Ich träume davon, dass wir aufhören, Prostitution als normalen Markt zu behandeln, in dem Verantwortung verwässert wird. Davon, dass der Kauf von Frauen nicht länger verharmlost wird und Freier sich nicht mehr damit herausreden können, sie hätten nicht gewusst, ob eine Frau unter Zwang stand. Diese vermeintliche Unwissenheit schützt Täter und lässt Frauen allein.

In meinem Ehrenamt in der Ortsgruppe Leipzig des SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V. begegne ich Prostituierten, deren Alltag weit entfernt ist von dem Bild „freiwilliger Sexarbeit“, welches so oft in den Medien vermittelt wird. Ihre Realität ist geprägt von Zwang, Armut, Gewalt, Abhängigkeiten und körperlichen, wie auch psychischen Belastungen. Jede Begegnung zeigt mir aufs Neue, wie dringend wir als Gesellschaft umdenken und handeln müssen.

Wenn wir eine Frau fragen, warum sie in der Prostitution ist, bekommen wir oft zunächst gar keine Antwort. Aus Angst, aus Scham, aus Abhängigkeit oder weil sie unter Zwang steht. Manche Frauen sagen offen, dass sie gezwungen werden. Andere sprechen von Freiwilligkeit und erst später, wenn Vertrauen entsteht, von Schulden, Gewalt, Druck oder fehlenden Alternativen. Die Antworten sind unterschiedlich, die Strukturen dahinter oft dieselben.

Wir von SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V., begleiten auch in Leipzig Frauen ehrenamtlich beim Ausstieg aus der Prostitution. Unsere Erfahrung zeigt, dass die körperlichen und psychischen Folgeschäden gravierend sind. Unabhängig davon, ob Frauen als freiwillig oder als Opfer von Zwangsprostitution eingeordnet werden, ähneln sich die Traumatisierungen, Belastungen und langfristigen Schäden in erschreckender Weise.

In Deutschland, das als Bordell Europas gilt, wird gern zwischen Menschenhandel und sogenannter freiwilliger Prostitution unterschieden. Diese Trennung wirkt beruhigend, hält der Realität jedoch nicht stand. Die Übergänge sind fließend. Viele Frauen geraten in Strukturen, aus denen es kaum einen Ausweg gibt. Ich träume davon, dass jede Frau, die möchte, aussteigen kann und dass es noch mehr Menschen gibt, die sich bei uns ehrenamtlich für diese oft vergessenen Frauen einsetzen und ihnen dadurch Sichtbarkeit verschaffen.

Ich träume von der Einführung des Nordischen Modells in Deutschland. Einem Ansatz, der die Nachfrage nach dem Kauf von Frauen verringert, indem es Freier zur Verantwortung zieht und Prostituierte vollständig entkriminalisiert. Ein Modell, das entstigmatisiert, Rechte verschafft und den Weg für einheitliche, staatlich abgesicherte Ausstiegsprogramme ebnet. Programme, die den Ausstieg aus der Prostitution tatsächlich ermöglichen, weil sie verlässlich, flächendeckend und langfristig finanziert sind.

Machen wir es kurz: Ich träume von einer Gesellschaft, die Frauen schützt, statt ihre Ausbeutung zu verwalten!

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