Noch so ein Geburtstag im Jubiläumsjahr (welches Jahr ist in Leipzig eigentlich mal kein Jubiläumsjahr?): Am Donnerstag, 21. März, wäre der Dichter Jean Paul 250 Jahre alt geworden. Das hat auch mit Leipzig zu tun, denn hier erlebte er als Student "Hungerjahre in Leipzig". So hieß 2003 der erste Band aus dem Lehmstedt Verlag. Er versammelte die Briefe des hungernden Studenten aus den Jahren 1781 bis 1784.

Da hieß der Bursche noch ganz offiziell Johann Paul Friedrich Richter, geboren am 21. März 1763 in Wunsiedel. Er kam 1781 zum Theologiestudium nach Leipzig, lebte im Gasthof “Zu den drei Rosen” und beschloss – das muss in Leipzig wohl irgendwie in der Luft liegen – doch lieber Schriftsteller zu werden. Mit den für Leipzig ebenso typischen Folgen. Finde mal einen Verleger, wenn du noch keinen Namen hast. Seinen Vermieter verärgerte er, indem er sich die Haare kurz schneiden ließ und mit freiem Hals und offenem Hemd herumspazierte. 1784 musste er Leipzig fluchtartig verlassen – die Gläubiger waren ihm auf den Fersen.

Man könnte eigentlich mal ein dickes Buch über all die berühmten Leute schreiben, die mal aus Leipzig fliehen mussten. Die meisten von Gläubigern gejagt.

Als er 1797 wieder nach Leipzig zurückkam, war er berühmt – und die betuchten Leipziger luden ihn ein, bei ihnen zu wohnen. So sind sie, die Leipziger Kaufleute. Spendabel und gastfreundlich werden sie erst, wenn ihr Gast eine berühmte Nase hat. Oder einen mittlerweile berühmten Namen. 1792 hatte sich der abgebrochene Theologiestudent einen Schriftstellernamen gegeben: Jean Paul. Das klingt nicht nur französisch, das war auch französisch gedacht – die Revolution hatte gerade den ganzen Kontinent verblüfft. Doch es war nicht der Revolutionär Jean Paul Marat, nach dem er sich (um-)benannte, sondern der Philosoph Jean Paul Rousseau. Das ging in Deutschland noch.

Am 21. März 2013 hätte Jean Paul seinen 250. Geburtstag gefeiert. Doch was schenkt man einem Jubilar, der keine Geschenke mehr in Empfang nehmen kann?

Der in Bayreuth (Jean Pauls Sterbeort) beheimatete Verein Jean Paul 2013 hat sich dafür ein besonderes Präsent ausgedacht: eine überregionale Litfaßsäulen-Ausstellung – 25 Orte in fünf Bundesländern und der Tschechischen Republik bilden eine Landkarte der Orte, in denen Jean Paul lebte und arbeitete und die er bereiste.
Ganz ungefeiert geht sein Geburtstag an Leipzig nicht vorbei

Auch Leipzig schenkt dem Jubilar eine Litfaßsäule, die im Innenhof der Universität, im Campus Augustusplatz, stehen wird. Dort wird sie am Donnerstag, 21. März, um 14 Uhr durch Dr. Jens Blecher, den Leiter des Universitätsarchivs, enthüllt.

Eingebettet in die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Geschehnisse seiner Zeit, wird Jean Pauls Lebensweg und mit Zitaten sein Werk dargestellt. Auf jeder Litfaßsäule ist ein Bereich den lokalen Bezügen und Ereignissen vorbehalten. So entsteht eine ungewöhnliche, informative und individuelle Erinnerungsausstellung an den fränkischen Dichter, die ihresgleichen sucht.

Die Säulen, die bis vor wenigen Wochen ein verborgenes Dasein in einem Hinterhof fristeten, wurden von der Firma Ranger Design in Stuttgart entworfen und hergestellt. Für die Inhalte fanden sich in den jeweiligen Städten “Jean-Paul-Teams” zusammen, und sie recherchierten die Spuren, welche Jean Paul in ihrem Ort hinterlassen hat. Bernhard Echte, Publizist und Vorstandsmitglied des Vereins Jean Paul 2013, und Julia Knapp, Geschäftsführerin des Vereins, wirkten als Kurator und Organisatorin an der Entwicklung der Ausstellung mit.Begleitend zu der Litfaßsäulen-Ausstellung erscheint der “Jean Paul Taschenatlas”. Diese Publikation dient als literarischer Reiseführer; er dokumentiert und vertieft die Informationen der Litfaßsäulen. Aktuelle Stadtpläne führen zu den Wohnadressen und zu den Orten biografischer Geschehnisse. Der “Jean Paul Taschenatlas” erscheint im Verlag “Nimbus. Kunst und Bücher”.

