Am Mittwoch, 26. Oktober, war auch die IHK zu Leipzig dran mit den neuesten Zahlen zur konjunkturellen Lage. Eigentlich kein großer Grund zum Grübeln: Die regionale Wirtschaft hält den eingeschlagenen Wachstumskurs wie im vergangenen Jahr bei. Die Lageeinschätzung ist gut, nur die Zukunftsaussichten sind etwas gedämpfter. Was aber auch nicht neu ist. Leipzigs Wirtschaft fährt eigentlich immer mit angezogener Handbremse.

Die Lageeinschätzung der Unternehmen liegt im langjährigen Vergleich auf einem hohen Niveau, das unterstreicht deren gute Verfassung, meldet die IHK. War der Saldo aus positiven und negativen Lageeinschätzungen im Frühjahr mit 42 Punkten im Plus, so sind es jetzt in der Herbstumfrage 41 Punkte.

Was heißt das? 49 Prozent der 735 Unternehmen, die ihre Fragebögen fleißig ausgefüllt haben, sehen ihre Lage positiv, 43 halten sie für befriedigend und nur 8 Prozent halten sie für schlecht. 49 minus 8 macht 41. Das ist – auch im langjährigen Vergleich – ein guter Wert. Seit 2011 liegen die Lageeinschätzungen der Leipziger Unternehmen in dem Bereich. Da hatten sie sich tatsächlich aus dem Tal gleich nach der Finanzkrise herausgearbeitet. Seitdem zieht Leipzigs Wirtschaft, schafft Arbeitsplätze, lässt die Umsätze steigen und auch die Steuereinnahmen. Wenn auch noch lange nicht auf Westniveau.

Das wird wohl noch Generationen dauern.

Aber so oft es Unkenrufe gab, die Konjunktur könne so nicht ewig weiterlaufen, zeigten die nächsten IHK-Konjunkturumfragen: Sie tat es doch. Im Grunde läuft sie seit 2011 auf recht gleichmäßigem Niveau.

Und die Geschäftserwartungen? Ist da Grund zum Zweifeln? Auch wenn sie „etwas verhaltener“ ausfallen? Nicht wirklich. Im Frühjahr lagen die Erwartungen mit 15 Prozent im Plus, jetzt sind es noch 12 Prozent. Der Wert schwankt mit der Saison, ist aber seit 2011 trotzdem im positiven Bereich.

„Die sächsische Wirtschaft wächst auch in diesem Jahr und die Ergebnisse unserer aktuellen Konjunkturbefragung können diesen positiven Trend auch für die Region Leipzig bestätigen. Fast die Hälfte der Unternehmen beurteilte die Geschäftslage mit gut. Der leichte Rückgang der Geschäftserwartungen liegt zum einen an saisonalen Schwankungen sowie branchenspezifischen Ursachen, ist zum andern aber auch dem Anstieg der Arbeitskosten etwa durch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2017 geschuldet“, fasst Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, die Ergebnisse zusammen.

Wobei zu bemerken ist: Während bei der Einschätzung der Lage die meisten Unternehmer sehr wohl sagen können, ob der Laden gut läuft oder schlecht, sind Blicke in die Zukunft immer schwer. Deswegen gehen die meisten Befragten in allen Branchen lieber hoffnungsvoll davon aus, dass die Lage gleich bleibt und sich gar nichts ändert. Am höchsten ist dieser Anteil übrigens im Baugewerbe, genau jenem Wirtschaftsbereich, in dem derzeit die Auftragsbücher platzen, die Geschäftsführer händeringend nach Facharbeitern suchen und immer weiter neue Aufträge hereinpurzeln.

Gleichbleibend, sagen sie. So ein „gleichbleibend“ können sich andere Branchen oft nur wünschen.

Gleichbleibend heißt aber auch: Leipzigs Unternehmen halten sich bei Investitionen weiter zurück.

„Die Unternehmen bleiben bei ihren zurückhaltenden Investitionsplanungen vom Frühjahr. Der Saldo liegt unverändert bei +7 Punkten. Einzig im Dienstleistungsgewerbe ist ein Anstieg der Investitionsaktivitäten zu erkennen. Fast die Hälfte der Firmen plant Ersatzbeschaffungen und etwa jeder fünfte Betrieb investiert in Rationalisierung, Innovationen oder in den Kapazitätsausbau“, so die IHK.

