Ich bin in der DDR groß geworden, habe die Wende miterlebt und natürlich die Zeit seitdem. Eine sehr wertvolle Erfahrung, denke ich, diese verschiedenen Welten wenigstens aus eigenem Erleben beurteilen zu können, auch wenn natürlich immer nur mit kleinem subjektiven Blick. Heute kann man durch die Welt reisen und alles kaufen (das nötige Geld vorausgesetzt), demonstrieren und öffentlich seine Meinung äußern.

Und doch existiert auch eine gewisse Enttäuschung. Aus dem Regen sind wir sicherlich nicht in der Traufe gelandet, aber das versprochene Paradies ist es auch nicht geworden. Dieses vage Gefühl teile ich, so scheint es, mit vielen Menschen, insbesondere meiner Generation, die auch beides erlebt hat.

Letztlich wollen alle Menschen einfach nur „ihr Ding machen“, nicht gegängelt werden und keine materiellen oder sonstige Sorgen haben. Und, dabei muss es irgendwie gerecht und maßvoll zugehen.

Eigentlich erlaubt die Demokratie all das, es kommt nur darauf an, was daraus gemacht wird. Die DDR wollte auch demokratisch sein (das zweite D), nur was ist daraus geworden … Früher war das richtige Parteibuch der Weg zur Macht, heute ist es das möglichst dicke Sparbuch und die richtigen Netzwerke (über die DDR sprechend wurde das „Seilschaften“ genannt).

In beiden Fällen, so scheint es, dient diese Macht aber nicht etwa dazu, allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern die eigene Macht und die eigenen Privilegien zu zementieren. Demokratie wird heute häufig mit Kapitalismus in einen Topf geworfen – das ist kein Zufall, man könnte es als Framing bezeichnen, es geht ja darum, das derzeitige System (und damit die eigene Macht) als alternativlos darzustellen. Es soll ja niemand auf dumme Ideen kommen.

Dabei weiß eigentlich jeder, dass es im Kapitalismus alles andere als gerecht zugeht und es auch in keinster Weise der Normalfall ist, durch eigene Leistung „auf einen grünen Zweig zu kommen“. Jeder Busfahrer, jede Pflegekraft und jede Supermarktkassiererin kann davon ein Lied singen.

Die Gefahr ist nun, dass die Menschen sich von der Demokratie abwenden – die braune Grütze müffelt schon wieder.

Aber wie dann? Tja, da wären wir beim Träumen … es muss doch irgendwie anders gehen. Die wirklich systemrelevanten Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Mobilität, Wohnen usw. müssen dem Gemeinwohl dienen und nicht dazu, möglichst viel Geld zu scheffeln. Wozu brauchen wir Dutzende verschiedener Finanzkonzerne, deren Lebenszweck es zu sein scheint, protzige Glaspaläste zu bauen, ihren Vorständen Millionen zu zahlen und um Rettung (auf unser aller Kosten) zu jammern, wenn sie den Karren gegen die Wand gefahren haben?

Stattdessen könnte man sich genau eine staatliche, dem Gemeinwohl verpflichtete Bank vorstellen. Eine Bundeswehr, die wirklich der Landesverteidigung dient, wäre sinnvoll, nicht aber als Melkkuh der Rüstungsindustrie. Energie- und Autokonzerne, denen die Zukunft der Erde scheißegal ist und die nur mit massiven Subventionen überleben …

In allen diesen Fällen geht es um sehr viel Geld und Macht. All das ist nicht Demokratie, es ist Kapitalismus.

Eine gerechtere Gesellschaft darf nicht zur DDR-typischen Gängelei führen, muss aber auch nicht. Marktwirtschaft an sich ist nicht falsch, soll aber in maßvolle Bahnen gelenkt werden. Im Gegenteil, private Initiativen und innovative Betriebe, die nicht nur aufgrund ihrer schieren Größe oder Monopolstellung Marktführung erlangt haben, müssen gefördert werden.

Wie soll das gehen? Demokratie funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Am besten sich aktiv einbringen, zum Beispiel in einem vielen Vereine, die aus Menschen wie Du und ich bestehen und eben genau nicht dem großen Geld dienen, sondern den Interessen von Dir und mir. Überlegen, was und wo man einkauft, welche Bank oder welchen Stromanbieter man wählt, welche Software und welche Suchmaschine.

Der kleine Laden um die Ecke ist oft nicht mal teurer – solange es ihn noch gibt und nicht nur noch Lieferdienste der Großkonzerne (die mit Sicherheit nicht das Gemeinwohl im Sinn haben).

Mindestens aber: Geht wählen und wählt richtig! Nicht jede Alternative ist auch eine gute Alternative. Nicht jeder, der von Vernunft statt Ideologie erzählt, meint das auch so (der Fuchs betrachtet den Zaun um den Hühnerstall vermutlich auch als unvernünftig).

Ist alles vielleicht ein bisschen anstrengend, nützt aber nichts, ist es aber wert. In der DDR hieß das übrigens „die Mühen der Ebene“.

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