Der Termin ist noch ganz frisch im Kalender des Stadtgeschichtlichen Museums: Am Donnerstag, 21. März, 18 Uhr heißt es "Gotteshaus der Bürger. Zur Ausstattung der Nikolaikirche im 16. Jahrhundert." Da hat man doch fast ein richtig schönes Jubiläum verpasst: Am 28. März jährt sich die Grundsteinlegung zu ihrem gotischen Neubau zum 500. Mal. Die datierte Grundsteinplatte existiert noch.

Sie ist auf den 29. März 1513 datiert und befindet sich im Besitz des Stadtgeschichtlichen Museums. Ein seltener Glücksfall. Denn in der Regel verschwanden die Grundsteine ja für immer unter dem (neu) errichteten Gebäude. In diesem Fall kann Enno Bünz berichten: “Deshalb ist es ein seltener Glücksfall, dass der Grundstein der Leipziger Nikolaikirche von 1513 im Zuge von Bauarbeiten 1868 wieder aufgefunden worden ist. Es handelt sich um zwei quadratische Bleiplatten, die vermutlich zum Verschluss oder zur Abdeckung des eigentlichen Grundsteins gedient haben …”

Sogar den Mann kennt man, der den Grundstein am 29. März 1513 feierlich legte: Dr. Jakob Köhler, Propst des Leipziger Thomasstifts. Am Nikolaikirchhof war in dieser Zeit richtig was los. Ein halbes Jahrhundert, bevor die Leipziger daran gingen, ihren Marktplatz samt einem präsentablen Rathaus zum neuen attraktiven Mittelpunkt der Stadt zu machen, war der Nikolaikirchhof der Mittelpunkt städtischer Aktivitäten. 1512 hatte die Nikolaischule, die erste städtische Schule, hier ihren Betrieb aufgenommen. Zuvor waren 1511 die Vorgängergebäude abgebrochen worden. Die Schule – damals noch ohne das Eckgebäude an der Nikolaistraße – war also nagelneu. Die Kirche hingegen sah längst nicht so aus, wie man sie heute sieht.

Wann hier der erste Kirchenbau stand, wissen die Historiker nicht einmal zu sagen. Immerhin aber war die Kirche des Hl. Nikolaus der Mittelpunkt der irgendwann im 11. Jahrhundert entstehenden Neustadtgründung östlich der Ursprungssiedlung dem Schutzheiligen der Kaufleute gewidmet. Was darauf hindeutet, dass Leipzig als Marktplatz schon eine wichtige Rolle spielte. Manche Quelle vermutet, die Kirche sei wohl um 1165 – im Zusammenhang mit der Stadtrechtsverleihung durch Markgraf Otto des Reichen gebaut worden. Wobei selbst die Datierung des Stadtbriefes (nach Hallischem und Magdeburger Recht) eine knifflige Datierungsfrage ist. Ganz abgesehen davon, dass die Historiker dem kleinen im Rathaus ausgestellten Schmuckstück sehr skeptisch begegnen und den Ausstellungszeitraum von 1156 bis 1170 datieren. Möglicherweise vermerkt das kleine Papierstück eine frühere, nichtschriftliche Stadtrechtsverleihung.Vielleicht sogar in Verbindung mit der Gründung der Neustadt. Denn typisch für die frühe Städteentwicklung in Sachsen ist die Neuanlage von städtischen Siedlungen neben älteren Siedlungskernen – nach klarem Planraster. Was auch den Schwerpunkt des Ortes komplett verlagerte – weg vom ursprünglichen Siedlungskern auf dem heutigen Matthäikirchhof hin zu einer neuen städtischen Siedlung mit dem Nikolaikirchhof als Mittelpunkt – der gleichzeitig auch zum ersten Markt – dem Alten Markt der Stadtsiedlung wurde. Auch der erste Versammlungsort des Leipziger Rates soll sich ja am Nikolaikirchhof befunden haben, vielleicht auch das erste Rathaus. Der Platz war das Zentrum des städtischen Selbstbewusstseins. Und die Nikolaikirche war die wichtigste Stadtkirche.

1176 wurde die Nikolaikirche wohl erstmals gründlich umgebaut – zur romanischen Basilika. Aus dieser Zeit stammen noch Teile der Westfront. Aber im 16. Jahrhundert wurde die Kirche wohl schon als unmodern und nicht präsentabel genug empfunden. Vielleicht war sie auch schon zu klein geworden. Also wurde sie von 1513 bis 1526 im spätgotischen Stil zur dreischiffigen Hallenkirche umgebaut. Noch geprägt von zwei relativ gedrungenen Türmen auf der Westseite. Der Grundstein vermerkt auch den amtierenden Bürgermeister. Das war 1513 Bartholomäus Abt. Baumeister war Benedikt Eisenberg. Pfarrer war Ulrich Pfister, der zugleich Theologie an der Leipziger Universität unterrichtete.

Den bildprägenden Hauptturm mit seinen 73 Metern Höhe ließ dann 1555 der Leipziger Bürgermeister Hieronymus Lotter aufrichten. Das war, kurz bevor er 1556 bis 1558 das neue Rathaus der Stadt um-, neu- und ausbaute. Bevor sich das Zentrum der Stadt endgültig hinüber zum heutigen Markt verlagerte. Ein Vorgang, der wohl eng mit der Erweiterung der Leipziger Messeprivilegien zusammenhing. Heute assoziiert man zwangsläufig den Markt mit der Erfolgsgeschichte des Leipziger Messeplatzes. Nur der Straßenname Neumarkt erinnert daran, dass es vorher eine ganze Reihe Märkte in Leipzig gegeben hatte.

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Bis ins 19. Jahrhundert hieß der Neumarkt übrigens Neuer Neumarkt. Der Alte Neumarkt war die Universitätsstraße gewesen. Und der ursprüngliche Altmarkt war wohl der Nikolaikirchhof.

Aber über den spätgotischen Neubau der Nikolaikirche kann sich jeder, der mag, am Donnerstag, 21. März, ab 18 Uhr im Alten Rathaus informieren.

Es geht da nicht nur um die Grundsteinplatte der Nikolaikirche, sondern auch um das “Gotteshaus der Bürger” und die Ausstattung der Nikolaikirche im 16. Jahrhundert. Viele einstige Ausstattungsstücke aus der Nikolaikirche sind heute im Stadtmuseum zu finden. Die Nikolaikirche, nebst St. Thomas die bedeutendste Leipziger Kirche, war im späten Mittelalter mit einer Fülle von Altären und anderen Kunstwerken geschmückt. Über Umwege gelangten wertvolle Ausstattungsstücke wie zwei Grundsteinplatten und zahlreiche Tafelbilder ins Stadtgeschichtliche Museum Leipzig. Das Gespräch mit Ulrike Dura dreht sich um diese Kostbarkeiten aus der Nikolaikirche und die verschlungenen Wege, auf denen sie ins Museum gelangt sind.

Treffpunkt für die Wissensdurstigen ist am Donnerstag der Festsaal im Alten Rathaus.

www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de

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