Straßenumbau ist ein heikles Thema in Leipzig. Eine Art Pilotprojekt war in den 1990er Jahren der Umbau der Delitzscher Straße, bis dahin durchaus eine an Geschäften reiche Straße. Einer, der das selbst miterlebt hat als Unternehmer, ist Konrad Riedel, seinerzeit Inhaber einer beliebten Bäckerei auf der Delitzscher. Was derzeit auf der "Karli" passiert, sieht er mit durchaus kritischen Augen.

“Die Karli wird saniert – gut und richtig. Aber die Anlieger haben Existenzängste – berechtigte, denn die negativen Beispiele in der Delitzscher Straße oder der Innenstadt (City-Tunnel-Bau) hatten gravierende Folgen für anliegende Gewerbetreibende und Händler”, sagt er zum jüngsten Aufbegehren der Gastronomen aus der Karl-Liebknecht-Straße, die vor allem eines fürchten: eine zweijährige Sperre für den Durchgangsverkehr.

Bis heute sind die Leipziger Stadtplaner überzeugt, mit der Delitzscher Straße und der dort gelungenen Beschleunigung der Straßenbahn Linie 16 ein Meisterwerk vollbracht zu haben.

“Die Delitzscher Straße wurde diesbezüglich totsaniert”, sagt Riedel. “Die Straße war fertig, die Läden zu: Insgesamt schlossen dort nach der Sanierung 34 Geschäfte, obwohl sie von der Stadt nach Bauabschluss nicht unerhebliche Summen als Schadensersatz für ihre entstandenen Ausfälle erhielten. Als ebenfalls Betroffener sagte ich schon damals, dass die Mittel besser angelegt worden wären, wenn man damit Aktionen zur Belebung der Straße während(!) der Bauphase finanziert hätte. Der Kontakt zum Baubüro und der Bauleitung war damals sehr gut und gewisse Absprachen bei Anlieferungen klappten auch. Doch das war das Mindeste: die Sicherung der Erreichbarkeit!”

Denn derart lange Phasen des Baus und der weit reichenden Nicht-Erreichbarkeit (oder scheinbaren Nicht-Erreichbarkeit) haben langfristige Folgen. Menschen sind Gewohnheitstiere. Und bis ein Ladengeschäft seinen festen (Lauf-)Kundenstamm aufgebaut hat, braucht es meist auch mehrere Jahre, viel Werbung, gute Mund-zu-Mund-Propaganda und möglichst keine Stockungen, die den Passanten vor verschlossenem oder gar schwer erreichbarem Laden stutzen lassen.

Viele Eutritzscher änderten seinerzeit ihre Gewohnheiten, machten um die Baustelle einen großen Bogen. Viele nahmen, als es dann fertig war, auch sofort das bequeme Angebot im “Eutritzscher Zentrum” an. Auch das eine Deformierung des ursprünglichen Geschäftsstraßencharakters.

So etwas ist bislang im Bereich der Karl-Liebknecht-Straße nicht zu erwarten. Doch absehbare zwei Jahre Bauzeit mit Sperrung – das kann auch für die Kneipiers auf der bislang erfolgreichen Karli haarig werden.

“Die Händler und Wirte in der Karli müssen jedoch von der Stadt aktiver unterstützt werden, in besonderem Maße bei Aktionen, um über die lange Durststrecke der Bauzeit zu kommen”, sagt Ex-Unternehmer und CDU-Stadtrat Konrad Riedel. “Events und verkaufsfördernde Maßnahmen müssen während der Bauzeit organisiert werden, unter anderem mit dem Potential der unter anderem vor Ort angesiedelten Kunst und Kultur. Dazu müssen natürlich schon vor Baubeginn die Anlieger Ideen und Konzepte entwickeln, und die Stadtverwaltung muss sich positionieren, wie sie als Verursacher der Behinderungen aktiv finanziell die Unternehmen fördert, um die Schäden so gering wie nur möglich zu halten, statt sie erst anzuerkennen, wenn sie eingetreten und zu hoch sind. Dann sind nämlich die Kneipen und Läden auch in der Karli schon zu!”

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