Warum nicht mal nach Freiberg? In Sachsens einstmals reichste Stadt? Hier haben einst Leipzigs reiche Kaufleute ihr Vermögen gemacht. Hier hatten sie ihre Cuxe. Hier fand zu Zeiten von Markgraf Otto dem Reichen das große Berggeschrey statt. 1168 bekam er dafür das Bergregal von Kaiser Barbarossa. Das Silber macht nicht nur Freiberg reich, sondern auch die Markgrafschaft Meißen.

Das Silber verschaffte Otto unerwartete Spielräume. Zahlreiche sächsische Stadtgründungen fallen in diese Zeit. Auch der Stadtbrief für Leipzig ist auf Ottos Regierungszeit datiert. Und so lange der Bergbau blühte, blühte auch Freiberg, das 1202 erstmals als solches erwähnt wurde. Das Gebirgsdorf, bei dem Jahre vorher die Silberfunde gemacht wurden, hieß noch Christiansdorf. Von diesen Ursprungszeiten ist natürlich nichts mehr zu sehen. Mehrere Stadtbrände sorgten dafür, dass das erste, hölzerne Freiberg verschwand. Aber schon beim Neuaufbau nach dem großen Brand von 1485 setzten die Freiberger konsequent auf Stein. Es ist dieses steinerne Renaissancefreiberg, das man heute noch besichtigen kann.
Denn das ist so erhalten. Die Stadtansicht von 1657 ist praktisch dieselbe, die man heute auch noch sehen könnte, wenn man ein Vogel wäre. Mit ein paar weniger Mauern drumherum. Aber weil die Stadt im Weltkrieg nicht so – wie Dresden und Leipzig – zum Ziel großer Bomberverbände wurde, ist die Stadt heute wohl die besterhaltene Renaissancestadt Sachsens.

Und es ist natürlich die Vorzeige-Bergbaustadt des Freistaates. Hier richteten die sächsischen Fürsten das erste Bergamt Deutschlands ein – und hier ist es auch noch – oder wieder. Hier wurde die sächsische Bergakademie eingerichtet, die es bis heute gibt. Und logischerweise ist in der Stadt eine Menge Bergbau-Geschichte auch zu besichtigen – angefangen beim Schloss Freudenstein, wo die gewaltige Mineralienausstellung “terra mineralia” zu besichtigen ist – über das Stadt- und Bergbaumuseum im Domherrenhof bis zu den Zeugnissen des Bergbaus: der Grube Alte Elisabeth, der Reichen Zeche oder dem Freibergsdorfer Hammer.

Bis ins 20. Jahrhundert wurde bei Freiberg Bergbau betrieben. Erst 1965 wurde die Reiche Zeche geschlossen, ist seitdem Lehrbergwerk der Bergakademie und zugleich Besucherbergwerk. So gesehen ist Freiberg natürlich ein Reiseziel für Leute, die der Bergbau schon immer fasziniert hat.

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Und das, was Leute draus machen. Bergleute sind Pragmatiker. Und einer ist gerade in der letzten Zeit erst so richtig weltberühmt geworden: der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, der mit seinem 1713 veröffentlichten Buch “Sylvicultura oeconoemica” den Begriff der Nachhaltigkeit ins Wirtschaftsdenken einführte. Damals noch in direktem Bezug zur Waldbewirtschaftung. Aber 300 Jahre später haben ein paar Leute auch begriffen, dass ein Planet mit begrenzten Ressourcen seine Bewohner in allen Bereichen zu nachhaltigem Wirtschaften zwingt.

Carlowitz wohnte in Freiberg am Obermarkt. Er ist nicht der einzige Oberberghauptmann, den man besuchen kann. Ein Kleinod ist der Schönbergsche Hof, ein im Wesentlichen erhaltener vierflügliger Adelshof, wo die Berghauptmänner Abraham von Schönberg und Friedrich Wilhelm von Trebra residierten. Heute kann man durch den Durchgang in den Innenhof spazieren und sich in den Freisitz setzen.
Wenn er nicht von Studenten bevölkert ist. Manches in Freiberg ist durchaus geheimnisvoll, weil es wohl auf die frühen mittelalterlichen Zeiten zurückgeht – wie der Dunkelhof oder Teile der Stadtmauer, ein Stück Franziskanerkloster, schön restauriert. Eine Zeitreise, die auch die Anfänge des modernen Sachsen sichtbar macht – etwa mit den drei erhaltenen Postmeilensäulen aus der Zeit August des Starken oder mit dem kleinen, 1798 selbst errichteten Theater, dem wohl ältesten Stadttheater der Welt.

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Freiberg an einem Tag
Jens Kassner, Lehmstedt Verlag 2013, 4,95 Euro

Aber auch dem berühmten Orgelbauer Gottfried Silbermann begegnet man, dem Gellert-Bruder Christian Ehregott und den beiden Studenten Theodor Körner und Friedrich von Hardenberg alias Novalis, die beide früh gestorben sind. Und immer wieder verweisen Personen und ihre Schicksale auf Leipzig. Jahrhundertelang waren die Beziehungen zwischen diesen beiden reichsten sächsischen Städten sehr eng und intensiv. Das ist heute nicht mehr so. Freiberg ist eher ein ruhiges Eckchen im Vergleich zu Leipzig. Als könnte man dort noch immer auf die Postkutsche warten. Kann man natürlich machen. Aber am besten kommt man wohl mit Zug oder Auto hin.

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