Sie existiert seit 111 Jahren, überstand zwei Weltkriege und die Teilung, umfasst heute über 40 Millionen Medien und gilt als „kulturelles Gedächtnis“ der Nation: Am Sonntag, dem 12. März 2023, lud die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig zum Tag der offenen Tür ein und ermöglichte Neugierigen einen seltenen Blick hinter die Kulissen des imposanten Baus am Deutschen Platz im Südosten der Stadt.

„Hut ab, dass sie in diesen zwei Jahren – und Sie wissen, dass hier der Erste Weltkrieg tobte – dieses Gebäude fertigstellen konnten“, sagt Mitarbeiterin Christine Hartmann und verweist demonstrativ auf den Grundstein des Leipziger Standortes der Deutschen Nationalbibliothek, der sich im Keller befindet – mitsamt der lesbaren Jahreszahlen 1914–1916.

In dieser nur sehr kurzen Zeit inmitten des Krieges war das Gebäude der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) in Leipzig errichtet worden, nach Plänen des Architekten Oskar Pusch (1877–1970), der extra noch auf ein paar Details achtgab: Zum Beispiel, dass das Kellerterrain durch Fenster noch etwas Tageslicht abbekam, was das Arbeiten erleichterte und zudem Energiekosten einsparte.

Vertragsschließung im Oktober 1912

Christine Hartmann machte eine von vielen Führungen, welche die DNB (bis 2006 offiziell: Deutsche Bücherei) am Sonntag anlässlich ihres 111. Jubiläumsjahres abhielt. Im Oktober 1912 hatte man den Vertrag über die Gründung der damaligen Deutschen Bücherei zwischen der Stadt Leipzig, dem Königreich Sachsen und dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig formal beschlossen. Seither werden in der Messestadt Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Karten und Datenträger gesammelt – gemäß dem Gründungsauftrag, die gesamte deutsche und fremdsprachige Literatur des Inlandes sowie deutschsprachige Literatur des Auslandes zusammenzutragen, zu katalogisieren und für die Benutzung bereitzustellen.

Zum Tag der offenen Tür am Sonntag strömten schon seit dem Morgen zahlreiche Besucher zum markanten Bau am Deutschen Platz, in dessen Foyer man der Menschenmenge wegen zuweilen schon recht laut sprechen musste, um sich zu verständigen. Staunend ließen sich die Interessierten durch die Lesesäle, Magazine und Ausstellungsräume führen.

Einstiger Sonderlesesaal für Literatur aus dem Giftschrank

Neben Exponaten und Informationen, etwa zur Geschichte des Buchdrucks und der Buchstadt Leipzig, bekamen Besucherinnen und Besucher am Sonntag bei einer „Hidden Places“ – Führung auch die sonst nicht für alle zugänglichen Bereiche des Hauses zu Gesicht – etwa die verzweigten Kellerräume, Magazine und die Rotunde unterhalb des Dachs, die einen schönen Ausblick über Leipzig bietet.

Heute ist hier ein unauffälliger Kursraum untergebracht – zu DDR-Zeiten dagegen war es der Sonderlesesaal für jene Literatur, die den Machthabern als ideologisch gefährlich galt. Einsehbar war sie nur einem sehr beschränkten Personenkreis mit Sondergenehmigung.

Auch technische Raffinessen wie das automatische Transportsystem für die hauseigenen Bücher und Medien wurden mit Staunen begutachtet.

Fünfter Erweiterungsbau geplant

Der feierlichen Einweihung des Zentralgebäudes der DNB in Leipzig am 2. September 1916 war aus Kapazitätsgründen ein erster Erweiterungsbau in den dreißiger Jahren gefolgt. Luftangriffe der Alliierten zogen das Haus während des Zweiten Weltkriegs stark in Mitleidenschaft, doch gelang die Wiedererrichtung, die durch Erweiterungen bis 2011 komplettiert wurde. Mittlerweile sind es vier an der Zahl. Der fünfte DNB-Erweiterungsbau ist bereits in Planung, bis er fertig ist, werden wohl aber noch einige Jahre ins Land gehen.

Rechts vom Haupteingang, wo heute ein Parkplatz ist, sollen dann weitere, laufende Kilometer an Medien sowie Rechner ihren Platz finden. Dorthin würden dann Bestände umgelagert und auch klimatische Bedingungen mit einkalkuliert, erklärte DNB-Mitarbeiterin Nicole Krahnert. Nicht unwichtig für verfallsanfälliges Schriftgut.

Neuer Direktor in Leipzig ab August

Bereits bei der Planung des ersten Gebäudeteils war übrigens ein Tunnelsystem mit eingebaut worden, für den Fall, dass perspektivisch ein neuer Bau auf der anderen Straßenseite unterirdisch verbunden werden könnte. Dies wurde aber nie realisiert.

In Zukunft dürfte wohl das Thema Digitalisierung für die DNB weiter eine zentrale Rolle spielen – nur eines von vielen Themen, um das sich die etwa 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Standorte Leipzig und Frankfurt/Main kümmern werden. Zudem geht der bisherige Leipziger Direktor Michael Fernau im August 2023 in den Ruhestand, die Nachfolge tritt Johannes Neuer an.

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