Manchmal muss es gar keine extra Anfrage sein, die den im Landtag vertretenen Parteien Einblick gibt in das, was die Staatsregierung gerade so treibt. Manchmal zwingt auch ein simpler Antrag dazu, dass die Regierung Farbe bekennen muss. So geschehen mit einem Antrag der Linksfraktion, die dem stockenden Verfahren zum neuen MDR-Staatsvertrag mal ein bisschen Dampf machen wollte.

Denn 2015 ist das Novellierungs-Verfahren für den MDR-Staatsvertrag ja bekanntlich völlig zum Erliegen gekommen. Und die sächsische Regierung, die in diesem Verfahren federführend ist, zeigte nicht viele Anstalten, das Verfahren wieder ins Laufen zu bekommen. Irgendwie sah es so aus, dass man erst einmal noch die Neubesetzung des Rundfunkrates nach dem alten Schema deichseln wollte, was man ja dann im Dezember auch tat – samt der Installation des langjährigen CDU-Abgeordneten Steffen Flath als Gremiumsvorsitzender. Was ja dann ein  deutliches Zeichen dafür war, dass man von einer Politikferne dieses Gremiums und des Senders nicht wirklich viel hält.

In seine Stellungnahme zum Antrag der Linken hat nun Dr. Fritz Jaeckel, Leiter der Sächsischen Staatskanzlei, ein paar Punkte sichtbar gemacht, an denen sich die sächsische Regierung durchaus ein wenig bewegen will. Aber auch, wo man einfach nicht loslassen möchte, weil man mit dem alten Proporz vor allem für Eines sorgt: Ruhe im Gremium.

Denn was heißt es eigentlich, wenn Fritz Jaeckel auf die Forderung der Linksfraktion nach einem ausgewogenen Proporz von Frauen und Männern in dem 43-köpfigen Gremium erklärt: “Regelungen, die Art. 3 Abs. 2 GG Rechnung tragen, sind Bestandteil des Entwurfs und werden sich in der Praxis in die unter c) insinuierte Richtung auswirken. Wichtig bleibt aber auch weiterhin die fachliche Qualifikation und Kompetenz.”

Wobei der letzte Satz Unfug ist: Die meisten Mitglieder des Rundfunkrats sind auch heute nicht, was den Rundfunk betrifft, “fachlich qualifiziert und kompetent”. Sie sind Vertreter ihrer jeweiligen  Lobbygruppe. Und schon allein das führt dazu, dass 23 Plätze ziemlich starr mit Vertretern streng festgelegter Kammern und Verbände besetzt sind, alle irgendwann mal im Jahr 1992 festgelegt und nie geändert. Und da Jaeckel die Kompetenz anspricht: Weder hat irgendeine Journalistenvereinigung einen Sitz in dem Gremium, noch eine Wissenschaftseinrichtung. Dafür sitzen jede Menge Bauernvertreter, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter und fünf Vertreter von Glaubensgemeinschaften drin.

Lediglich acht Plätze konnten von den drei Landtagen mit Vertretern “bedeutsamer Organisationen und Gruppen” besetzt werden. Schon der Blick auf das bisherige starre Besetzungsverfahren zeigt, dass das alles mit dem zitierten Artikel 3 des Grundgesetzes nicht viel zu tun hat. Da steht nun einmal: “Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.”

Aber wenn die meisten Plätze nach einem starren Verfahren schon mit Männern besetzt sind, die zumeist auch in anderen Vertretungsgremien schon omnipräsent sind, ist die Diskriminierung allein schon durch die Reduktion der verbliebenen Plätze gegeben. Fünf Frauen auf 38 Männer? Das ist ein Armutszeugnis. Aber das Verhältnis entsteht eben nicht, weil wirklich frei gewählt wurde, sondern weil die meisten Sitze schon qua Staatsvertrag für Männer vorgesehen sind. Es ist ein Vertrag, der die Dominanz gewichtiger Männer sichert. Die der Politik sowieso, auch wenn der Anteil von zehn Vertretern aus Parteien und Staatsregierungen überschaubar scheint. Die gesetzten Verbände sind nicht wirklich alle “staatsfern”, dafür eben leider, was den Rundfunk betrifft, nicht wirklich qualifiziert – mit einigen wenigen Ausnahmen der von den Landtagen benannten Vertreter unabhängiger Organisationen.

Aber das reicht nicht.

Auffällig ist auch: Die eigentlich Betroffenen, die Zuschauer, Zuhörer und Rundfunkbeitragszahler, haben überhaupt keinen Sitz in dem Gremium. Logisch, dass so niemals eine kritische Diskussion über die Arbeitsweise der Drei-Länder-Anstalt beginnen wird. Ihr fehlt die kritische Instanz im wichtigsten Aufsichtsgremium.

Einziger Lichtblick, den Sachsens Regierung jetzt benennt: “Der Entwurf des MDR-StV wird vorsehen, dass die Sitzungen des Rundfunkrates öffentlich sind.”

Wenigstens das. Auch wenn da trotzdem noch nicht alle interessierten Bürger die Gelegenheit haben werden, den Sitzungen beizuwohnen. Dazu müssten die drei Regierungen noch ein klein wenig mehr Mut zeigen und a) die Protokolle dieser Sitzungen veröffentlichen und b) die Sitzungen im TV übertragen lassen.

Ansonsten ist es eher ein Placebo, wenn Dr. Fritz Jaeckel erklärt: “Kleinere Gruppen werden bereits jetzt durch das Bewerbungsverfahren gemäß § 19 Abs. 1 Ziff. 16, Abs. 3 MDR-StV berücksichtigt. Damit wird, vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt, einer Versteinerung der Gremien vielfaltssichernd entgegengewirkt (BVerfG, Urteil vom 25.03.2014 – 1 BvF 1111, 1 BvF 4111,R2.74).”

Das sind die acht Plätze, die die Landtage in freier Entscheidung mit Vertretern gesellschaftlicher Organisationen besetzen können. Dass das keineswegs der “Versteinerung der Gremien vielfaltssichernd entgegenwirkt” zeigt der Blick auf die Zusammensetzung des jüngst zusammengestellten Rundfunkrates. Allein die 23 Vertreter der “gesetzten” Verbände, Institutionen und Kirchen sogen dafür, dass alles beim Alten bleibt. Jung, paritätisch und lebendig sieht anders aus.

Stellungnahme der Sächsischen Staatskanzlei zum Antrag der Linken zum MDR-Staatsvertrag.

Der aktuell gültige MDR-Rundfunkstaatsvertrag.

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