Bildungspolitik ist eigentlich das Super-Thema der Gegenwart. Noch vor Energiepolitik und all dem Gewurstel um die demografische Entwicklung. Denn das hochtechnisierte Deutschland hat eigentlich nur eine Ressource, mit der es Zukunft gestalten kann: das sind kluge, gut ausgebildete Menschen. Doch nichts bietet derzeit ein desolates Bild wie die sächsische Bildungspolitik. Grund genug für einen zweiten Offenen Brief der sächsischen Studierenden an Kassenwart Georg Unland (CDU).

Schon am Dienstag, 6. November, hatte die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften ihren ersten Offenen Brief an den Finanzminister des Freistaates Sachsen Georg Unland geschickt – mit deutlicher und fundierter Kritik an den weiterhin durchgezogenen Personalkürzungen an den Hochschulen, die allesamt Rekordstudierendenzahlen verzeichnen. Doch irgendwie träumt Sachsens Regierung davon, das sie selbst in so sensiblen Bereichen wie Forschung und Studium mit befristeten Verträgen, Feuerwehrlösungen, Ersatzpersonal und immer mehr prekären Jobs arbeiten kann – sozusagen professionelle Ausbildung zum Preis eines Hilfsarbeiters.

Weder dem Finanzminister, der als vormaliger Rektor der TU Bergakademie Freiberg eigentlich wissen müsste, wie wertvoll professionelles Lehrpersonal und eine nachhaltige und sauber durchfinanzierte Betreuung der Studierenden ist, noch die alles duldsam ertragende Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) noch der zu allem freundlich schweigende Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) scheinen auch nur ahnen zu wollen, was sie da im “Bildungsland” Sachsen und vor allem für den Forschungsstandort anrichten.

Auch der immer neue Verweis auf immer neue Einnahmerekorde bei Drittmitteln kann die Malaise nicht verdecken, denn Drittmittel laufen auch nur über begrenzte Förderzeiträume und eigentlich klar definierte Forschungsprojekte. Wenn das personelle Hinterland fehlt, die Strukturen für immer neue große Forschungsprojekte zu schaffen, bricht auch der Drittmittel-Traum wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Und nicht nur die Ausbildung an den Hochschulen ist vom Kürzungswahn des Finanzministers bedroht. Auch die Studentenwerke wurden in den letzten beiden Jahren vom Sparminister so drastisch geschröpft, das einige Angebote für die Studierenden mittlerweile in Gefahr sind.
Davon handelt der zweite Offene Brief, den Florian Sperber als Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften an Georg Unland schrieb.

Was die Studentenwerke leisten, fasst er so zusammen: “Sie stellen bezahlbaren und hochschulnahen Wohnraum zur Verfügung, sorgen mit Mensen und Cafeterien für die Verpflegung der Studierenden, der Dozierenden und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Zudem übernehmen die Studentenwerke eine zentrale Rolle bei der Beratung: Sie sorgen sich um Studierende mit psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen, damit sie ihr Studium trotz möglicher Hürden meistern können und machen so für viele erst dessen Gelingen möglich.

Durch den Lerndruck, der in viel zu vielen Studiengängen zu hoch ist, ist oft auch psychosoziale Beratung nötig, welche die Studentenwerke anbieten. Darüber hinaus unterstützen sie studentische Eltern, sorgen etwa durch Kinderbetreuungen und Beratungen dafür, dass Nachwuchs während des Studiums nicht zum Studienabbruch führt und erleichtern ausländischen Studierenden ihren Aufenthalt. Ohne all das wäre Studieren praktisch nicht denkbar …”

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Aber der Freistaat spart da lieber, stellt Sperber fest: “Gleichzeitig sehen wir, dass der Semesterbeitrag der Studierenden seit 2001 kontinuierlich gestiegenen ist. Im sachsenweiten Schnitt ist er um über 35 Euro pro Semester angestiegen! Könnten Sie sich eine Steuererhöhung auf über 200 Prozent in zehn Jahren in einem anderen Bereich vorstellen? Studierende, die oft genug gerade so mit ihrem BAföG auskommen oder nebenbei arbeiten müssen, um sich das Studium finanzieren und es erfolgreich abschließen zu können, werden damit immer weiter belastet.”

Der Freistaat Sachsen scheine sich kaum in der Verantwortung für die Studentenwerke zu sehen. Lagen die Mittel im Jahr 2001 noch bei über 11 Millionen Euro, erhalten sie derzeit nicht einmal mehr die Hälfte des Zuschusses. In diesem Sommer baten die Studentenwerke um einen Aufwuchs der Zuschüsse auf knapp 8 Millionen Euro pro Jahr. Stattdessen sind im Hauhaltsplanentwurf für das Jahr 2013 nur Mittel in gleicher Höhe wie im Jahr 2011 (5,5 Millionen Euro) und ein sehr geringer Aufwuchs im Jahr 2014 (5,9 Millionen Euro)eingeplant.”

“Mit diesen Zuschüssen werden sich, notwendig und sehenden Auges, gravierende Mängel ergeben. Werden Sie diese Mängel einfach hinnehmen?”, fragt Sperber den Finanzminister.
Der Offene Brief in voller Länge als PDF zum download.

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