Was verbinden junge Eltern mit der Namenswahl für ihre Kinder? Und wie verändern unsichere Zeiten die Namenswahl? Warum tauchen auf einmal so viele Maries und Pauls in der Krabbelgruppe auf? - Die Fragen beschäftigen auch Gabriele Rodriguez. Sie leitet die Vornamenberatungsstelle der Universität Leipzig. Und nicht nur in Leipzig scheint es bei Vornamen immer biblischer und - naja, altdeutscher zu werden.

In den vergangenen Wochen haben die Namensforscher der Alma mater die Angaben von 275 Standesämtern bundesweit bekommen, mehr als 158.000 Vornamen von im Jahr 2011 geborenen Kindern ausgewertet und nun der Öffentlichkeit präsentiert. Danach sind Marie, Sophie, Maria und Mia bei den Mädchen sowie Maximilian, Alexander, Paul und Leon bei den Jungen die beliebtesten
Vornamen.

So weit, so unauffällig. In Leipzig führte 2010 Marie die Rangliste an vor Sophie, Charlotte und Anna. Die Uromas werden sich bannig gefreut haben und sich an ihre eigene Kindheit erinnert haben. Bei den Jungen war Paul vorn – vor Alexander, Maximilian und Elias.

Was freilich auch die Einschätzung der Namensforscher bestätigt: “Die Deutschen haben ihren Neugeborenen im vergangenen Jahr verstärkt biblische und auch wieder altdeutsche Vornamen gegeben. Der Trend gehe auch immer mehr hin zu zwei oder mehr Vornamen, da Babys oft auch nach ihren Eltern oder Großeltern benannt würden”, erklärt Gabriele Rodriguez vom Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig.”Etwa zwei Drittel aller Geburten in Deutschland sind in dieser Statistik berücksichtigt”, sagt Rodriguez, die jedes Jahr etwa 3.000 Anfragen zu Vornamen beantwortet. Für 40 Euro kann man schon ein Kurzgutachten bekommen, für 100 Euro ein ausführliches. Ist ja nicht so einfach einzuschätzen, ob Arminius nun noch gängig ist oder Botho noch geht oder Odoaker, wenn’s ein richtiger Racker werden soll. Oder Irmingard für ein Mädchen, wahlweise Kriemhild.

Aufsteiger des Jahres 2011 seien Ben und Mia, letztere auch wieder eine Kurzform von Maria. Generell seien im Norden und Osten Deutschlands kurze Namen beliebter als in südlicheren Gefilden, wo Tradition und Religion auch bei der Namenswahl einen größeren Einfluss haben. Womit Leipzig sichtlich mehr zum Süden der Republik tendiert. Denn Helene, Johanna und Elisabeth sind auch beliebt. Wobei auch eines auffällt: Mädchen werden eher mit der Langform geehrt als die Jungen, die wohl doch eher Opfer der Fußball-Besessenheit ihrer Väter werden und dann Leon, Luca, Felix oder Tim heißen.

Im Jahr 2011 seien freilich weniger die Namen Heiliger wie etwa Katharina, sondern biblische Namen wie Adam, Elias oder Simon beliebt gewesen.

“Ein anderer Trend vor allem bei den Jungen ging hin zu altdeutschen Namen, häufig als Zweitname, wie Oskar, Karl, Hildegard und Gertrud. Sachsen ist dabei Vorreiter”, berichtet die Namensforscherin.Nachweisbar ist aber auch: Bildungsferne Schichten orientierten sich bei der Auswahl der Namen für ihre Sprösslinge häufig an den Medien, wo Prominente mit ihrem Nachwuchs als Vorbilder dienten. Im vergangenen Jahr seien deshalb zahlreiche Babys namens Blue, Peaches, Apple, Maddox und Summer geboren worden.

Wer allerdings sicher gehen wollte, den Vornamen seines Kindes außer in Geschichten nirgendwo anders wiederzufinden, nannte es Rapunzel, Tarzan oder Winnetou – Namen, die Rodriguez zufolge in Deutschland zulässig sind.

Vor allem gebildete Schichten interessierten sich für die Bedeutung ihrer Vornamen, berichtet Rodriguez. Die Namensforscher der Universität Leipzig analysieren aber auch Familiennamen, deren Bedeutung und Häufigkeit. “Wir fertigen Gutachten zu Familiennamen an. Das ist eine sehr aufwendige Arbeit”, sagt Dr. Dietlind Kremer, die seit mehr als einem Jahr das Zentrum mit zehn Mitarbeitern leitet.

Gemeinsam mit Studenten arbeitet sie beispielsweise seit einem Jahr auch an einem historischen Leipziger Familiennamenbuch aus dem Jahr 1937. Grundlage dafür sind Leipziger Familiennamen aus einem Adressbuch aus dem Jahr 1937, aus denen die Onomastiker eine Häufigkeitsliste erstellt haben. Darin sind kaum anders als heute Müller, Schmidt und Richter die am häufigsten vorkommenden Familiennamen. “Bisher gibt es für Leipzig nur ein Orts- und kein Familiennamenbuch”, weiß Kremer, deren Arbeit daran noch etwa 18 Monate dauern wird.

Egal ob Vor- oder Nachnamen – das Interesse in der Gesellschaft an Namen und deren Bedeutung ist nach Einschätzung Kremers in den vergangenen fünf bis sechs Jahren deutlich gewachsen. “Die Namen sind ein wichtiger Teil der Sprache, sie sind Sprachzeugen”, sagt die Expertin.

Die Onomastik ist seit 1991 ein Unterrichtsfach an der Universität. Das Fach wird bundesweit so nur in Leipzig gelehrt. Seit dem vergangenen Jahr ist es ein – äußerst beliebtes – Wahlfach: Auf die 40 Plätze hatten sich beispielsweise im vergangenen Jahr 321 junge Menschen beworben. Die Studenten werden in drei Modulen – drei Semester mit je sechs Stunden – in dieses Fach eingeführt, das an der Alma mater lipsiensis eine lange Tradition hat.

Seit den 1950er Jahren wird an der Universität Leipzig Namensforschung betrieben. Damals befassten sich Slawisten, Germanisten und Historiker mit diesem Thema. Doch im Rahmen der vom sächsischen Wissenschaftsministerium angestrebten Stellenstreichungen an den sächsischen Hochschulen steht auch der Lehrstuhl für Onomastik zur Disposition.

www.namenberatung.eu

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