Die Caritas hat auch 2013 die Daten zu den Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss ausgewertet. Das Ergebnis lässt hoffen: Die Quote ist deutschlandweit von 7,2 Prozent im Jahr 2009 auf 5,8 Prozent im Jahr 2011 gesunken. Besonders stark war der Rückgang in Ostdeutschland, wo es allerdings in vielen Kreisen immer noch Nachholbedarf gibt, teilt die Caritas mit. Das Lob für den Osten ist zweischneidig. Denn in den Jahren zuvor sind die Quoten erst drastisch gestiegen. Auch in Sachsen.

Es war dann erst die bundesweite Aufmerksamkeit, die auch in den ostdeutschen Ländern ein Nachdenken darüber anregte, was da eigentlich schief lief. Da war man 1990 bei einer Quote von 4 bis 5 Prozent gestartet und hatte, ohne rot zu werden, die Zügel so lange schleifen lassen, bis landesweit die vorher nur im Wesen üblichen Quoten von 10 bis 15 Prozent erreicht wurden. Der Westen war schon durch die diversen Pisa-Tests aufgerüttelt worden.

Im Osten ruhte man sich noch vor zwei Jahren auf den tollen Pisa-Ergebnissen aus. Verwies auch gern darauf, dass die soziale Auslese deutlich geringer wäre als im Westen. Aber bei einem zunehmenden Mangel an ausbildungsfähigen Azubis sind solche Gleichgültigkeiten geradezu verantwortungslos.

Beim Abgang von der Schule hatten im Jahr 2011 bundesweit rund 9.000 Schülerinnen und Schüler mehr einen Abschluss als zwei Jahre zuvor, stellte nun das RWI (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) fest, das die Daten für die Caritas aufbereitet hat. Viele dieser Schülerinnen und Schüler kommen aus Ostdeutschland. Und siehe da: In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sank die Quote der Abgänger ohne Hauptschulabschluss landesweit um mehr als 4 Prozent. Die beiden Bundesländer haben sichtlich begonnen, das Thema ernst zu nehmen. In Sachsen wurschtelt man sich noch immer irgendwie so hin. Denn eigentlich ist auch hier klar: Ohne neue Lehrer und womöglich Sozialarbeiter in den Schulen geht das nicht.

Man spielt auf Zeit.

Mecklenburg-Vorpommern schaffte es, binnen zweier Jahre die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss von 16,22 auf 11,52 Prozent zu senken. Das ist noch nicht gut, zeigt aber einen Trend. In Brandenburg sank der Wert von 12,61 auf 8,37 Prozent, womit Brandenburg die Werte der westlichen Bundesländer berührt. Sachsen-Anhalt war nicht ganz so erfolgreich und schaffte es, die Quote von 12,92 auf 11,57 Prozent zu senken. Sachsen schaffte immerhin eine Absenkung von 11,42 auf 8,19 Prozent.

In jedem dritten ostdeutschen Kreis ging die Quote um mehr als vier Prozent zurück, so die Caritas. 66 Prozent der ostdeutschen Kreise und Städte haben nun mehr als zwei Prozent weniger Abgänger ohne Abschluss – in den westlichen Bundesländern konnten sich nur 24 Prozent der Kreise so stark verbessern.

Im Detail aber zeigt sich, dass in Sachsen mit unterschiedlichem Tempo gefahren wird. Die Landeshauptstadt Dresden schaffte es, die Quote ihrer Schulabgänger ohne Abschluss von 10,63 auf 6,38 Prozent zu senken. Das zeigt, dass es geht, wenn die entsprechenden Ressourcen vorhanden sind und auch die frühe Auslese der Kinder auf Förderschulen sehr vorsichtig passiert.In Leipzig konnte der sehr hohe Wert von 14,12 nur auf 13,36 Prozent gesenkt werden. Für manche Kommentatoren liegt der Grund im Einsatz der Sozialarbeiter in den Schulen. Aber das Programm kam tatsächlich erst ab 2011 zum Einsatz. Die Ursachensuche an diesem Punkt ist aber wohl trotzdem richtig, denn oft sind es Kinder und Jugendliche in besonderen Problemlagen, die in der Schule auch einen sozialen Ansprechpartner brauchen, weil sich ihr persönliches Problemfeld mit den schulischen Problemen überlagert.

