Am Donnerstag, 6. Februar, jährt sich der 200. Geburtstag Karl Grauls, der 1843 als erster Direktor der Evangelisch-Lutherischen Missionsgesellschaft zu Dresden berufen und 1844 eingeführt wurde. Der 1814 im anhaltischen Wörlitz in einfachen Verhältnissen geborene Theologe gehört zu den prägenden Gestalten der deutschen Missionsgeschichte und stellte als Missionsdirektor entscheidende Weichen für die bis heute andauernde Arbeit des Leipziger Missionswerkes (LMW).

Seine missionstheologischen Grundaussagen sind heute noch teilweise gültig und verraten seine biblische Basis und seinen Weitblick: Er wollte “Mission zur Sache der ganzen Kirche”, nicht nur einzelner Missionsfreunde machen; die kulturelle Identität der Völker erhalten und selbständige einheimische Kirchen aufbauen.

Neben der lutherischen Profilierung ging es ihm um eine wahrhaftige und sachliche Berichterstattung. Der in Missionskreisen übliche erbauliche Stil war ihm ein Gräuel. Er trieb die Verlegung der Dresdener Missionsgesellschaft nach Leipzig voran, da die Theologische Fakultät der Universität Leipzig als der geistige Mittelpunkt des Luthertums in Deutschland galt.

Graul legte Wert auf eine gründliche theologische, sprachliche und volkskundliche Ausbildung der Missionare, verlangte Verständnis für nationale Eigentümlichkeiten und Sitten und eine “liebende Hingabe an Geist und Sprache der Völker”. Selber außerordentlich sprachbegabt beherrschte er neben den klassischen Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch auch Italienisch, Französisch, Englisch sowie Tamil, Persisch, Sanskrit und Hindustani.

Während seines eigenen vierjährigen Aufenthalts in Südindien (1849 bis 1853) setzte Graul sich intensiv mit der indischen Kultur auseinander. Er verlangte nicht, dass mit der Bekehrung zum Christentum die Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Kaste aufgegeben wurde. Dies führte zum sogenannten Kastenstreit und dem Bruch einiger Indien-Missionare mit der Leipziger Mission. Graul übersetzte mehrere tamilische Texte ins Deutsche und schrieb eine tamulische Grammatik. Von der “Bibliotheca Tamulica” konnte Graul vier Bände abschließen. Mit seinen Kenntnissen galt er als einer der bedeutendsten deutschen Dravidologen (Indologen) des 19. Jahrhunderts.Unter seiner 18-jährigen Leitung stiegen die Einnahmen der Mission um das Zehnfache. Aus einer sächsischen Gesellschaft war ein gemeinsames Missionswerk aller lutherischen Länder und Kirchen entstanden.

1860 übergab Graul sein Amt an Julius Hardeland und zog 1861 nach Erlangen. Die dortige Theologische Fakultät hatte ihm bereits 1854 die theologische Doktorwürde verliehen. Als erster Deutscher habilitierte sich Graul als Missionswissenschaftler 1864 mit der Schrift “Über Stellung und Bedeutung der Mission im Ganzen der Universitätswissenschaften”. Durch seine Lehrtätigkeit in diesem Bereich gilt er als Mitbegründer der neueren deutschen Missionswissenschaft. Seine öffentliche Habilitationsvorlesung im Juni 1864 sollte aber zugleich sein Abschiedswort sein. Er verstarb am 10. November 1864.

In einem Nachruf auf Karl Graul ist zu lesen: “Die Mission aus dem Halbdunkel sentimentaler Gläubigkeit zur Mittagshelle gläubiger Wissenschaftlichkeit hinzuführen, sie aus dem Hinterstübchen der Pfarrhäuser in die Kirchen, aus den Conventikeln in die Gemeinden zu verpflanzen – das war die Lebensaufgabe, die er sich fortan stellte, und er hat dies Ziel erreicht.””Vorwärts oder Rückwärts – Wohin wollt ihr?”, so fragte er 1845 provokativ “die evangelisch-lutherische Kirche aller Lande” in einer öffentlichen Erklärung und Mahnung. Immer wieder erinnerte er die Verantwortlichen daran, dass eine Kirche ohne ein Bekenntnis zur Mission sterben würde.

“Rückblickend auf sein Lebenswerk können wir heute feststellen, dass er mit seiner Mahnung Erfolg gehabt hat. So finden wir heute in den Verfassungen unserer beiden Trägerkirchen ein deutliches Bekenntnis zur Mission”, sagt der heutige Direktor Volker Dally.

Dem Menschen Karl Graul und seinem Lebenswerk mit den unterschiedlichen Facetten sind unterschiedliche Veranstaltungen gewidmet. Den Auftakt dazu bildet eine Feierstunde am Abend seines Geburtstages, dem 6. Februar 2014, 18 Uhr, in der Kapelle des Leipziger Missionshauses.

www.leipziger-missionswerk.de

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