Am Donnerstagabend waren sie nach 20 langen Jahren wieder in Leipzig zu Gast, eine Chance, die sich Thomas Kumbernuß nicht entgehen lassen konnte. André Olbrich, Leadgitarrist der Band „Blind Guardian“ nahm sich die Zeit um ausführlich über Musik, die nächsten Vorhaben und natürlich die aktuelle Platte der Band „Beyong The Red Mirror" zu sprechen.

AndrĂ©, lass uns mal auf euer aktuelles Album, „Beyond The Red Mirror” zu sprechen kommen. Im Nachhinein: Wie empfindest du mit etwas Abstand das Album? WĂĽrdest du heute Sachen anders machen?

Ich bin mit der Produktion und dem ganzen Verlauf sehr zufrieden. Es war eine sehr harmonische Songwriting-Phase, die ich mit Hansi (Kürsch, Sänger, Anm. d. Red.) und unserem Produzenten Charlie (Bauernfeind, Anm. d. Red.) hatte. Die Aufnahmen sind super gelaufen, wir hatten selten eine Produktion, in der alles so glatt gelaufen ist. Ich finde, man hört dem Album auch an, dass es aus einem Guss entstanden ist.

Die geben fĂĽr mich tatsächlich dramatisch einen Flow, so dass ich es wunderbar an einem StĂĽck hören kann, ohne Ausfälle. Das ist fĂĽr mich sehr wichtig, da geht fĂĽr mich nie der Spannungsbogen nach unten, dass ich das GefĂĽhl hätte, da haben wir jetzt ein zwei FĂĽller gemacht. Ich finde, dass alle Songs die Klasse halten können. AuĂźerdem haben wir Peak-Punkte gesetzt mit einem innovativen “The Ninth Wave”, was nach neun Alben, die wir vorher gemacht hatten, schon nicht mehr ganz so einfach ist, sich noch mal auĂźergewöhnliche Sachen einfallen zu lassen, die dann tatsächlich noch die Fans ĂĽberraschen können.

Und songwriterisch das Anspruchsvollste, was wir je gemacht haben, ist “The Grand Parade” geworden. Damit bin ich persönlich sehr zufrieden. Das ist fĂĽr mich die perfekte Fusion zwischen Orchester und Metal-Band. Das haben wir so gut vorher nie verarbeiten können.

Es gibt Leute, die halten “Beyong The Red Mirror” fĂĽr ambitioniert, vermissen aber den “Rock’n’Roll-Faktor”. Kannst du das nachvollziehen?

Ich wollte ja keinen Rock’n’Roll machen, von daher ist es auch nicht auf der Strecke geblieben, sondern ganz gewollt nicht so eingebaut, weil ich sehe uns nicht als Rock’n’Roll-Band. Wir sind eine Band, die sehr strukturiert Songs arrangiert, die versucht, alles sehr zu verschachteln, sehr detailreich zu arbeiten, nicht nur eine Audio-Welt, sondern auch schon fast eine visuelle Welt zu kreieren, die die Leute tief in eine Geschichte reinzieht mit allen Details.

Und da geht es nicht mehr um den fluffig lockeren Rock’n’Roll, der mal auch eben so nebenbei gehört werden kann. Wir machen Musik, mit der man sich beschäftigen muss, soll, wo man dann auch in eine viel tiefere Welt gezogen wird, wenn man sich damit auseinandersetzt.

Beyond The Red Mirror. Sattes Cover und volle Hallen 2015. Bild: Blind Guardian
Beyond The Red Mirror. Sattes Cover und volle Hallen 2015. Bild: Blind Guardian

Ist es schwer, sowohl die Erwartungshaltung der älteren Fans, die seit der “Tales From The Twilight World” (1990), als auch die der Menschen, die euch erst mit der “A Night At The Opera” (2002) kennengelernt haben zufrieden zu stellen? Kann man das als KĂĽnstler ĂĽberhaupt auch? Will man das ĂĽberhaupt?

Ich glaube, man kann es nicht. Man kann versuchen, bestimmte Trademarks der Band beizubehalten. Das machen wir ja auch, wir arbeiten mit bestimmten Stilelementen, aber ich denke nicht, dass es möglich ist, alle zufrieden zu stellen. Es werden immer Leute auf der Strecke bleiben, die sich mit dem Album vor den Kopf geknallt fühlen, aber da kann ich als Künstler keine Rücksicht drauf nehmen. Für mich ist es wichtig, den Weg nach vorne zu gehen und nicht nach hinten zu schauen. Ich will ja etwas Neues machen, neue Sachen erfinden.

Warum sollte ich etwas wiederholen, was ich schon in der Vergangenheit gemacht habe? Ich finde diese ganzen Klone- und Retro-Alben fĂĽrchterlich. Das langweilt mich zu Tode. FĂĽr mich ist Musik immer an die Zeit gebunden, in der sie gemacht wird. Da muss ja der Zeitgeist, dieses GefĂĽhl drinstecken. Und dieses LebensgefĂĽhl, diesen Spirit, den wir in den 80ern hatten den kann man heutzutage nicht mehr reproduzieren. Ich bin keine 16 mehr, spring keine Saltos mehr ĂĽber die BĂĽhne… Das existiert fĂĽr mich heutzutage nicht mehr, das wäre aufgesetzt und nicht authentisch.

Und deshalb versuche ich das auch nicht zu reproduzieren, sondern konzentriere mich auf neue Sachen, die fĂĽr mich jetzt aktuell sind und fĂĽr mich heiĂźe Thematiken sind. Ich habe fĂĽr mich die Faszination fĂĽr orchestrale Musik gefunden, versuche da neue musikalische Wege zu gehen und Sachen zu finden, die vorher noch keiner gemacht hat, auch die Leute fĂĽr Musik interessieren, die jetzt 16/17 sind, die ganz andere Kicks brauchen. Die kann man jetzt nicht mehr mit einem schlichten “Uffta”-Metal der 80er Jahre vom Ofen weglocken. Wenn alle nur noch so etwas machen wĂĽrden, wĂĽrde Metal aussterben. Man muss neue Impulse setzen!

Trotzdem gibt es Bands, die ganz gut mit der Retro-Schiene fahren…

Gestehe ich denen auch zu. Sollen sie machen. Toll, wenn sie Spaß daran haben. Ich als Künstler hätte keinen Spaß dran, mich zu wiederholen. Wir versuchen neue Wege zu gehen, wir werden dem auch treu bleiben und versuchen mit dem neuen Album, schon wieder etwas Neues, Anderes zu machen. Es gibt zum Glück genügend Leute, wie man jetzt bei den vollen Hallen auf der Tour sehen kann, die diesen Weg zu würdigen und zu schätzen wissen.

Im dritten und letzten Teil lässt AndrĂ© die Katze aus dem Sack. Ein Orchesterwerk und vielleicht auch “Coburg 2” stehen an.

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