Andererseits fällt auch wieder auf, dass Leipzig deutlich weniger Beschäftigte ohne Berufsabschluss hat als etwa München – etwas über 8 Prozent hier gegenüber etwas über 13 Prozent dort. Was eben auch heißt: Leipzigs Schulabgänger holen ihren Abschluss dann mühsam nach der Schule nach. Das kostet natürlich Zeit und Kraft.

“Es sei deutlich zu erkennen, dass in den südlichen Bundesländern der Anteil der Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung besonders hoch ausfällt, in den neuen Bundesländern hingegen besonders gering”, heißt es denn auch in der Studie. “Die allgemeine Arbeitslosenquote, die Jugendarbeitslosenquote und der Anteil der in Bedarfsgemeinschaften lebenden Personen sind jeweils in den neuen Bundesländern und in einzelnen westdeutschen Kernstädten besonders hoch. Ausländische Schüler sind primär in westdeutschen Agglomerationsräumen zu finden und insbesondere Bayern und Baden-Württemberg zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Schülern aus, die eine Hauptschule besuchen. Auch innerhalb von Bundesländern treten erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Kreisen auf .”

Aber die Deutschlandkarte zeigt es recht deutlich: Der Osten hängt auf einmal hinterher, hat viel zu lange gezaudert, Vorkehrungen zu treffen, damit nicht so viele Jugendliche ohne Abschluss die Schule verlassen.

“Auch wenn der Trend insgesamt positiv ausfällt”, so die Caritas. “Weder die Politiker, noch die verantwortlichen Akteure vor Ort dürfen sich zufrieden zurücklehnen. Die nach wie vor hohe Streuung der Quoten zwischen den Bundesländern (zwischen 4,8 Prozent im Saarland und 11,6 Prozent in Sachsen-Anhalt) und vor allem vor Ort (von 1,3 Prozent in Speyer bis 16 Prozent im Landkreis Mansfeld-Südharz) zeigt: Es gibt nach wie vor viel Potenzial, die Situation vor Ort zu verbessern. Die Studie der Caritas aus dem Jahr 2012 zeigt, wie die Bildungschancen vor Ort verbessert werden können.”

Und sie zeigt eben auch, dass die Akteure vor Ort eine gehörige Aktie an diesen Quoten haben. Aber: “Die Zahlen alleine lassen keine Rückschlüsse zu, weshalb sich die Quote in einigen Kreisen so positiv entwickelt hat. Sie kann das Ergebnis einer langfristig angelegten, hochwirksamen Schul- und Kommunalpolitik sein.”

Aber davon hat man eigentlich in Sachsen und Leipzig nicht viel gehört. Außer, dass Leipzig sehr auf den Einsatz von Schulsozialarbeitern setzt. Aus den Höhen der sächsischen FDP hört man zwar, “individuelle Förderung” sei eigentlich das Rezept der Stunde.

Norbert Bläsner, der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag dazu: “Damit wir diesen positiven Trend fortsetzen können, ist die individuelle Förderung der Jugendlichen entscheidend. Wir müssen die oftmals sehr praktischen Talente gerade der Schüler entdecken und fördern, denen das theoretische und streng geregelte Lernen sehr schwerfällt. Auch die künftig an den Oberschulen eingesetzten Praxisberater können deshalb genau dabei helfen, individuelle Stärken und Schwächen zu analysieren. Wenn die Schüler spüren, dass sie etwas können und praktische Begabungen haben, lassen sie sich häufig leichter motivieren, den Weg bis zum Hauptschulabschluss durchzuziehen. Die Stärkung der Oberschule als ‘Schule der Praktiker’ ist deshalb der richtige Weg, damit wir langfristig die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss in Sachsen auf unter fünf Prozent senken können.”

Aber dazu braucht man Lehrer. Genug Lehrer.

Und so ist denn die Caritas auch zu Recht besorgt, dass die Zahlen nur geschönt sind: “Durch weitergehende Untersuchungen muss aber ausgeschlossen werden, dass gute Quoten nur dadurch erreicht werden, dass die Anforderungen gesenkt werden. Die Aussage des Bildungsberichts 2012 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung: ‘Bildung in Deutschland 2012’), nach dem die Quote der leseschwachen 15-Jährigen 2010 drei Mal so hoch war wie die der Abgänger ohne Hauptschulabschluss, stimmt nachdenklich.”

Zur Studie: www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/kinderundjugendliche/bildungschancen/bildungschancen

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