Es ist ein echtes Fleiß-Projekt, das der Jaron Verlag da gestartet hat. Eigentlich zwei Fleiß-Projekte parallel. Eines heißt "Es geschah in Preußen", das andere "Es geschah in Sachsen". Mehrere begabte Krimi-Autorinnen und -Autoren schreiben Krimi für Krimi jeweils eine ganze Serie um einen Haupthelden. Im Fall Sachsen ist es der LVZ-Journalist Konrad Katzmann, der den Lesern im Jahr 1918 erstmals als junger begabter Reporter begegnete.

Zwei Bände aus dieser Katzmann-Serie hat der Leipziger Journalist und Autor Uwe Schimunek schon beigesteuert: “Katzmann und die Dämonen des Krieges” (1920) und “Mord auf der Messe” (1926). Mit “Der ermordete Gärtner” hat er seinen dritten Katzmann-Krimi vorgelegt. Sein Held ist sichtlich älter geworden, das Herumreisen zwischen Dresden und Leipzig fällt ihm nicht mehr so leicht. Außerdem hat ihm seine Liebste anvertraut, dass er demnächst Vater wird. Ojemine – wie sagt man das dem konservativen Betonkopf, der deshalb bald Großvater wird?

Ausgerechnet die Zeit der Weimarer Republik zum Schauplatz des Ketten-Krimis zu machen, war eine kluge Idee. Kaum eine Zeit in der neueren deutschen Geschichte war so durchwachsen von Krisen, Umbrüchen, dem zum Teil blutigen Widerspruch zwischen der “Alten Zeit” und der aufbrechenden Moderne. Alle politischen Konflikte, die in naher Zukunft das Land zerreißen sollten, tobten sich offen aus. Und natürlich wurde dieses Wetterleuchten auch in der Tageszeitung der SPD, der “Leipziger Volkszeitung” widergespiegelt, wo Konrad Katzmann im Jahr 1930 zum Chefredakteur aufgestiegen ist. Doch 1930 ist auch eines der großen Krisenjahre – der “Schwarze Freitag” liegt nur Monate zurück, die Arbeitslosigkeit galoppiert und in Berlin geben sich die Regierungskabinette in immer schnellerer Rotation die Klinke in die Hand. Wer lesen kann, der liest – wie Katzmann – das Kommende auch schon in den Kommentaren und Analysen der Konkurrenz.

Denn dieser Katzmann ist schon ein wenig weggedriftet von diesem etwas trockenen Haus LVZ, liest lieber die liberale “Vossische Zeitung”, im Zug auch mal das Blatt des Mitreisenden, der tatsächlich “Die Rote Fahne”, das Blatt der KPD liest. 1930 ist auch das Jahr, in dem die von Moskau gesteuerte KPD ausgerechnet die eh schon an sich zweifelnde SPD als ihren Hauptfeind auserwählt. Stichwort: “Sozialfaschisten”. Man ahnt so ein bisschen, warum Katzmann nach 12 Jahren in der Redaktionsstube die Lust zu verlieren beginnt. Einen Artikel über einen von rechten Schlägerbanden krankenhausreif geschlagenen SPD-Abgeordneten kriegt er einfach nicht aufs Papier. Was auch ein wenig mit der Begegnung mit einer alten Liebe zu tun hat. Manchmal sind die späten Begegnungen noch frustrierender als die Abschiede.

Es ist Katzmanns alter Freund, der Fotograf Heinz Eggebrecht, der ihn auf den Mord an einem Parzellenbesitzer in der Gartenanlage “Dr. Schreber” aufmerksam macht. Sein Vater hat dort selbst ein Stück Garten. Und irgendwie scheint bald alles mit allem zusammen zu hängen – da ist die Witwe des Toten, die schon seit Monaten ein Techtelmechtel hat, da ist der alte Arbeitskollege des Toten, der aber just von diesem auf die Kündigungsliste der Firma Bleichert gesetzt worden ist, da ist ein alleswissender Spartenvorsitzender Zebulke und ein weißbärtiger Herr, der sich als Heinrich Brockhaus entpuppt.Und natürlich spielt Katzmanns alter Bekannter, der Kommissar Bölke, eine Rolle, der noch runder geworden ist, aber die Arbeit des “Sozi”-Redakteurs zu schätzen gelernt hat. Was ihn dann auch bald zweifeln lässt an der Vermutung, die nächtliche Einbrecherbande, die auch über den Toten in der Gartenlaube gestolpert sein muss, könnte auch an dessen Tod die Schuld tragen.

Schimunek schreibt die Geschichte, die von Seite zu Seite zusehends an Tempo gewinnt, stets mit einem zwinkernden Auge. Seine Helden grübeln zwar gern und sind nicht immer eins mit ihrer Welt, aber sie verzweifeln nicht. Und wenn sie den Zipfel eines Ganoven sehen, sprinten sie los oder schwingen sich gleich wie Katzmann auf sein altes Motorrad.

Was entsteht, ist natürlich die Atmosphäre einer Stadt, die von der Krise gebeutelt ist, in der die Stimmung aber noch nicht ins Fatale abgekippt ist. Seltsame Gestalten sind zwar unterwegs, aber die Chance, diese Republik zu retten, ist noch nicht verspielt. Ein wenig schwingt wohl auch die Gegenwart mit. So fern sind ja diese Gestalten gar nicht, die mit Verachtung auf alle herabschauen, die auf der Leiter des Lebens weit unter ihnen stehen, genauso wenig die Underdogs, die versuchen, sich den Schein des Erfolg über Schulden zusammen zu borgen – und dann scheitern. Aber auch dieser Katzmann könnte eine Figur aus der heutigen Medienwelt sein, in der selbst der Chefreporterposten nicht mehr sicher ist.

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Der ermordete Gärtner
Uwe Schimunek, Jaron Verlag 2013, 7,95 Euro

Und ähneln die heutigen Banden, die in den Kleingartensparten auf Raubzug gehen, nicht auch denen von damals? Auch wenn die kleinen Ganoven heute vielleicht ein bisschen besser gekleidet sind als die kleinen Gauner bei Schimunek. Dafür ist auch das Bier heute teurer. Und die Polizei ist nicht mehr ganz so erfreut, wenn Journalisten ihr bei der Arbeit helfen. Aber anders bekäme die Geschichte ja nicht den Drive, den sie hat, und der die Helden wieder mit Affenzahn durch ein Leipzig rasen lässt, in dem damals selbst dort noch Platz zum Rasen war, wo heute kein Durchkommen ist.

Eigentlich so ein schöner Krimi, der wünschen ließe, das ginge mit Konrad Katzmann und Heinz Eggebrecht jetzt im Zwei-Jahres-Rhythmus immer so weiter. Aber da lauert ja bekanntlich dieses verflixte Jahr 1933. Kein gutes Jahr, erst recht nicht für kritische Köpfe wie diesen Katzmann.

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