Die Engel sind unter uns. Sie haben vier Pfoten und sind eigensinnig. Manchmal leben sie auch im Pfarrhaus. Doch der Untertitel der Buches trügt. Es geht nicht nur um Pfarrhauskatzen, auch wenn Heike Wendler in ihren Büchern die Liebe zu Katzen und den Glauben an das Gute immer verschmilzt. Oder ist sie selbst eine Katze?

1971 geboren, hat sie schon mehrere Katzenbücher veröffentlicht. Vier allein im Benno-Verlag. Mal rettet Miezi das Weihnachtsfest, mal führen die Katzenwege zum Papst nach Rom. “Mein Pfarrer ist der Beste!” waren 2010 die ersten “Abenteuer einer Pfarrhauskatze”. Daher kommt der Untertitel.

Dabei geht es um sieben verschiedene Katzenschicksale. Das besondere: Alle sind sie aus der Perspektive der Katze erzählt, was bei den meisten Autoren natürlich den größten Kitsch ergeben würde. Denn das braucht schon eine gewisse Fähigkeit, sich in das kleine Tier hineinzuversetzen. Denn Katzen sind ja nicht zuallererst dazu da, dass Menschen sie niedlich finden. Sie sind Jäger und Streuner, eigensinnig, vermehrungsfreudig, haben es mit Hunger und Kälte zu tun oder mit natürlichen Feinden – Hunden zum Beispiel.Ganz ohne eine gewisse Vermenschlichung kommt natürlich auch Heike Wendler nicht aus. Denn wie erlebt eine Katze wie Jacky, der das Revier bis dahin ganz allein gehörte, das Eindringen eines neuen Gefährten namens Gismo? – Dass sie sich mit fiesen Tricks gegen den Störenfried wehrt, macht die Geschichte sehr lesenswert. Und fast wäre es die freche Geschichte des Sieges einer gewieften Katze über einen kleinen tapsigen Hund – wäre da nicht so ein kleines moralisches Schwänzchen am Ende, als Jackie begreift, dass auch Gismo nur ein Findling aus einer Mülltonne ist. In der skrupellosen gewöhnlichen Welt würde das wahrscheinlich keine Rolle spielen.

Doch Heike Wendlers kleine Helden sind sehr menschlich gedacht. Man fühlt sich an einige der schönsten Tiergeschichten der Literatur erinnert. In den tierischen Helden spiegelt sich Menschliches und Allzumenschliches, um einmal den sächsischen Philosophen zu zitieren, der gern als unmenschlich verkannt und verdammt wird – Nietzsche. Denn Allzumenschliches ist eben eher nicht das “Tierische”, Gedankenlose im Menschen – das wird nur an die Oberfläche gespült, wenn Menschen in ihrer wesentlichen Existenz in Not gebracht werden. Das bricht sich dann Bahn.

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Aber wie ist es mit all den anderen Dingen, die sich Menschen im Laufe der Zivilisationsgeschichte angeeignet haben? Der Liebe, der Freundschaft? Mit Trost und Zuspruch? Wo hat das dann Platz? Und welche Rolle erfüllen eigentlich die tierischen Hausgenossen in unserem Leben? Ist es nur ein getigertes Abenteuer, das Oskar erlebt, nachdem ihn sein neuer Besitzer auf Wasser gesetzt hat? – Die Mäuse muss er sich ja schon selber fangen in der großen Scheune. Ein bisschen ist das wie bei Oliver Twist. Ist ja nur ein erbärmliches Leben mit einem Menschen, der Tiere nur nach ihrem Nutzen einschätzt, das Oskar erwartet. Was einem auf einmal, selbst in der katzigen Verwandlung, wieder vertraut vorkommt. So gehen ja einige Zeitgenossen auch mit Menschen um. Setzen sie auf Wasserration und reden sich mit der Darwinschen “Auslese” heraus.

In der scheinbar so liebevoll geschriebenen Tiergeschichte spiegelt sich die menschliche Welt. Nur dass bei Heike Wendler die Tiere nicht rebellieren wie bei Orwell. Oskar folgt nur seiner Neugier, als eines Tages seltsame Tiere im Dorf auftauchen – und am Ende landet er beim Zirkus, aufgenommen in eine Gemeinschaft, in der andere Regeln gelten.

