Am 15. Juli wandten sich nicht nur die Wettbewerbssieger von ANNABAU und M+M mit einem Offenen Brief an Leipzigs Stadträte, um das überstürzte Ende des Wettbewerbs um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal zu verhindern. Auch die im Wettbewerb Zweitplatzierten schrieben am 15. Juli einen Offenen Brief. Denn einen echten Grund, den Wettbewerb genau an dieser Stelle abzubrechen, gab es nicht.

Hier ist der Offene Brief in voller Länge:

WIR FORDERN DEN STADTRAT DRINGEND AUF, DIE BESCHLUSSVORLAGE ZUR BEENDIGUNG DES DENKMALS ZU VERÄNDERN UND ZU ERWEITERN.

Sehr geehrte Ratsmitglieder der Stadt Leipzig!

Wir, das Studio realities:united, 2. Preisträger des Wettbewerbs für das Denkmal für Freiheit und Einheit, sehen wie auch die ersten Preisträger einen äußerst problematischen Zusammenhang zwischen der Forderung des OLG, welches die Stadt aufgefordert hatte, zu einem regulären Wettbewerbsverfahren
zurückzufinden, und dem jetzt anstehenden Beschluss eines vollständigen und unkontrollierten Abbruchs des Verfahrens.

Wir erinnern daran, dass es in der kontroversen Debatte um den Sinn oder die richtige Gestalt des Denkmals keine neuen Erkenntnisse oder Bewegungen gibt, die als Anlass für diesen Beschluss gelten dürften. Im Gegenteil, jüngst haben Bund und Land ihre weitere Unterstützung bekräftigt.

Die alleinige, entscheidende Neuigkeit stammt aus dem Rechtsstreit zwischen der Stadt Leipzig und den ersten Preisträgern. Die Botschaft hinter dem Urteil des OLG ist, dass es für die Stadtverwaltung schwieriger als erwartet sein würde, mit den gezielten und gravierende Manipulationen des Verfahrens so wie bisher fortzufahren. (Die Beeinflussungsversuche waren unserer Erkenntnis nach darauf gerichtet, den nach geltenden Verfahrensmaßstäben chancenlosen aber von vielen präferierten Entwurf des “Herbstgartens” durchzusetzen.)

Das Signal, welches der Rat der Stadt Leipzig aussenden würde, wenn er zu diesem Zeitpunkt und mit dieser Beschlussvorlage das Verfahren abbräche, wäre selbst kompromittierend und könnte darüber hinaus, bis hin zu Grundsatzfragen der Verfahrenskultur öffentlicher Bauvorhaben, langfristige Auswirkungen haben.

Mit dem Beschluss der uns bekannten Beschlussvorlagen würde ausgedrückt, dass die bisherige, außer von Roland Quester von keinem Ratsmitglied kritisierte manipulative Verfahrensführung der Stadtverwaltung, obwohl schon lange Zeit offensichtlich, als das kleinere Übel betrachtet würde im Vergleich zu der Aussicht auf eine Rückkehr zu einem regulären und einwandfreien Verfahren. In diesem Verfahren sieht die Stadt offenbar ein so großes Risiko, dass sie sich gezwungen sieht, das Projekt abzubrechen. Anders ausgedrückt: Dieser Beschluss würde vor allem auch als klares Votum gegen das Prinzip sauberen rechtsstaatlichen Handelns verstanden werden. Das ist inakzeptabel.

Selbst wenn man anerkennt, dass das Denkmalprojekt schwer beschädigt ist, fordern wir deshalb den Rat auf, den geplanten Ausstiegsbeschluss gleichzeitig auch als deutliche und klare Abgrenzung gegen die Manipulationsversuche der Stadtverwaltung und als klare Mitteilung an die Öffentlichkeit zu formulieren, wie Leipzig in Zukunft gedenkt, mit derartigen Aufgaben umzugehen.

Zu der klaren Mitteilung gehört auch ein sorgfältiger Umgang mit Künstlern, insbesondere mit den ersten Preisträgern, denen nicht nur der von einer unabhängigen Jury ausgezeichnete Siegerentwurf zu verdanken ist, sondern die mit erheblichen Kosten einen Gerichtsprozess angestrengt haben, um der Verfahrensmanipulation der Stadtverwaltung Einhalt zu gebieten.

Damit haben sie der Stadt Leipzig einen großen Dienst erwiesen, nicht zuletzt auch als Ersatz für eine nicht wahrnehmbare politische Kontrolle des Leipziger Stadtrates in der Vergangenheit.

Wir fordern Sie auf, die Beschlussvorlage entsprechend zu verändern und sie außerdem zu erweitern um darin um eine wenigstens finanzielle Kompensation gegenüber den Künstlern zu leisten. Bitte halten Sie sich vor Augen, dass für alle Künstler, dieses Verfahren – insbesondere für die ersten Preisträger – bisher hochdefizitär ist. Für die allesamt kleinen Ateliers ist in ökonomischer Hinsicht eine Teilnahme an so einem Verfahren nur durch die Chance auf eine Realisierung zu rechtfertigen. Diese würde durch den geplanten Ratsbeschluss ebenfalls eliminiert.

So wie unser Studio einen Entwurf für einen politischen Prozess vorgeschlagen hat und kein klassisches Denkmal, stehen wir demgemäß und auch weiterhin bereit, bei der schwierigen Gestaltung des Ausstiegs aus diesem Verfahren mitzuarbeiten und mit Ihnen eine Diskussion über die Sache und den Weg zu führen.

Schließlich sind wir in erster Linie: Ideengeber. Wer weiß, ob wir es nicht gemeinsam schaffen diesem Ende den Keim eines zukünftigen hoffentlich glückvolleren Verfahrens einzusäen.

Mit freundlichen Grüßen

Jan und Tim Edler (studio realities:united)

www.realities-united.de

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