Als wir jüngst über das Ende des Cross-Border-Geschäfts mit dem Trinkwassernetz der Leipziger Wasserwerke berichteten, ging es in den Leserkommentaren ein wenig hin und her. Wurde jemand dafür zur Rechenschaft gezogen, dass hier einfach mal 39 Millionen Euro verbrannt wurden? Wer war's eigentlich?

Der Name Klaus Heininger wurde wieder diskutiert, einst kaufmännischer Geschäftsführer der Wasserwerke Leipzig, jüngst erst nach einer halbierten Haftzeit entlassen aus einer Haft, zu der er wegen seiner CDO-Geschäfte verurteilt worden war. Diese CDO (Collateralized Debt Obligation) aber waren nur aufgesetzt, quasi eine Art Versicherungsgeschäft, mit dem die Wasserwerke selbst zum Versicherer gemacht wurden.

Aber das hatte eigentlich nichts mit den zugrunde liegenden Cross-Border-Geschäften zu tun, die nicht Heininger selbst eingerührt hatte, sondern die Leipziger Stadtspitze. Dass das Thema einer Quasi-Eigentumsübertragung am Leipziger Trinkwassernetz an ein amerikanische Unternehmen – in diesem Fall Verizon – und die Erzielung eines barwerten Vorteils durch den Leasingnehmer – also Leipzig, das sein eigenes Trinkwassernetz quasi zurückmietete – den Leipziger Stadtrat heillos überforderte, wurde 2007 und 2008 sichtbar. Da rollte erst die US-amerikanische Subprime-Krise an, die sich binnen weniger Monate zu einer ausgewachsenen Bankenkrise entwickelte.

Und die ersten, die munter wurden, waren damals die Stadträte der Linksfraktion. Am 1. Oktober 2008 stellten sie die Stadtratsanfrage zum Thema “Mögliche Risiken aus der US-Finanzkrise für bestehende Cross-Border-Leasingverträge (CBL)”. In der hieß es: “Die Stadt Leipzig und einige städtische Unternehmen bzw. Beteiligungen haben in den vergangenen Jahren hochkomplexe risikoreiche Cross-Border-Leasingverträge mit US-Unternehmen abgeschlossen. In diese Verträge sind neben dem US-Investor auch Banken, Versicherungen usw. eingebunden. Im Zusammenhang mit der US-Finanzkrise und deren Folgen erhebt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die bestehenden CBL-Verträge.”

Von ganz allein waren sie nicht darauf gekommen. Es war just das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln), das die deutschen Kommunal-Michel damals darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Goldmariechen-Zeit der CBL-Verträge vorbei war und Kommunen und Kommunalbetriebe jetzt mit den ganzen unberechenbaren Folgen dieser grenzüberschreitenden Geschäfte konfrontiert würden.

Winfried Wuest vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sagte damals: “Die Krise kann sich auf alle CBL-Geschäfte auswirken … Bestehende Sicherheiten sind von einem Tag auf den anderen wertlos geworden.“

Und so nebenbei deutete sich auch an, was für einen Flurschaden das Desaster der Sachsen LB anrichten würde. Die Linksfraktion: “Hinzu kommt, dass im Zusammenhang mit dem Verkauf der Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg die EU-Kommission nach der ‘Börsenzeitung’ vom 9.6.2008 u. a. die Auflage erteilt hat, die East Merchant GmbH zu verkaufen. Die East Merchant GmbH wurde mehrheitlich von der Landesbank Sachsen gehalten. Sie ist ein Spezialfinanzierer für grenzüberschreitende Finanzierungen u. a. von US-Leases und war möglicherweise auch in den Abschluss von CBL-Verträgen eingebunden.”

Da sieht man mal, was Linke so alles lesen. War die Angst berechtigt? War sie.

Aber wer hat das Geschäft nun eigentlich eingerührt, bei dem Leipzig nun zwar im Jahr 2015 die Gelegenheit erhielt, sein Trinkwassernetz für 96 Millionen US-Dollar von Verizon zurückzukaufen, am Ende aber eben doch insgesamt 39 Millionen Euro draufgezahlt hat?

Dabei geht gar nicht alles auf das CBL-Geschäft zurück. Denn die Stadt selbst hat ja das CBL-Geschäft beim amerikanischen Versicherer MBIA versichert und dort Anleihen im Wert von 61 Millionen US-Dollar gekauft. Dumm nur, dass die zum Jahresende 2015 nur noch 33 Millionen Euro wert waren. Allein hier wurden also 28 Millionen US-Dollar regelrecht verbrannt.

96 Millionen Dollar Rückkaufpreis minus 33 Millionen Dollar – macht immer noch 63 Millionen Dollar, die Leipzig jetzt aufbringen musste, denn die geldwerten Vorteile aus dem CBL-Geschäft (rund 19 Millionen Euro) sind ja schon lange verfrühstückt. Damit wurden unter anderem die prekären Haushalte von 2004/2005 gefüttert. Auch wenn es – insgesamt betrachtet – eher eine lächerliche Summe war.

Tatsächlich musste Leipzig also für den Rückkauf 63 Millionen US-Dollar aufbringen. Die hat der Finanzbürgermeister logischerweise mit möglichst niedrigen Zinsen am Kreditmarkt aufgenommen. Die werden also bei der städtischen Verschuldung wieder auftauchen.

Trotzdem bleibt das Staunen darüber, dass 2002/2003 niemand aufschrie. Denn eingetütet wurde das Ganze damals. Und auch damals nichtöffentlich. Die Leipziger Bürger haben wohl wirklich allen Grund, sich an den Kopf zu fassen. Der Linke-Stadtrat Jens Hermann-Kambach nannte den Fakt noch einmal, als er 2006 mal genauer nachfragte: “Am 16.10.2002 bestätigte der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung zwei Vorlagen des Oberbürgermeisters, mit dem dieser ermächtigt wurde, sogenannte US-Cross-Border-Lease-Transaktionen in Zusammenhang mit den Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen der KWL und der Schieneninfrastruktur einschließlich entsprechender Nebenanlagen der LVB abzuschließen.”

Eingeleitet wurde das CBL-Projekt unter dem damaligen Finanzbürgermeister Peter Kaminski (CDU) und dem Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD). Aber ohne die knappe Mehrheit in der nicht öffentlichen Stadtratsitzung am 17. März wäre es schlicht nicht gegangen.

Damit steht dieser Stadtratsbeschluss in einer ganzen Reihe von Beschlüssen, in denen immer wieder eine knappe Mehrheit fatale Entscheidungen für die Stadt getroffen hat, die nächste dann wieder am 15. November 2006, als der Stadtrat die Einleitung des Verfahrens zur möglichen Veräußerung von Anteilen der Stadt an der LVV und den Stadtwerken Leipzig beschloss – was dann erst durch den Bürgerentscheid im Folgejahr verhindert wurde.

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Es gibt 3 Kommentare

Dann hinterfragt doch mal bei den Stadtratfraktionen der SPD und der CDU das damalige Abstimmverhalten, es sind doch immer noch Stadträte von damals aktiv.

Ein bemerkenswerte Beitrag Herr Julke. So war es.

Nicht gut finden ich den Satz:

“Und die ersten, die munter wurden, waren damals die Stadträte der Linksfraktion.” Die befinden sich bis heute im Tiefschlaf. Von Selbstkritik keine Spur. Das mögen die Leipziger nicht!!!!

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