Wenn es um negative Schlagzeilen geht, hüllen sich Großkonzerne noch mehr in Schweigen als sie es ohnehin schon tun. Gibt es aber mal aus Sicht des Unternehmens etwas, das zur Imageverbesserung beitragen könnte, dann werden die Posaunen der Öffentlichkeitsarbeit pausbäckig gepustet. Jüngstes Beispiel Amazon: Der Versandhändler (der keiner sein will) beschäftigt nach Ende der Weihnachtssaison jede zehnte Saisonkraft weiter.

So jedenfalls lautet es aus der Konzernzentrale. Nach der diesjährigen Weihnachtsaison übernehmen die deutschen Amazon-Logistikzentren bundesweit 1.300 Saisonkräfte, einen Teil davon in unbefristete Positionen, den Großteil mindestens bis zum 31. Dezember 2014. Ursprünglich waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur für das Weihnachtsgeschäft eingestellt worden. Dank des Wachstums in Deutschland schafft das Unternehmen jedoch weitere Jobs über die bereits bestehenden 9.000 festen Arbeitsplätze hinaus.
Auch in Leipzig sollen Aushilfen übernommen werden. Über deren Anzahl wurden allerdings keine Angaben gemacht. Vielmehr heißt es von offizieller Unternehmensseite: “Wichtig ist: Wir schaffen nicht nur Arbeit – sondern gute Arbeit”, so Steven Harman, EU Director Operations und verantwortlich für die deutschen Logistikzentren. “Unsere neuen Mitarbeiter verdienen mindestens 9,55 Euro pro Stunde im ersten Jahr, danach mindestens 10,47 Euro pro Stunde. Hinzu kommen Boni, kostenlose Versicherungsleistungen und Altersvorsorge.”

Laut Gewerkschaftsangaben soll das Gros der Stellen, die dauerhaft geschaffen werden sollen, allerdings an den neuen Standorten wie Beieselang bei Berlin entstehen, wo noch keine langjährige Belegschaft existiert. In Leipzig soll der Prozentsatz der vom Unternehmen verlängerten Verträge aber wesentlich unter den eingangs erwähnten bundesweiten zehn Prozent liegen. Das Unternehmen macht indes weiter Werbung in eigener Sache. Wie es aus der Unternehmensleitung verlautet, bleibe Amazon mit seinen Logistikzentren weiterhin einer der wichtigsten Arbeitgeber in den jeweiligen Regionen und biete Menschen unabhängig von Alter, Ausbildung oder vorherigem Beschäftigungsstatus eine Chance.

Weiter verweist Amazon in diesem Zusammenhang auch auf Aussagen von Vertretern der Arbeitsagenturen im “Focus” 01/2014 und vom 23. Dezember 2013. Mitarbeiter in den deutschen Amazon-Logistikzentren sortierten Waren ein, verpackten und versendeten sie. Dafür verdienten sie nach einem Jahr im Schnitt 2.000 Euro pro Monat und seien damit “am oberen Ende des in der Logistik Üblichen”, so Harman. Der Geschäftsführer der Amazon.de GmbH, Ralf Kleber, zog überdies eine positive Bilanz der Weihnachtsaison. Am diesjährigen Spitzentag, dem 15. Dezember, hätten Kunden 15 Prozent mehr Produkte als im vergangenen Jahr bestellt – insgesamt 4,6 Millionen, 53 pro Sekunde.

Scheinbar unbeeindruckt zeigt man sich im Konzern von den jüngsten Streikaktionen vor Weihnachten, die angeblich ohne Folgen auf den Versand geblieben seien. “Amazon hat wie gewohnt pünktlich geliefert”, so Kleber. “Das überrascht allerdings nicht – denn nur eine sehr kleine Minderheit hat nicht gearbeitet.” Von den rund 23.000 Mitarbeitern in der Weihnachtszeit folgten laut Konzernangabe nur jeweils einige Hundert Mitarbeiter dem Aufruf. Mittlerweile wehren sich nach Angaben von Amazon auch Mitarbeiter gegen die aus ihrer Sicht falsche Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Allein im Logistikzentrum Leipzig seien dem Management am Freitag vor Weihnachten über 700 “Pro-Amazon”-Unterschriften, gesammelt von der dortigen Belegschaft, übergeben worden. Sie distanzierten sich damit von den Methoden der Gewerkschaft ver.di und schreiben: “Wir arbeiten gern bei Amazon.”

Das teils negative Bild, das über Amazon verbreitet werde, decke sich nicht “mit dem Empfinden und der Einstellung vieler Mitarbeiter”, soll es in dem Schreiben formuliert worden sein. Auch andernorts hatten sich Mitarbeiter entsprechend zu Wort gemeldet, etwa in Zeitungs-Interviews oder auf der Video-Plattform Youtube.

Am 20. Dezember hatte sich der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Gregor Gysi, als Vermittler angeboten. “Im Tarifstreit bei Amazon bietet sich der Vorsitzende der linken Bundestagsfraktion Gregor Gysi als Vermittler mit der Konzernspitze an”, meldete die Linkspartei nach einem Gespräch Gysis mit der Standortleitung des Versandhändlers in Leipzig. Er sei bereit, so Gysi, nach Seattle zu fahren und zwischen den verhärteten Fronten zu vermitteln. Bedingung sei jedoch, dass die Konzernspitze grundsätzlich Bereitschaft zeige, sich im Tarifstreit auf die Beschäftigten zuzubewegen. Vor dem Gespräch mit der Standortleitung hatte Gysi bereits den Streikstützpunkt in Leipzig besucht und zu den Streikenden gesprochen.

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