Am Donnerstag, dem 19. Januar, gibt es wieder den gemeinsamen Neujahrsempfang der regionalen Wirtschaft "Gemeinsam für die Region". 2012 steht er - nicht ganz zufällig - unter dem Motto "Mit viel Energie ins neue Jahr". Denn kein Thema beschäftigt die Unternehmen seit über einem Jahr so sehr wie die Frage nach der Energieversorgung. Und das hat nicht nur mit Fukushima zu tun.

Auch wenn das Reaktorunglück vom 11. März 2011 in Fukushima und die nachfolgende Kehrtwende der Bundesregierung in der Atomenergiepolitik die Schwächen der deutschen Energiepolitik erst so richtig sichtbar machte. Auf einmal machten Geschichten in den Medien Furore, die von Stromimporten aus Frankreich, Österreich und Polen erzählten. Auf einmal wurde das Thema Versorgungssicherheit wieder diskutiert. Die mitteldeutschen Bundesländer versuchten, die heimische Braunkohle wieder als “Brückentechnologie” ins Gespräch zu bringen. Auch als preiswerte Alternative.

Die Bundesländer sehen sich auch durch neue Baupläne für Atomkraftwerke in Polen und Tschechien unter Druck gebracht. Dabei ist das deutsche Problem nicht einmal das Problem fehlender Strommengen – sie werden nur, nachdem der Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen massiv subventioniert wurde, nicht mehr in den klassischen Grundlastkraftwerken produziert, die auch dann arbeiten, wenn Sonne und Wind nicht verfügbar sind. Und sie werden nicht dort produziert, wo die energieintensiven Industrien sitzen – in Baden-Württemberg zum Beispiel. Die Windkraftanlagen drehen sich an der Küste und im norddeutschen Flachland. Wenn der Sturm bläst, produzieren sie mehr Strom, als das Leitungsnetz aufnehmen kann, und müssen abgeschaltet werden.

Doch der Netzausbau kleckert hinterher. Die leistungsstarken Trassen von Nord nach Süd fehlen. Und – da wurde auch Hartmut Bunsen, Präsident des Sächsischen Unternehmerverbandes, beim Pressegespräch zum Neujahrsempfang deutlich – eine verlässliche Energiepolitik in Deutschland fehlt ebenso. Das Raus und Rein und Raus in der Atomkraftpolitik steht symptomatisch für diese abrupten Kehrtwenden der Politik, die auf Einzelinteressen reagiert und dabei die notwendigen Planungshorizonte aus den Augen verliert. Denn auch neue Energiestrukturen brauchen Planungssicherheit für zehn, zwanzig Jahre. Ein Thema, das auch beim Ostdeutschen Energieforum am 10. und 11. März in Leipzig wieder eine Rolle spielen wird. Da werden nicht nur die großen Energieversorger im Publikum sitzen, Unternehmer und Politiker, sondern auch etliche Vertreter von Stadtwerken, die mittlerweile zum Motor für den energetischen Umbau der Republik geworden sind.

Manche – wie die Leipziger Stadtwerke – würden gern in ein neues Kraftwerk investieren, können aber unter den wechselhaften politischen Rahmenbedingungen das Risiko nicht eingehen. Denn auch das ist Grundlage einer sicheren Energieversorgung: die weitgehende regionale Unabhängigkeit. In der Region können auch die Lösungen gefunden werden, um für energieintensive Betriebe die Versorgung zu sichern. In Leipzig sind das vor allem die Gießereibetriebe.Doch seit dem 26. Juli 2011 bedroht ein weiteres dieser schnell hingeschusterten Gesetze die Leipziger Wirtschaft: das Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften, das gerade energieintensive Betriebe mit großem Stromverbrauch bei der Umlage der Netzentgelte deutlich entlastet – die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die über 90 Prozent der Leipziger Wirtschaft ausmachen, zahlen dafür mehr. Und auch die Privathaushalte zahlen mehr.