Jean Paul und sein “Tinten-Universum” bekommen auch im MDR eine Würdigung

Anlässlich des 250. Geburtstags widmet sich das Kulturradio des MDR, Figaro, diesem großen deutschen Erzähler. Zu hören sind die Ursendung eines Porträts am Sonntag, 17. März, 19.05 Uhr sowie ein Figaro Spezial an seinem Geburtstag, am 21. März, um 18.05 Uhr.

Jean Paul, geboren am 21. März 1763 im oberfränkischen Wunsiedel als Johann Paul Friedrich Richter, schuf eine Welt aus Schrift, ein “Tinten-Universum”, wie er es selbst nannte. Der Autor des “Schulmeisterleins Wutz”, des “Hesperus”, des “Siebenkäs”, des “Titan” und vieler anderer Werke war der wildeste und witzigste Erzähler der Goethezeit, seine Romane sind “atemberaubende Feuerwerke der Einbildungskraft”, wie Gunter de Bruyn es nannte. Dennoch blieb er bis heute einer der bekanntesten Unbekannten.

Unter dem Titel “Eine Milchstraße von Einfällen: Jean Paul” sendet MDR Figaro am Sonntag, 17. März, 19.05 Uhr, ein Porträt des Mannes, der vielen als der bedeutendste Prosaautor deutscher Sprache galt und gilt. Autor Michael Schulte nimmt die Hörerinnen und Hörer mit zu wichtigen Stationen von Jean Pauls Leben.

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Was lässt Jean Pauls Werk heute noch strahlen? Welcher Genuss lässt sich aus der Lektüre seiner Bücher ziehen? Und wie hat sein Werk nachfolgende Schriftsteller beeinflusst? Am Tag des Jubiläums seines 250. Geburtstags, am 21. März, sind im Tagesprogramm bei MDR Figaro kleine Splitter aus Jean Pauls lebenslanger Aphorismen-Sammlung zu hören. In einem Figaro-Spezial von 18.05 bis 19 Uhr wird Ulf Heise die drei aktuell erschienenen Jean-Paul-Biografien von Beatrix Langner, Helmut Pfotenhauer und Günter de Bruyn vorstellen und kritisch würdigen. MDR Figaro-Literaturredakteur Michael Hametner ist im Gespräch mit einem der besten Jean-Paul-Kenner Deutschlands, mit dem Schriftsteller Eckhard Henscheid, der 2009 den bayrischen Jean-Paul-Preis erhalten hat.

Und wer richtig viel Jean Paul erleben möchte, der reist nach Bayreuth.

Denn Bayreuth gehört nicht nur Richard Wagner. Die Stadt Bayreuth feiert am 21. März den Geburtstag Jean Pauls und beschenkt den Jubilar gleich mehrfach. Um 14 Uhr öffnen sich die Pforten des neu gestalteten und sanierten Jean-Paul-Museums. Am Abend um 19 Uhr lädt die Stadt zu einem Festakt zu Ehren Jean Pauls in die Bayreuther Stadthalle. Brigitte Kronauer hält die Festrede für ihren “Hausheiligen ersten Grades”. 2011 wurde die Autorin mit dem Jean-Paul-Preis ausgezeichnet. Regierungspräsident Wilhelm Wenning präsentiert in diesem feierlichem Rahmen die Gewinnerinnen und Gewinner des Internationalen Kompositionswettbewerbs “Wär’ ich ein Ton” des Vereins “Jean Paul 2013”. Es folgt die erste Uraufführung.

Website der Stadt Bayreuth: www.bayreuth.de

MDR Figaro: www.mdr.de/mdr-figaro/index.html

Mehr zum Geburtstag und zu den Jean-Paul-Litfaßsäulen:
www.jean-paul-2013.de

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