Nina, die “Detektivin wider Willen” ist hingegen eine echte Reisekatze, die sich – ausgesetzt an einem Rastplatz – einen Partner sucht, der sich ebenso auf dem Lkw erst richtig wohl fühlt und erst seine Probleme bekommt, als ihn seine ehrgeizige Frau dazu bringt, ein eigenes Fuhrunternehmen zu gründen. Was ihn bald in die Enge des Chefbüros zwängt. Für Nina der Beginn einer echten Rettungsaktion.Vielleicht sind Katzen nicht wirklich so klug und gehen auch nicht auf Truck-Reisen, bloß weil sie Mitleid mit ihrem Menschen haben. Aber Menschen sind so dumm. Ganz sicher. Und es steckt viel Zuversicht in solchen Geschichten, viel Zutrauen in die Botschaft solcher Geschichten, die auch lauten kann: Hör auf dein Herz. Oder dein Bauchgefühl. Vertu dein Leben nicht, bloß weil die Arbeit dich aufzufressen droht. Zum Beispiel.

Denn natürlich fragt sich Heike Wendler, welche Rolle Katzen in unserem Leben eigentlich spielen. Welche Aufgabe übernehmen sie tatsächlich? – Das ist eigentlich das Grundthema in der Geschichte “Felicitas, die Friedhofskatze”. Auch hier erfährt man den wirklichen Anfang der Geschichte erst ganz zum Schluss – nachdem Felicitas mit der “Vermittlung” des frechen Katers Hugo an ein Mädchen, das gerade beide Eltern verloren hat, alle Pfoten voll zu tun hatte, denn Marie, die ohne Tränen am Grab ihrer Eltern steht, hätte doch eigentlich lieber Felicitas mitgenommen.

Suchen sich Katzen ihre Menschen aus? Spüren sie, dass da jemand einen Trost braucht, auch wenn’s nur ein schnurrender ist?

Es sind natürlich zuallererst menschliche Sehnsüchte, die Heike Wendler in ihren Geschichten thematisiert, Sehnsüchte nach Nähe, Akzeptanz, Geborgenheit, Vertrauen und Trost. Es gibt auch wirklich zwei Pfarrhauskatzen in diesem Buch. Die eine ist Goliath, der tatsächlich den Diebstahl des wertvollen Kircheninventars verhindert, nachdem ein Wirbelsturm die Dorfkirche zerstört hat. Die andere ist ein echter Vagabund, den das unabhängige Leben so lange erfreut, bis ein richtig harter Winter auch ihm klar macht, dass ein Platz im Geborgenen vielleicht doch nicht so schlecht wäre. Nur dass die anderen Katzen dafür ganz eigene Beziehungen zu “ihren Menschen” eingehen, will ihm nicht so recht behagen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass man sich “seinen Menschen” auch zeigen muss, wenn man wirklich akzeptiert werden will.

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Der himmlische Kater
Heike Wendler, St. Benno Verlag 2012, 9,95 Euro

In den Tiergeschichten versteckt sich eine gewaltige Portion an Liebe zur Kreatur. Im christlichen Sinne, wenn man es so sehen will. Aber was wäre sonst christlich, wenn nicht gerade das? Und was wäre sonst menschlich? – Mit Heike Wendler schlüpft man in die Felle dieser ach so putzigen Tiere, die Abenteuer sind durchaus stimmig, erinnern zuweilen auch an die liebevolle Weltsicht einer Astrid Lindgren. Aber am Ende geht es um die Ur-Sehnsüchte der Menschen – und ihre Widersprüche. Denn Freiheit ist ohne Geborgenheit genauso ein leerer Begriff wie Nähe ohne Vertrauen, Verantwortung ohne Gegenseitigkeit.

Mit einem Gefühl für die Zwischentöne gelesen, sind es Geschichten mitten aus einer Welt, in der ein paar fellige Hausgenossen da einspringen, wo die Menschen selbst ratlos oder hilflos sind. Wer also die Wahl hat zwischen einem Buch über Karriere-Garantien und diesem hier, der sollte lieber dieses hier kaufen. Das hält, was es verspricht.

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