Der Sächsische Verfassungsgerichtshof in Leipzig verhandelt am Mittwoch, 28. August, ab 10 Uhr die Klage gegen die Unterfinanzierung der Schulen in freier Trägerschaft im Freistaat Sachsen. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD sowie mehrere Abgeordnete der Linken hatten dazu im März 2012 gemeinsam eine Normenkontrollklage gegen die Regelungen eingereicht.

Vertreten werden die Antragsteller von ihrem Prozessbevollmächtigten Friedhelm Hufen, Professor für öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Mainz und Richter am Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz. Offen ist, ob bereits am Mittwoch ein Urteil gesprochen wird.

Im Zuge des Haushaltsbegleitgesetzes 2011/12 wurde das Sächsische Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft (SächsFrTrSchulG) in mehreren Punkten geändert. Für Träger freier Schulen waren die Änderungen heftig. Die Wartefrist, die neu gegründete freie Schulen überbrücken müssen, ehe sie staatliche Zuschüsse erhalten, wurde von drei auf vier Jahre verlängert. Gleichzeitig wurde die Höhe der Zuschüsse an die Mindestschülerzahl gekoppelt, die für die Schulen in öffentlicher Trägerschaft gelten. Der bisher gezahlte Schulgeldersatz für einkommensschwache Familien wurde ersatzlos gestrichen.

Die Neuregelungen stießen auf massiven Protest der freien Schulträger, der Kirchen, der betroffenen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern, aber auch der Oppositionsfraktionen im Landtag. Ein in der Folge beauftragtes Gutachten des juristischen Dienstes des Landtags meldete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen an. Im März 2012 schließlich reichten die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD sowie mehrere Abgeordnete der Linken Klage ein.

In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurden mehrere Stellungnahmen ausgetauscht. Die Antragsteller wiesen dabei insbesondere auf zu vermutende Verstöße gegen die Finanzierungspflicht, das Gleichbehandlungsgebot, die objektive Schutzpflicht des Freistaats für die Schulen in freier Trägerschaft und auf Verstöße gegen das Sonderungsverbot hin.

So ist die Gründung von Schulen in freier Trägerschaft ein grundgesetzlich verankertes Recht. Für die Wahrnehmung des Bildungsauftrags steht den freien Schulen ein finanzieller Ausgleich zu. Es wird ferner als unzulässig angesehen, Einsparungen einseitig auf Kosten der Schulen in freier Trägerschaft zu realisieren, da der Freistaat hier zu Neutralität verpflichtet und entsprechend der verfassungsrechtlichen Grundsätze zum Schutz der Gründung und des Betriebs von freien Schulen verpflichtet ist. Ein erhöhtes Schulgeld schließlich führe dazu, dass einkommensschwache Familien sich den Schulbesuch nicht mehr leisten können. Dies verstoße gegen das Sonderungsverbot.

In ihrer Gesamtheit gefährden die Änderungen des SächsFrTrSchulG sowohl die Gründung als auch den Betrieb der freien Schulen. Faktisch erhalten einige Schulen in freier Trägerschaft nur wenig mehr als die Hälfte der Mittel, die öffentlichen Schulen zustehen. Deshalb muss, nach Ansicht der Antragsteller, die Gesamtfinanzierung geprüft werden.Die Staatsregierung, vertreten von Astrid Wallrabenstein, sieht indes in der Verlängerung der Wartefrist keine unüberwindbare Barriere. Auch die Kopplung an eine Mindestschülerzahl und die Streichung des Schulgeldersatzes seien, zum Teil durch Übergangsregelungen zumutbar. In der Gesamtheit wäre ein anzunehmendes Existenzminimum der freien Schulen – im verfassungsrechtlich gebotenen Maß – nicht unterschritten. Der Freistaat habe bei den Finanzierungsgrundsätzen lediglich von seinem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht.

Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, erklärt dazu: “Die Arbeitsfähigkeit der bestehenden Freien Schulen, die im Vertrauen auf die geltende Gesetzgebung gegründet wurden und oft seit vielen Jahren betrieben werden, muss im Interesse der betroffenen Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern gesichert werden. Zugleich wollen wir nicht, dass aus Freien Schulen reine Privat-Schulen werden, wenn durch den Wegfall der Schulgelderstattung Kindern aus Elternhäusern mit niedrigerem Einkommen der Besuch einer solchen Schule unmöglich gemacht wird. Für uns stehen bei der Normenkontrollklage soziale Aspekte im Vordergrund.”

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Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: “Freie Schulen sind elementar für eine bunte Schullandschaft in Sachsen. Ich bin optimistisch, dass das Gericht unserer Argumentation folgen wird. Die gezielten Nachfragen des Gerichts im Vorfeld der Verhandlung lassen darauf hoffen, dass die Gesamtsituation der freien Schulen in den Blick genommen wird. Die Staatsregierung hatte zuvor gebetsmühlenartig wiederholt, dass die Regelungen jeweils für sich genommen zulässig und die freien Schulen in ihrer Existenz nicht gefährdet seien. In der Gesamtheit jedoch stellen sie in unseren Augen faktisch ein Neugründungsverbot dar.”

Eva-Maria Stange, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Die Möglichkeit zur Gründung freier Schulen als Alternative zum staatlich streng geregelten Schulsystem ist eine wichtige, grundgesetzlich geschützte Errungenschaft nach der friedlichen Revolution 1989. Die 2010 beschlossenen massiven Einschnitte bei der Finanzierung und Gestaltungsfreiheit der freien Schulen sind ein Angriff auf dieses Verfassungsrecht, der nicht hinnehmbar ist und Tür und Tor für weitere Hürden eröffnet. Freie Schulen sollen auch zukünftig in der Lage sein, jedem Kind unabhängig vom Geldbeutel der Eltern eine Bildungschance zu geben. Dazu müssen sie ausreichende staatliche Förderung erhalten, um zum Beispiel auch Schulgeld erlassen zu können.”

Die mündliche Verhandlung (Aktenzeichen Vf. 25-II-12) findet am Mittwoch, 28. August, um 10 Uhr am Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in Leipzig, Harkortstraße 9, Saal 115 statt.

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