Mit der Floskel "Einstellungsstopp" spielte auch der sächsische Wissenschaftsminister des Jahres 2002 schon. Der hieß damals Matthias Rößler. Und aus seiner Sicht war der Versuch, die steigenden Personalausgaben an Sachsens Hochschulen zu deckeln, noch verständlich. Seine Nachfolgerin zehn Jahre später steckt in einer ganz anderen Klemme, hat aber - im Gegensatz zu Rößler - kein Konzept.

Nachdem Sabine von Schorlemer, die heutige Ministerin für Wissenschaft und Kunst in Sachsen, seit Monaten dafür kritisiert wird, dass sie die seit 2008 massiv gestiegenen Studierendenzahlen schlichtweg ignoriert und an ihren Planungen festhält, die auf Prognosen von 2007 basieren, verärgerte sie nicht nur die Hochschulen, als sie das schon jetzt entstandene Personalloch an den Hochschulen ankündigte, mit befristet eingestelltem Personal füllen zu wollen.

300 befristete Stellen sollen so entstehen. Ganz so, als gelte es in der sächsischen Hochschulmanufaktur nur schnell einmal eine Produktionsspitze aufzufangen wie im Autobau.

Es ist übrigens das selbe Rezept, mit dem parallel Kultusminister Dr. Roland Wöller die fehlenden Lehrer in Sachsens Schulen ersetzt. Auch er hat mit 300 schnell akquirierten Lehrkräften Feuerwehr gespielt – die nun drei Jahre lang andauernden Mahnungen der Opposition, eine langfristige Strategie für die Sicherung des Lehrerbedarfs vorzulegen, hat er bis heute nicht umgesetzt. Im Ergebnis wird sich der Bedarf an neuen Lehrern in Sachsen von Jahr zu Jahr erhöhen, ohne dass die Lehrerausbildung im Land den notwendigen Nachschub sichern kann.

Was wieder mit Sabine von Schorlemer zu tun hat und ihrem Versuch, nicht nur alle Probleme auszusetzen und dem Finanzminister schöne Zahlen melden zu können – sondern auch mit ihren fehlenden Visionen für eine bedarfsgerechte Hochschulausbildung in Sachsen.

Nun spricht der Kabinettsbeschluss, alle Einstellungen im öffentlichen Dienst bis zum 19. Juni 2012 zu stoppen, genau dafür. Im Kabinett sitzt nicht nur die Wissenschaftsministerin. Da sitzt auch der Kultusminister, dem das Problem der fehlenden Lehrer über den Kopf wächst. Und da sitzt natürlich der Mann, der immer mehr in den Fokus bei allen Problemdiskussionen rückt: Stanislaw Tillich, der Ministerpräsident, der zu Beginn der Legislaturperiode 2009 ankündigte, die Zahl der Landesbediensteten in Sachsen von 87.000 auf 70.000 einzudampfen. Und der sein Programm durchzieht, ohne dass ihn die schon längst sichtbaren Folgen in Schulen, Hochschulen und Polizeidirektionen interessieren.Für die Hochschulen wird das schon jetzt zum ersten Akt einer anrollenden Katastrophe.

“Diese Art der Personalpolitik ist skandalös. Die Folgen eines absoluten Einstellungsstopps bis Juni dieses Jahres werden für Lehrende und Studierende einschneidend sein. Dies bedeutet, dass Berufungsverfahren auf Professuren nicht zu Ende geführt werden können, Hochschulangestellte, die momentan auf befristeten Stellen arbeiten, können nicht verlängert werden. Einen Monat, bevor das neue Semester beginnt, wird den Hochschulen jegliche Planungssicherheit genommen”, kritisiert Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Wie auf diese Weise noch qualitativ hochwertige Lehre sichergestellt werden soll, bleibt das Geheimnis der Staatsregierung. Es spricht Hohn aus den Worten von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), der noch vor zwei Tagen im Plenum es als selbstverständliches Ziel proklamiert hat, dass Bildung in Sachsen einen hohen Stellenwert hätte. Wie passen die bis 2020 noch zu kürzenden 1.024 Stellen an sächsischen Hochschulen da ins Bild?”

Denn an den Kürzungsplänen hält Sabine von Schorlemer fest. Auch nachdem sie fast widerwillig akzeptiert hat, dass die realen Studierendenzahlen nichts mit ihren so geliebten Prognosen von 2007 zu tun haben. Seit 2009 sind die Studierendenzahlen auf Rekordniveau. Selbst die neuen Prognosen der Kultusministerkonferenz vom Januar 2012 sehen ein gleichbleibend hohes Niveau bis mindestens 2020. Und das auch noch aufgrund sichtlich klein gerechneter Studienanfängerzahlen für Sachsen, mit denen der Kultusminister versucht, die Wirkungen der strengeren “Bildungsempfehlung” für die nächsten Jahre vorwegzunehmen.

Aber die Pläne des Wissenschaftsministeriums sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. “Ein Großteil des Hochschulentwicklungsplanes, den das Kabinett erst kurz vor Weihnachten verabschiedet hat, basiert auf Prognosen, die jetzt mehr oder weniger zu Makulatur geworden sind. Denn das Zentrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh bestätigt nun, dass die Zahl der Studienanfänger noch Jahrzehnte auf höchstem Niveau verharren wird – etwa bis ins Jahr 2045”, benennt der Sprecher für Wissenschafts- und Hochschulpolitik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Prof. Gerhard Besier, die Augenwischerei der sächsischen Staatsregierung. “Die Hoffnungen der Staatsregierung, dass sich das Problem, das sie jahrelang vor sich hergeschoben hat, in den nächsten Jahren durch sinkende Studierendenzahlen von selbst erledigen werde, ist dahin, und damit auch die Begründung für die beabsichtigten massiven Stellenstreichungen.”

Dass die Wissenschaftsministerin an den geplanten Stellenstreichungen festhalten und die wegfallenden Stellen durch befristet eingestelltes akademisches Personal ersetzen will, sieht er als weiteren Schritt zur Destabilisierung akademischer Strukturen.

“Damit wird das ohnehin schon reichlich vorhandene akademische Prekariat weiter vergrößert”, kritisiert Besier. “Seit fünf Jahren hat Sachsen mit verschiedenen Initiativen erfolgreich um Studierende geworben und ist damit dem demographischen Wandel entgegengetreten. Das hat viel Geld gekostet. Jetzt ist die Staatsregierung dabei, das Erreichte wieder in Frage zu stellen, weil sie die Hochschulen zwingt, durch Zulassungsbeschränkungen den Zustrom zu drosseln. Das ist konzeptionslose Zick-Zack-Politik.”

Für die Zukunft sieht er schwarz. “Wenn die schwarz-gelbe Staatsregierung so weitermacht, hat sie ihr Problem tatsächlich gelöst – dann werden keine auswärtigen Studierenden mehr kommen, und die sächsischen Abiturienten werden ebenfalls das Weite suchen”, rechnet Besier 1 und 1 zusammen. “Die Spitzenkräfte werden Sachsen verlassen und in jene Länder gehen, die ihre Hochschulen besser ausstatten und ihre Professoren anständig bezahlen. Dann ist die sächsische Universitätslandschaft wirklich ruiniert.”

Und damit war’s das mit der sächsischen Wettbewerbsfähigkeit.

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