Mit diesem Statement ist eine alte und neue interessante Frage entbrannt. Matthias Malok (bis zum Beweis des Gegenteils ein Pseudonym) schrieb dies am 2. März unter einem Beitrag der L-IZ.de in dem Wunsch, mehr "Glaubwürdigkeit und Transparenz" herzustellen. Die Antwort der Redaktion wollten wir nicht einfach unter dem Beitrag verweilen lassen und stellen ihn hier, erweitert und begründet, als Debattenanstoß gern nochmals zur Verfügung. Anonym oder nicht - Wie hätten wir es denn gern im Netz?

Daten zur “zielgenauen Werbung”, Daten zu “statistischen Zwecken”, Daten für Analysen und Umfragen – natürlich immer zum Nutzen der Menschen. Smarter, schneller, zielgenauer soll es gehen im Netz. Daten sind der Treibstoff für die gigantischen Bewertungen an den Börsen. Da klingt das Wort Datenschutz schon aus der Ferne wie ein verstaubter Aktenordner aus Regal oben links. Wo sich Umfrageinstitute mühen, mit viel Geld an persönliche Aussagen zu gelangen, schöpft beispielsweise Facebook nicht erst seit dem Kauf von “Whats app” aus einem Meer von Informationen, Telefonnummern, Gewohnheiten, Nutzerverhalten und Gesprächsthemen zwischen Menschen. Und das mit beträchtlichem Gewinn.

Ein Meer, welches lange als “nicht filterbar” dargestellt wurde, was NSA, Facebook und Google längst widerlegt haben. Algorithmen suchen, sortieren, gewichten und analysieren längst, ohne dass eine Menschenhand im Spiel wäre.

Zu diesem Thema existiert nun seit Jahren eine netzweite Debatte – ohne Ergebnis, einmal antrainiertes Verhalten (I like it) ändert sich nur schwerlich wieder – der Entzug von Facebook heißt nicht grundlos “Entzug”.

Unser bisheriges individualisiertes Menschenbild mit der Möglichkeit, einen Tag wirklich neu zu beginnen, darüber zu bestimmen, wer was von einem weiß, steht längst zur Debatte. Jeder Mensch hat eigentlich gerade in Zeiten von NSA, Facebook, Google etc. und anderen datenhungrigen Organisationen (Verwaltungen usw.) die Frage zu beantworten, wie er sich dazu stellen möchte, dass seine Daten zum Geldverdienst, für Screenings ohne Straftatbestände (Bewegungsprofile, Nutzerverhalten etc.) oder andere Zwecke missbraucht werden. Doch kann er das wirklich? Ihm gegenüber stehen Gruppendruck, welcher angesichts der Größe der Netzriesen längst auch ein gesellschaftlicher Druck ist.
Wie gesagt: Jeder Mensch entscheidet für sich allein. Was eigentlich logisch voraussetzt, dass Netzanbieter ihm diese Wahl überlassen müssen, ihm also quasi “Dateninseln” zur Verfügung stellen, auf welche er dann nur das mitbringt, was er wirklich möchte. Zugegeben – eine Idealvorstellung, welche einen anderen Verzicht, den der großen Spieler, wie auch Amazon, Apple und Windows im Netz erfordern würde.

Über all das wurde so viel geschrieben, debattiert und gefachsimpelt – die L-IZ hat diesbezüglich starke Zurückhaltung geübt und sich als eine solche Insel definiert. Weshalb es bis heute keine Möglichkeit gibt, über das Facebook oder G+-Login zu kommentieren und die Kommentare anonym verfasst werden können. Ein “falscher Name” und eine “falsche E-Mailadresse” genügen und los geht’s. Das einzige, was wir an Daten erlangen, sind Uhrzeit des abgesandten Kommentars und die IP-Adresse des Kommentators. Keine gute Grundlage für Adress- und Verhaltensgeschäfte, wie sie an allen Orten im Netz gemacht werden. Es bleibt in der Entscheidung des Users, unter welchem (oder welchen Namen) er agiert.
Diese persönliche Entscheidung überlässt die L-IZ also mit der derzeitigen Regelung eben jenen Menschen, welche hier schreiben durch die grundlegend anonyme Möglichkeit. Der Kommentierende kann also seine Daten und die Hoheit darüber weitgehend für sich behalten, kann aber auch offen unter seinem Namen schreiben. Die wenigen, zur technischen Durchführung nötigen Daten werden, soweit dies technisch überhaupt möglich ist, durch die L-IZ.de geschützt, den Rest entscheiden die Leser. Über Verstöße gegen den guten Geschmack, das Strafrecht oder im direkten Umgang miteinander versucht die L-IZ im Interesse des Dialoges und auch des Schutzes aller User hier zu wachen.

Ein weiterer Aspekt ist für uns dabei, dass bei Lokal- und Regionalmedien im Netz die natürlich gegebene räumliche Nähe zwischen Personen noch hinzukommt, was durchaus bei Klarnamen zur Unterdrückung von Meinungen führen kann. Zu überdenken ist hier durchaus die mögliche Angst des Angestellten vor dem Chef, die Angst des Unternehmers vor “Auftragsentziehungen” – letztlich also die Zurückhaltung beim offenen Wort aus Angst vor Repressionen.

Hinzu kommt für uns, dass die angeblich mit Klarnamen agierenden Kommentarfunktionen anderer Medien Augenwischerei sind. Oder wer kann ernsthaft, ohne Vorlage, Rückprüfung und Àbgleich persönlicher Angaben behaupten, dass der “Karsten Becker” in einem Forum wirklich der “Karsten Becker” ist? Das wissen noch nicht einmal die Medien, welche diesen Eindruck suggerieren (siehe zum Beispiel die Sendung “Hart aber Fair”), da sie ansonsten einen Adressabgleich mit den Melderegistern oder den GEZ-Gebührenzahlern durchführen müssten, um dies zu garantieren. Wenn diese Sendung (ein Beispiel, da “Hart aber Fair” diesen Unsinn exponiert betreibt) dies tut, sollten sich unserer Meinung nach die Datenschützer des Landes umgehend mit der ARD auseinandersetzen.

Was jedoch alles nicht heißt, dass wir Recht haben. Vielleicht stimmen ja auch Leser der L-IZ Herrn Malok zu und wir liegen mit unseren Überlegungen falsch? Wie könnte die “Debatte im Netz” auf der L-IZ.de in der Zukunft wohl aussehen? Viel Spaß beim anonymen und offen einsehbaren Debattieren.

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