Die gute Nachricht für den Leipziger Arbeitsmarkt: „Weiterhin positiv fallen die Personalplanungen der Unternehmen aus. Der Saldo legt gegenüber dem Frühjahr sogar leicht zu und liegt bei +11 Punkten. Jedes fünfte Unternehmen plant Mitarbeiter einzustellen. Dem entgegen steht das schwindende Angebot an qualifizierten Fachkräften. Aktuell können 32 Prozent der befragten Unternehmen ihre offenen Stellen nicht innerhalb von zwei Monaten mit einem qualifizierten Bewerber besetzen. Dies waren zwei Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Davon betroffen sind besonders das Bau- und Verkehrsgewerbe.“

Was dann eben auch bedeutet, dass der Fachkräftemangel in der Sorgenliste der Leipziger Unternehmen immer weiter nach oben rutscht. Im Baugewerbe ist er unter den Sorgen schon die Nr. 1. Von 36 auf 53 Prozent schnellte der Wert seit dem Frühjahr dort nach oben.

In den meisten anderen Branchen stehen die Arbeitskosten da oben. Und weil große Teile der Leipziger Wirtschaft nach wie vor knapp haushalten müssen, bedeutet auch die angekündigte Erhöhung des Mindestlohns für sie am 1. Januar 2017 eine zusätzliche Belastung. Allen voran das Verkehrsgewerbe nennt die Arbeitskosten mit 64 Prozent als Problem, gefolgt vom Einzelhandel mit 60 Prozent, was schon verblüfft. War es nicht der Einzelhandel, der jahrelang mit Mini-Jobs für eine deutliche Senkung der Gehälter sorgte?

Aber dem Einzelhandel macht augenscheinlich das boomende Geschäft der Online-Händler die Geschäfte zunichte. Wo die Konkurrenz wächst, wachsen auch die Sorgen.

Und das zeigt sich ganz unübersehbar im Leipziger Tourismusgewerbe. Da sind die Geschäftsprognosen regelrecht abgestürzt von +19 auf -5 Prozent. Gründe dafür gibt es mehrere, so die IHK: „Auch in der Tourismusbranche laufen die Geschäfte nach wie vor sehr gut. Dennoch haben die Unternehmen ihre Prognosen nach unten revidiert. Neben saisonalen Gründen spiegelt sich in der Skepsis die Sorge vor steigenden Arbeitskosten (Mindestlohn), aber auch vor dem aktuell massiven Ausbau der Hotelkapazitäten speziell in der Stadt Leipzig wider.“

Es ist ja nicht so, dass der Leipziger Tourismus gerade Probleme hat wie der in Dresden oder Chemnitz. Im Gegenteil: Die Übernachtungszahlen steigen. 2,3 Milliarden Euro Umsatz hat die Branche im vergangenen Jahr umgesetzt. Probleme mit Übernachtungskapazitäten gibt es eher draußen im Neuseenland: Ferienwohnungen fehlen, Campingplätze. Im Sommer reichen die Betten nicht, im Winter ist dafür tote Hose.

Deswegen werden die neuen Hotelkapazitäten fast alle in Leipzig selbst gebaut. So viele, dass die eingesessenen Hoteliers so langsam Angst bekommen: Wird das nicht viel zu viel?

Keiner weiß es. Leipzig hat ja kein Saisonproblem, sondern ein Event-Problem. Wenn große Festivals und Märkte stattfinden, ist es fast unmöglich, ein freies Bett zu bekommen. Die Diskussion um eine Kulturtaxe ist in Leipzig zwar derzeit vom Tisch. Aber die IHK warnt trotzdem: „Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschafts- und Imagefaktor für die Region. Steigende Gästezahlen belegen dies eindrucksvoll. Durch das neue Kommunalabgabengesetz in Sachsen können mehr Städte als bisher touristische Abgaben in Form einer Gästetaxe oder Tourismusabgabe erheben. Diese Möglichkeiten sind mit Bedacht zu wählen und dürfen kein Freibrief sein. Nur bei einem gleichlaufenden Ausbau von touristischen Angeboten sind zumindest die Gästetaxen gerechtfertigt. Die nicht zweckgebundene Bettensteuer bzw. Kulturförderabgabe zur Sanierung der Haushalte ist weiterhin strikt abzulehnen. Ein gesetzliches Verbot wäre hier weiterhin wünschenswert.“

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