An der Uni Leipzig herrscht zurzeit eine gedrückte Stimmung, die Wolkendecke zieht sich zu. Die aus der Landeshauptstadt geforderten Streichungen und damit absehbaren Schließungen der Theaterwissenschaften und des Institutes für Klassische Archäologie liegen wie ein Schatten über der Hochschule. Während die einen froh sind, dass der Kelch an ihnen vorüberging, bereiten sich die anderen auf einen harten Kampf vor.

Eine Tatsache stößt bei der ganzen Angelegenheit auf Kopfschütteln, Unverständnis, Wut und Entsetzen: Dass man von Seiten des Rektorats keine Vorwarnung erhalten hatte, von der Entscheidung völlig überrumpelt wurde. So auch die Mitarbeiter und Studierenden des Institutes für Klassische Archäologie. Der Flurfunk dort ist bis außerhalb der Mauern deutlich zu hören.

So heißt es, dass man über das einzige konkrete Kriterium, dass das Leipziger Archäologische Institut klein sei gegenüber dem Halleschen, regelrecht verblüfft sei. Trotz empfindlicher Kriegsschäden und sträflicher Behandlung in der Folgezeit seien Institut und Antikenmuseum mit Sicherheit kein kleines Gebilde. Als einziger akademischer Standort für die Klassische Archäologie in Sachsen verfüge das Fach über ein glänzend funktionierendes Institut und eine umfangreiche, in seiner Vielfalt hervorragende Original- und Gipsabgusssammlung. Ein vergleichbares Profil weise die Klassische Archäologie nur an wenigen deutschen Universitäten auf.

Prof. Hans Ulrich Cain, Direktor des Institutes war, wie es aus Institutskreisen heißt, von der Nachricht genauso überrascht, wie alle anderen auch. Man sei von der Nachricht förmlich überrannt, durch die Art und Weise der lapidaren Mitteilung und Argumentation regelrecht verblüfft. Es erstaune also nicht, dass das Vertrauen in und das Verständnis für das Rektoratskollegium genommen sei.
So sei kein einziges Mitglied des Rektoratskollegiums auch nur ein einziges Mal im Institut für Klassische Archäologie, im Antikenmuseum und Schaudepot, geschweige denn in der umfangreichen, historisch sehr wertvollen Gipsabgusssammlung gewesen. Man frage sich also, ob das Rektoratskollegium wirklich wisse, worüber es entschieden hat. Weiter sei ein Brief, in dem nach den konkreten Kriterien für die Institutsschließung gefragt wurde, seit einer Woche unbeantwortet. Eine höfliche Einladung an das gesamte Rektoratskollegium, sich Institut und Antikenmuseum einmal zeigen zu lassen, sei dort vielleicht noch nicht eingetroffen, man habe also Hoffnung.

Hoffnung, aber auch Frust. Denn weiter heißt es aus dem Institut, dass für die Studierenden des Studiengangs Archäologie der Alten Welt, den die Klassische Archäologie zusammen mit der Professur für Ur- und Frühgeschichte seit Jahren erfolgreich bestreite, eine üble Situation provoziert worden sei. Denn irgendwelche konkreten Aussichten, das Studium in der notwendigen Qualität absolvieren zu können, bestünden seit dem 21. Januar dieses Jahres nicht mehr. Das Antikenmuseum mit einer Original- und Gipsabgusssammlung ist eine akademische Einrichtung. Das heißt, sie ist zu hundert Prozent von den wissenschaftlichen Leistungen der Dozenten in Forschung und Lehre und vom persönlichen Einsatz der Studierenden abhängig. So frage man sich, laut Mitteilung nun, wie es erhalten werden soll.

Universitätssammlungen seien einfach nicht direkt mit den großen Kunstmuseen zu vergleichen. Die Geschichte der Archäologie in Leipzig beginnt im 18. Jahrhundert. 1735 wurden hier überhaupt zum ersten Mal archäologische Gegenstände als authentische Zeugnisse der antiken, griechisch-römischen Kultur konsequent in die akademische Lehre einbezogen. Im Zuge von Aufklärung und Neuhumanismus haben die nachfolgenden Professoren die Leipziger Sammlung rund um ihre Institutsbibliothek zum drittgrößten, öffentlich zugänglichen Antikenmuseum an einer deutschen Universität aufgebaut. Maßgeblich unterstützt wurden sie durch eine engagierte Bürgerschaft, die zahlreiche, auch exquisite Objekte erwerben half.
Nach dem traurigen Schicksal während der beiden Diktaturen wurden Institut und Antikenmuseum mitsamt dem Schaudepot seit 1993 unter erheblichem finanziellen Aufwand und mit der Energie aller Institutsmitarbeiter weitgehend instand gesetzt. Die auch historisch wertvolle Gipsabgusssammlung steht unmittelbar vor dem letzten Schritt ihrer endgültigen Restaurierung, in der digitalen Erschließung und online-Präsentation der Original- und Gipsabgusssamlung wurden signifikante Fortschritte erzielt.