Es ist eines dieser Gesetze, das deutlich zeigt, dass in der deutschen Energiepolitik eher das Chaos herrscht. Das kurzfristige Entscheiden. Eine langfristige Strategie ist nicht in Sicht, obwohl alle Entscheider wissen, dass bis 2020/2022, wenn die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen, die neuen Hochspannungsleitungen von Nord nach Süd stehen müssen. Und dafür brauche es auch einen Finanzierungskonsens, fordert der Präsident der IHK zu Leipzig, Wolfgang Topf. Denn die Unternehmen in der Region seien sich sehr wohl bewusst, warum der Strompreis im Osten um bis zu 20 Prozent höher ist als im Westen. “Die notwendigen Investitionen in Netze und Kraftwerke nach 1990 mussten ja alle eingepreist werden, das bezahlen wir mit unserem Strom alle mit”, sagt Topf. “Das ist noch nicht abbezahlt.” Deswegen sei es notwendig zu überlegen, wie sich auch die älteren Bundesländer an der Finanzierung der Stromtrassen, die jetzt gebraucht werden, finanziell beteiligen. “Es kann nicht sein, dass der Osten die Leitungen bezahlt, damit der Süden den Strom bekommt, das geht nur gemeinsam”, sagt Topf. Vergisst aber auch nicht zu erwähnen, dass dazu in der Runde der Bundesländer bislang kein Kompromiss gefunden werden konnte. Der kleinstaatliche Föderalismus blockiert seit Jahren die Entscheidungsfindung.

Auch deshalb habe man schon im Sommer den deutschen Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) eingeladen. Rösler hat zugesagt und wird auch zum Thema Energiepolitik am Donnerstagabend Stellung nehmen. “Wir brauchen eine Zuverlässigkeit in der Energiepolitik”, sagt Topf. Und es sind nicht nur die großen, energieintensiven Betriebe, die mit den steigenden Energiekosten zu kämpfen haben. Sie gehören auch in den kleinen und in den Handwerksbetrieben zu den Rechnungsposten, die seit Jahren steigen.

Und es ist nicht das einzige Problem, das die Politik jahrelang ausgesessen hat. Das nächste ist der Fachkräftebedarf in der regionalen Wirtschaft. “Wir stehen da noch gut da”, sagt Ralf Scheler, der Handwerkskammerpräsident, “denn wir haben schon früh eine Strategie entwickelt, die Schüler für die vielfältigen Möglichkeiten im Handwerk zu interessieren.” Doch auch er weiß, dass das nicht reichen wird, dass über Themen wie Lebensarbeitszeit und die Gewinnung ausländischer Fachkräfte auch im Handwerk nachgedacht werden muss.

Es gibt eine Menge Botschaften, die die Leipziger Wirtschaft dem Bundeswirtschaftsminister mit auf den Weg geben will. Bei der nunmehr neunten Auflage des Neujahrsempfangs, den IHK, Handwerkskammer, Unternehmerverband und Marketingclub gemeinsam bestreiten, mit einer gewissen Resignation. Denn Minister und Ministerpräsidenten, die schöne Reden geschwungen haben, hatte man zu jedem Empfang in der Vergangenheit da. Doch auch Scheler sieht da eine gewisse “politische Beratungsresistenz”, an der selbst drängende Botschaften immer wieder abprallen.

Beim Pressegespräch war dann zumindest kurzzeitig auch noch das Problem der Fachkräftegewinnung in der Politik Thema. Aber dazu wird am Donnerstag wohl die Zeit nicht reichen, das auch noch anzuschneiden. Rund 1.200 Unternehmer haben sich schon für den Empfang in der Glashalle in der Neuen Messe angemeldet, der um 19 Uhr beginnt. Diesmal zufällig in Nachbarschaft zur durchaus erfolgreichen Messe “Partner Pferd”.

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