wurzen vor.

Sie verwies auf die landesweit durchgeführten Überwachungsschwerpunkte, so zur Hygienepraxis in gastronomischen Einrichtungen, zu sogenannten Lebensmittelimitaten, zu den Anforderungen an die Herstellung von Lebensmittelverpackungen oder auch zur Allergenkennzeichnung von Lebensmitteln.

Da kamen Erinnerungen an die letzten Lebensmittelskandale auf, die den Verbraucher auch in Sachsen immer wieder überraschen.

Man erinnere sich an die Meldungen über beispielsweise betrügerische Praktiken beim nichtdeklarierten Zusatz von Pferdefleisch zu Lasagne und deren grenzüberschreitender Vermarktung.

Für Christine Clauß habe sich dabei erneut gezeigt, dass die zuständigen sächsischen Verbraucherschutzbehörden auf außergewöhnliche Herausforderungen jederzeit angemessen reagieren könnten. Dabei habe sich auch die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) wieder sehr bewährt, die unverzüglich eine entsprechende Methode zum Nachweis der Tierart Pferd in Fleischerzeugnissen etablierte und anwendete.

An der Professionalität der Mitarbeiter in der Landesuntersuchungsanstalt zweifelt niemand. Aber schon in den Vorjahren kritisierte die Landtagsopposition, wie dünn das Netz der regelmäßigen Kontrollen in Sachsen tatsächlich ist.

Aber auch hier scheint für Sachsens Regierung alles paletti: Die “routinemäßige” amtliche Lebensmittelüberwachung sei durch die zuständigen kommunalen Behörden auch im Jahre 2013 auf dem bekannt hohen Niveau risikoorientiert durchgeführt worden, informierte Clauß. Dabei wurden nahezu 77.000 Inspektionsbesuche bei Lebensmittelunternehmen durchgeführt und dabei relevante Mängel oder “Verstöße” bei lediglich 1.991 Betrieben (5,5 Prozent der kontrollierten Betriebe) festgestellt. Dies zeige einmal mehr, dass die überwiegende Mehrheit der Lebensmittelunternehmer und -unternehmen sich am geltenden Recht orientiere. Möglicherweise sei dies aber auch eine Folge der wirksamen amtlichen Kontrollen, vermutete Clauß.

Mit einer Anzahl von nahezu 24.000 amtlich entnommenen und untersuchten Proben erfülle Sachsen auch weiterhin die hohen quantitativen Anforderungen des Lebensmittelrechts, betonte die Ministerin.Das Statement mit der deutlichen Überschrift: “Kontrollen sind wie Kampf von David gegen Goliath”, das die Grünen am 21. Juli gegeben hatten, kritisierte insbesondere die nicht ausreichenden Kontrollen in sächsischen Tierhaltungsanlagen – ein Thema, das genauso die handzahme Politik im Umweltministerium betrifft.

“Intensive Massentierhaltung verstärkt die Ausbreitungsgefahr gesundheitsgefährdender Keime und Bakterien in Wasser, Luft und Lebensmitteln. Die wichtigen Leistungen der LUA bei Tiergesundheit und Tierschutz kommen nur dann zum Tragen, wenn das Veterinärwesen auf kommunaler Ebene auch zu wirksamen Kontrollen der Tierfabriken in der Lage ist. Das ist in Sachsen leider nicht überall der Fall. Erst im Mai offenbarte eine Untersuchung der Grünen-Bundestagsfraktion, dass 16 Prozent der Wurstprodukte mit gesundheitsgefährdenden Keimen belastet ist”, merkte der Grünen-Landesvorsitzende Volkmar Zschocke, der auch für den Landtag kandidiert, an.

Die Staatsregierung habe es versäumt, die Voraussetzungen für wirksame Kontrolle im Sächsischen Ausführungsgesetz zum Tiergesundheitsgesetz zu schaffen:

“Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Tierseuchen fehlen”, nannte Zschocke eine sichtbare Schwachstelle in der sächsischen Überwachung. “Es gibt keine klaren Standards für die Qualifikation des Personals bei Tiergesundheitskontrollen. Das Gesetz nützt auch den Kommunen und Landkreisen nichts. Denn die stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand und müssen Personal abbauen. Wenn ein kommunales Veterinäramt gegen einen Schweinekonzern wie die Straathof Holding vorgehen will, ist das wie ein Kampf von David gegen Goliath. Da muss das Amt personell und fachlich auch in der Lage sein, sich bei Verstößen durchzusetzen”, sagte Zschocke.

Für den Grünen-Vorsitzenden sind konsequente Kontrollen trotzdem im Interesse der Bauern: “Wir wollen, dass die konkreten Verursacher von Gift- und Keimbelastung zur Verantwortung gezogen werden. Diese rücken auch die verantwortlich handelnden Bauern und Tierhalter in ein schlechtes Licht.”

Zu wenig Personal gäbe es auch für Futtermittelkontrollen: Hier seien fünf Mitarbeiter für fast 6.000 Betriebe zuständig.

Auch Dr. Dietmar Pellmann, sozialpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Landtag, sieht keinen Anlass zu solcher Selbstzufriedenheit bei der Lebensmittelüberwachung in Sachsen. Besonders stört ihn die Formulierung in der Meldung des Sozialministeriums, wonach “die ,routinemäßige? amtliche Lebensmittelüberwachung durch die zuständigen kommunalen Behörden auch im Jahre 2013 auf dem bekannt hohen Niveau risikoorientiert durchgeführt worden” sei.

“Es ist ja nachvollziehbar, dass die Ministerin, die selbst in Leipzig wieder für den Landtag kandidiert, so kurz vor den Wahlen gern Erfolgsmeldungen präsentieren möchte – auch wenn es um das von ihrem Ministerium in den letzten Jahren eher stiefmütterlich behandelte Thema Verbraucherschutz geht. Auch wir möchten die engagierte Arbeit der Kontrolleurinnen und Kontrolleure in den zuständigen kommunalen Ämtern würdigen”, sagt Pellmann. “Dennoch besteht kein Anlass zur Selbstzufriedenheit. Wie die Antworten der Staatsregierung auf mehrere Kleine Anfragen vom Februar 2014 bereits ergeben haben, sind zahlreiche Planstellen in den entsprechenden kommunalen Ämtern nicht besetzt. Damals fehlten sachsenweit 46 Fachkräfte. Die Lage dürfte sich mittlerweile wohl kaum entspannt haben, zumal das geltende Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst keine verbindlichen Festlegungen über die personelle Ausstattung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter enthält.”

Und so ist der Bericht – wie so mancher Bericht der sächsischen Staatsregierung – wieder nur einer, der den Aufgabenbereich lediglich aus der Bilanz der aufgelisteten Tätigkeit sieht, aber nirgendwo kritisch reflektiert, ob die Zahl und die Art der Kontrollen tatsächlich so lückenlos sind, dass von einem Schutz “vom Grashalm bis zum Schnitzel” gesprochen werden kann.

Pellmann: “Leider wurden die mehrfach ergriffenen Initiativen meiner Fraktion zu mehr gesetzlicher Klarheit und Verbindlichkeit von der Regierungskoalition abgelehnt. Aber gerade beim Verbraucherschutz kann man nicht nur bei Appellen bleiben.”

Den Bericht findet man hier: https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/22493

Die Kleine Anfrage zu Kontrollen 2012 und 2013 als PDF zum Download.

Die Kleine Anfrage zu Verstößen, Betriebsschließungen und Bußgeldern als PDF zum Download.

Die Kleine Anfrage zu Personal in Lebensmittelämtern als PDF zum Download.

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