In Sachsen brennt die Luft. Die Schulen leiden jetzt schon unter Lehrermangel. Der Kultusminister ist zurückgetreten, weil er die rigiden Sparspiele des Finanzministers nicht mehr mitspielen wollte. Eine neue Kultusministerin wurde berufen. Doch die will, als vertraute sie den Zahlen ihres Vorgängers nicht, erst prüfen. Am Dienstag, 3. April, schmetterte die CDU/FDP-Mehrheit im Landtag gleich zwei Anträge der Opposition zur Lösung des Dilemmas ab.

Das erste war der Antrag der SPD-Fraktion “Bildungspaket Sachsen 2020 nachbessern”, mit dem die SPD-Fraktion, die das Thema seit nunmehr drei Jahren thematisiert, CDU und FDP endlich zum Handeln auffordern wollte. Bewusst hätten die Sozialdemokraten auf Maximalforderungen verzichtet und wären der Regierungskoalition in vielen Punkten entgegengekommen, meint Holger Mann, der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Hochschule und Wissenschaft. “Vorrangiges Ziel war die Einstellung der dringend benötigten 800 neuen Lehrer und die Absicherung des Lehrerbedarfs in den kommenden Jahren. Nicht zuletzt hohe Steuermehreinnahmen geben Raum zur Finanzierung. Trotzdem verweigerten die meisten Abgeordneten von CDU und FDP dem SPD-Antrag ihre Zustimmung.”

Denn 800 Lehrer werden in Sachsen mit Beginn des neuen Schuljahres fehlen. Diese Zahl sei inzwischen unumstritten, so Mann. “Trotzdem verharrt die Staatsregierung im Nichtstun, was Roland Wöller (CDU) vor zwei Wochen veranlasste, vom Amt des sächsischen Kultusministers zurückzutreten”, sagt der SPD-Abgeordnete aus Leipzig. “Selbstverständlich hat die neue sächsische Kultusministerin Kurth 100 Tage Schonfrist. Aber die Sicherung des Lehrerbedarfs hat nicht so lange Zeit. Die Regierung muss das Problem jetzt anpacken.”Nur hat die neue Ministerin nicht wirklich 100 Tage Zeit, um zu handeln. Wenn das Schuljahr erst einmal begonnen hat, hat sie keine Handlungsspielräume mehr. Dennoch stimmten CDU und FDP gegen den SPD-Antrag.

Holger Mann: “Es ist enttäuschend. Wir haben der Regierungskoalition eine ernsthafte Zusammenarbeit angeboten und zahlreiche Brücken gebaut. Aber offensichtlich sind der CDU/FDP-Koalition Parteiinteressen wichtiger, als den Bedarf an Lehrern abzusichern. Alle Abgeordneten der CDU und Sven Morlok (FDP) aus Leipzig stimmten gegen die Nachbesserung des Bildungspakets. Ich bin gespannt, wie die Abgeordneten der Regierungskoalition angesichts der stetig wachsenden Probleme ihr Abstimmungsverhalten bei uns vor Ort erklären wollen.”

Ganz genau so ging es der Linksfraktion mit ihrem Antrag “Unterrichtsausfall in Sachsen unterbinden”: Die Markkleeberger Landtagsabgeordnete Heike Werner ist logischerweise frustriert: “Schulen mit bis zu 18 Prozent Unterrichtsausfall in Sachsen – der Lehrermangel in Sachsen mit seinen Folgen ist für Schüler/innen und Eltern nicht mehr tragbar. Die Klagen über zunehmenden Unterrichtsausfall im laufenden Schuljahr werden immer lauter und gipfelten in den sachsenweiten Demonstrationen von über 20.000 Schüler/innen und Lehrer/innen. Exakte Zahlen über die genaue Stundenanzahl der Ausfälle konnte die Regierung bisher nicht vorlegen. Damit wird Schwarz-Gelb dem dringlichen Handlungsbedarf der Thematik auch in unserer Region nicht gerecht.”Ex-Kultusminister Wöller war nach Vorlage einer schonungslosen Analyse des Lehrerbedarfs schließlich zurückgetreten, weil er Kürzungen in seinem Etat von 100 Millionen Euro nicht verantworten wollte. CDU-Bildungspolitiker Colditz sprach mit Blick auf das drohende Fiasko der sächsischen Bildung sogar von einer “Regierungskrise”.

“Aber seine Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen von CDU und FDP sagten fast durchweg ‘Nein’ zu jeder Korrektur dieses Irrwegs – das war ein Tiefpunkt des Landtags in dieser Wahlperiode”, sagt Werner. “Mittlerweile sind nur 11 Prozent der Pädagoginnen und Pädagogen unter 40, und mehr als die Hälfte ist älter als 50 Jahre. Krankheitsbedingte Unterrichtsausfälle wird es dadurch noch häufiger geben als bisher. Die langfristigen Prognosen sind noch düsterer. So gehen bis 2030 zirka 27.000 Lehrkräfte in Rente. 23.000 Lehrer werden bis dahin benötigt, um frei werdende Stellen zu besetzen. Die Zahl der Schüler bleibt dagegen stabil und wird bis 2020 sogar um 15.000 wachsen. Der Lehrermangel ist da.”

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Ihre eindeutige Einschätzung des Grundproblems in der sächsischen Regierung: “Die neue Kultusministerin Kurth kann nur handeln, wenn Ministerpräsident Tillich die Schulen in Sachsen aus dem Würgegriff des Finanzministeriums befreit. Die Vorbereitung des neuen Schuljahres duldet keinen Aufschub, um einen grundlegenden Wandel schwarz-gelber Bildungspolitik einzuleiten. Deshalb müssen wir weiter gemeinsam im Interesse der Schüler/innen und Schüler Druck machen – fragen Sie die Abgeordneten von CDU und FDP in der Region, was sie jetzt zu tun gedenken, um ihrer Verantwortung fürs Gemeinwohl besonders beim zukunftsträchtigen Thema Bildung gerecht zu werden!”

Die SPD hat das auf ihre Weise schon getan. Sie hat im Landtag über ihren Antrag namentlich abstimmen lassen. Und weil die Namen der Nein-Abstimmer öffentlich sein sollten, hat sie Holger Mann einmal alle aufgelistet.

Für die L-IZ-Leser alle Namen mal zum Nachlesen als PDF zum download.

Der aktuelle Antrag der SPD-Landtagsfraktion (Drs 5/8689): http://edas.landtag.sachsen.de

Der Antrag der Linksfraktion: http://edas.landtag.sachsen.de

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