Der dritte Kriminalroman der Leipzigerin Sylke Tannhäuser erschien pünktlich zur Buchmesse wieder im emons Verlag. Der Titel rückt wieder Leipzig in den Mittelpunkt. Und zeitweilig hat Kommissar Heinrich Heine alias "Henne" auch den Leipziger Baudezernenten auf dem Kieker. Was zwangsläufig ist, wenn der bekannteste Baulöwe der Stadt tot in einer Baugrube gefunden wird.

Wenn er dann auch noch den Löwenanteil städtischer Bauaufträge abgeräumt hat, liegt der Verdacht nahe, dass er mit redlichen Methoden nicht an die Aufträge kam. Und irgendwie würde das ja zu diversen Geschichten passen, die durch die Medien geistern. Doch wie das nicht nur im Polizistenleben so oft ist: Der naheliegende Verdacht ist oft der falsche. Und bevor auch nur eine sichere Spur aus Indizien oder gar Beweisen entsteht, kostet es selbst eine flugs aufgestockte Soko eine Menge Arbeit, Nerven und Zeit. Da wäre beim Leipziger Krimi-Meister Henner Kotte immer die Gelegenheit, die Furien der auf Schlagzeilen versessenen Medien loszulassen und der Geschichte ordentlich Zunder zu geben, indem er den zuständigen Ermittler durch die öffentliche Hatz unter Druck bringen lässt.

Auch Kommissar Heine kommt unter Druck. Doch hier sind es augenscheinlich etliche feine Herren der Leipziger Highsociety, die den Polizeipräsidenten mit diversen Anrufen erstaunlich schnell zum Beidrehen bringen und sich einige Ermittlungsschritte des nervenden Kommissars verbitten. Auch ein Ansatz, der, wenn man nur einmal 5 Minuten drüber nachdenkt, erstaunliches Potenzial in sich birgt. Denn: Ist es in Sachsen nicht längst so, dass eine feine, sonst nicht sichtbare Riege von guten Freunden genau so agiert?
Die Frage muss interessant bleiben, denn Sylke Tannhäuser nutzt sie nicht. Unter anderem auch, weil sie in ihrer Dramatik eigentlich keine Rolle spielt, außer dass “Henne” mitten in den Ermittlungen suspendiert werden muss und dann auf eigene Faust weiter ermittelt wie ein Privatdetektiv. Während der Polizeipräsident den Bürokraten Pallauer mit dem Fall betraut, wohl wissend, dass der ganz gewiss keine Lösung finden wird.

Ab dem Moment freilich, an dem “Henne” wütend nach Haus geschickt wurde, beginnen sich die Dinge zu überschlagen. Nicht weil die Täter jetzt auf dem Tisch tanzen, sondern weil der taffe Kommissar seinen Frust auf recht ungebremste Art auszuleben beginnt – mit wilden Fressereien (und übergewichtig ist er ja schon), einem einsamen Besäufnis in seiner Lieblingsgartenkneipe – und mit einem Berg von Selbstmitleid, der ihn auch einer der Verdächtigen verdächtig nahe kommen lässt. Was dann wieder Folgen für das eh schon labile Eheleben hat, das im letzten Band gerade so wieder gekittet worden war. Manchmal staunt man schon, was Frauen sich alles zumuten, um den Kerl fürs Leben auf eine ordentliche Bahn zu bekommen.

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Diesmal geht es beinah schief, denn bei all dem Frust, den “Henne” so obsessiv auslebt, bleibt dem Leser doch nicht ganz verborgen, dass er so stringent und verantwortungsvoll nicht wirklich arbeitet. Weder überprüft er das Vorleben einer der Hauptverdächtigen, noch stellt er alle persönlichen Zeugnisse des ermordeten Dankwart König sicher, so dass selbst dessen Computer schneller im Billigverkauf des Roten Kreuzes landet, als “Henne” 1 und 1 zusammen zählen kann. Im Gegenteil: Er schleicht, solange er noch im Dienst ist, um die architektonisch völlig verkorkste Villa des Baulöwen herum, als wäre er ein schüchterner Detektiv aus dem England des 19. Jahrhunderts, der Personen der höheren Gesellschaft nur ja nicht auf die Pelle zu rücken wagt.

Am Ende muss er es doch – und handelt sich dabei eine Fahrt ins Krankenhaus ein, wo es der Zufälle noch ein paar mehr gibt, bis er endlich weiß, wer den Bauunternehmer umgebracht hat und vor allem, warum. Was noch nicht das Ende der Aufregung ist. Es gibt noch eins drauf, ein bisschen Extra-Dramatik. Das liest sich alles sehr flott, aber diesmal ein bisschen zu flott. Dabei geht ein wenig die Ernsthaftigkeit verloren, die man sich eigentlich von der Arbeit eines Ermittlers wünscht, die Lust am Mit-Ermitteln. Womöglich wollte Sylke Tannhäuser diesmal zu viel, zu viele Geschichten auf einmal erzählen. Unter anderem eben unbedingt auch die von einem 46-Jährigen mit gewaltigem Übergewicht, der den Verführungen einer femme fatale beinah nicht widerstehen kann.

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Leipziger Affären
Sylke Tannhäuser, Emons-Verlag 2012, 9,90 Euro

Eine kleine Henne-Affäre, aber keine Leipziger. Auch keine wirklich aus der Leipziger Schattenwelt, wo die Anrufe der feinen Herren beim Polizeipräsidenten Sinn gemacht hätten. Noch so ein Faden, der in der Luft hängen blieb. Schade eigentlich. Aber ein echter Leipziger Baulöwen-Roman könnte schon sehr brisant werden.

Sylke Tannhäuser “Leipziger Affären”, emons Verlag, Köln 2012, 9,90 Euro.

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