Die Zweigstelle Archäologie der Universitätsbibliothek wurde mit Hilfe sehr vieler, auch internationaler Zustiftungen zu einer stark frequentierten, griffigen Seminarbibliothek geformt. Die umfangreichen Investitionen des Freistaates Sachsen und des privaten Sektors haben längst eine zukunftsfähige Infrastruktur geschaffen. Somit wirkt die bald 300-jährige Tradition in berufsbildorientierter Lehre, intensiver Forschung und erfolgreichem Wissenschafts- und Wissenschaftlertransfer bis zum heutigen Tag fort. Institut und Antikenmuseum, beide zusammen eine ideale Plattform für thematisch orientierte Sonderausstellungen, sind eine untrennbare Lehr- und Forschungseinheit. Das eine sei ohne das andere überhaupt nicht denkbar, wie es aus Insitutskreisen lautet: Theoria cum praxi (Wissenschaft zum Wohle des Menschen): und nicht umgekehrt müsse es sein. Diese Einheit sei der Grund für die überregionale, internationale und interdisziplinäre Vernetzung des von jeher voll ausgelasteten Studiengangs mit sehr vielen engagierten Studierenden, betreut von Dozenten und zwei Honorarprofessoren, die in einer weit gefassten thematischen Breite forschen und lehren.
Die akademische Grundausbildung und das weiterführende wissenschaftliche Lehrangebot inklusive Promotionsmöglichkeit seien untrennbar verbunden mit einem berufsspezifischen Praxisbezug in der öffentlichkeitswirksamen Museumsarbeit, der zeitgemäßen Grabungs- und Feldarchäologie, der Bauaufnahme und -analyse, der Restaurierung, der Konservierung und Interpretation historischer Baudenkmäler in ihrem städtebaulichen Umfeld. Ein solches ganzheitliches Spektrum in der Lehre werde an kaum einer anderen deutschen Universität angeboten. Im Rahmen des Kernstudiums und des qualifizierenden Wahlbereichs sei nicht nur die Klassische Archäologie, sondern der ganze Studiengang Archäologie der Alten Welt fakultätsweit komplett vernetzt. Denn das Konzept der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften ziele gerade nicht auf eine eindimensionale Fachausbildung als vielmehr auf die akademische Vermittlung umfassender Bildungsinhalte je nach individueller Begabung und Interesse der Studierenden.

Innerhalb der altertums-, kunst- und kulturwissenschaftlichen Fächer erfülle die Klassische Archäologie eine Brückenfunktion, da sie in geographischer, chronologischer und kulturhistorischer Hinsicht in deren Mitte beheimatet sei. Darüber hinaus seien die Folgen einer eventuellen Schließung unübersehbar. Die vom Rektoratskollegium vorgeschlagene Streichung des bis heute traditionsreichen Leipziger Instituts für Klassische Archäologie wäre keineswegs eine lokal begrenzte Schwächung. Sie könne am Anfang einer endgültig beschlossenen Zerschlagung der in Lehre und Forschung starken geisteswissenschaftlichen Fächerkultur in Mitteldeutschland stehen. Man lehne solch ein Vorhaben mit aller Entschiedenheit ab und wende sich mit dem vehementen Protest aller Studierenden und Mitarbeiter gegen die avisierte, unbegründete Institutsschließung.

Zum Institut für Klassische Archäologie an der Universität Leipzig
www.uni-leipzig.de/antik

Anmerkung der Redakion, 31. Januar, 12 Uhr: In der Überschrift des Artikels hieß es zuvor noch “Rektorat schweigt”. Diesen Teil haben wir aus der Überschrift entfernt, auch wenn er nur eine emotional geprägte Ausage aus dem Institut für Archäologie widerspiegelt.

Am Donnerstag, 30. Januar, hat auch das Rektorat der Universität Position gegen den Kürzungsdruck der Sächsischwen Staatsregierung genommen. Veröffentlicht unter dem Titel “Kürzungszwang an Sachsens Hochschulen: Rektorat der Uni Leipzig fordert Paradigmenwechsel” auch auf der L-IZ:

Rektorat der Uni Leipzig fordert Paradigmenwechsel

“Zunächst einmal gibt es diverse öffentliche Statements, nachzulesen und nachzuhören u.a. auf der Uni-Homepage, bei Ihnen und bei Radio mephisto”, betont die Pressestelle der Universität dazu. “Zudem gab es in dieser Woche Gespräche mit Institutsvertretern der Theaterwissenschaft und Studierendenvertretern.

Dabei hat das Rektorat Verständnis für die Proteste geäußert und sich auch (nachzulesen u.a. in der LVZ) dafür entschuldigt, dass es vor der Senatssitzung keine angemessene Kommunikation mit den Institutsdirektoren gab.

Beim offenen Plenum des Studierendenrates waren drei Rektoratsmitglieder zu Gast. Prof. Dr. Hans Ulrich Cain liegt ein Gesprächsangebot vor – und seinen Brief hat Prorektor Matthias Schwarz gestern Morgen beantwortet.”

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