Orchestrale Zukunft bei „Blind Guardian“. Wenn die aktuelle Tour beendet ist, wird es ernst bei der bekannten Krefelder Metalband. Nach jahrelangem Vorlauf steht eine Mammutaufgabe der Band vor dem Abschluss. Einzigartig ist wohl schon jetzt der lange Anlauf, denn bereits 1995 entstanden die ersten Stücke dafür, nun stehen die Vorbereitungen bei 95 Prozent.

Frage: André, du hast schon ein paar Mal die Verbindung zwischen Metal und Orchester angesprochen. Ihr plant ja auch ein eigenes Orchesterwerk?

Ja!

Wie sieht es momentan damit aus? Und wird sich die darauffolgende Scheibe von Blind Guardian von der “Beyond The Red Mirror” unterscheiden, weil ihr viele Orchestersachen anders nutzt?

Nein, so würde ich das nicht sagen. Das sind schon zwei verschiedene Projekte, zwei verschiedene Welten. Das Orchesterprojekt werden wir ganz konsequent durchziehen. Ohne Metal-Band, reine Orchestermusik mit Hansis Gesängen und Chören. Das Album wäre schon längst fertig, wir sind da auch sehr weit fortgeschritten, allerdings müssen wir immer wieder unterbrechen, weil „Blind Guardian“ natürlich Vorrang haben und wir nicht zu sehr mit den Studioalben ins Hintertreffen kommen wollen.

Deshalb haben wir das noch einmal kurzfristig eingefroren. Wir werden die Arbeiten aber sofort wieder aufnehmen, sobald die Tour abgeschlossen ist.

Hansi muss noch eine Menge einsingen, es gibt noch drei, vier Songs, die wir mit Orchester aufnehmen. Die meisten Sachen haben wir bereits im Kasten, songwritingmäßig ist es schon zu 95 bis 98 % abgeschlossen, es geht wirklich nur noch um Produktion und Recording. Ich denke, das Album könnten wir 2017 veröffentlichen. Und dann denken wir natĂĽrlich auch ĂĽber eine AuffĂĽhrung nach, vielleicht in Form ein “Blind Guardian – Festivals”.

André Olbrich in Aktion. Foto: Blind Guardian
André Olbrich in Aktion. Foto: Blind Guardian

“Coburg, Teil 2”? (2003 fand am 13. und 14. Juni in Coburg das “Blind Guardian – Festival“ statt, Anm. d. Red.)

Vielleicht “Coburg, Teil 2”, ja.

15 Jahre später?

Ja, könnte man drüber nachdenken.

Trotzdem mal eine ketzerische Frage: Seit wie viel Jahren arbeitet ihr an dem Orchesterwerk?

Die ersten Songs haben wir tatsächlich schon nach der “Imaginations From The Other Side” (1995) geschrieben. Diese waren ursprĂĽnglich Songideen fĂĽr die “Nightfall in Middle-Earth” (1998), Dann habe ich die aber zurĂĽckgehalten, da ich dachte, dass es irgendwie inkonsequent wäre, die als Metal-Songs umzustricken.

Darum habe ich gedacht, wir halten die mal zurĂĽck, sammeln mal, gucken mal, was passiert, wenn wir mal mehr solche Sachen haben, kann man vielleicht mal so ein Orchester-Sideprojekt machen. Hansi ist da voll drauf eingestiegen, fand das Material auch super, und so hat sich das langsam entwickelt.

Und dann haben wir viele, viele Jahre sehr langsam daran gearbeitet. Es gab keine Aussichten auf eine Produktion. Wir hatten kein Orchester, wussten nicht, wie kann man das irgendwann mal umsetzen. Bis Charlie dann, ich glaube zu Zeiten von “A Twist In The Myth” (2006), mit den Tschechen (FILMharmonic Orchestra aus Prag, Anm. d. Red.) um die Ecke kam und meinte: “Hey, die können das spielen, das mĂĽssen wir probieren!” Dann haben wir Testrecordings gemacht und das hat uns umgehauen.

Seitdem arbeiten wir mit denen an dem Album. Es formt sich. Ich glaube, es wird das Beste, was wir je gemacht haben.

Finden Marcus (Siepen, Gitarrist) und Frederik (Ehmke, Drums) auch, dass es das Beste ist, was ihr je gemacht habt?

Bis jetzt waren alle, die reinhören durften, begeistert und finden, das wird ein kleines Meisterwerk. Aber man kann es trotzdem nicht mit „Blind Guardian“ vergleichen. NatĂĽrlich haben wir schon jetzt auf dem letzten Album EinflĂĽsse von den orchestralen Songs, die nur entstehen konnten, weil wir Erfahrungen mit orchestraler Musik gesammelt haben. Songs wie “Grand Parade” und “At The Edge Of Time” oder “Wheel Of Time” vom vorletzten Album haben Verbindungen zum Orchesterprojekt. Da haben wir das mit der Metal-Band fusionieren lassen und auch dafĂĽr geschrieben. Wenn man da in diese Songs involviert ist, dann mag man garantiert auch das andere Album, die beiden stecken da so tief drin, die finden das auch gut.

Wenn man so in einem Orchesterprojekt involviert ist, hat man nicht auch mal Lust, wieder etwas “erdigere” Musik zu machen?

Wenn Sachen aus einem rauskommen, die dementsprechend sind, klar… Während dieser Produktionsphase kam Frederik mit dieser “Holy Grail”-Idee an, was meiner Meinung nach sehr bodenständig und traditionell ist. Das haben wir sofort aufgegriffen und haben daraus eine richtig geile Speed-Metal-Nummer gemacht. Wenn jetzt mehrere Sachen aus dieser Richtung einfach so von alleine natĂĽrlich kommen, wĂĽrde ich mich da nicht versperren.

Ich nehme die Sachen, wie sie kreativ von mir rauskommen. Wenn ich mich hinsetze und ich habe ein paar geile Gitarrenriffs, dann arbeite ich damit, wenn ich Lust habe, einen Ochesterteil zu programmieren, dann mache ich das. Je nach Lust und Laune. Je nach Kreativitätsphase arbeite ich mit dem Material, was kommt. Ich mache mir aber keinen Plan und sage so, jetzt will ich noch einmal ein Speed-Metal-Album machen. Das mache ich garantiert nicht. Und ich würde mich auch nicht hinsetzen und sagen, das nächste Album muss jetzt noch bombastischer und noch orchestraler werden.

Eigentlich ist alles offen. Und wenn es beim nächsten Mal eine Reggae-Idee ist, dann kommt halt ein Reggae-Stück auf die Platte. Die Freiheit in der Kreativität muss erhalten bleiben.

Das vollständige Gespräch gibt es demnächst auch als Audio im “Leserclub” & auf Radio Blau on air zu hören.

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