Moderne Zeiten haben ein Problem: Sie passen nirgendwo hinein. Auch nicht ins zweite Obergeschoss des Alten Rathauses, wo die Ausstellung zu den letzten 200 Jahren der Leipziger Stadtgeschichte vor zwei Jahren eröffnet wurde. Noch nicht ganz fertig. Ein paar Nischen blieben noch frei. Insbesondere zwei "Identitätsinseln", wie Museumsdirektor Volker Rodekamp sie nennt.

Vier solcher Seiten-Kabinette haben sich die Museumsmacher ausgedacht. Während im Hauptteil der Moderne-Ausstellung die ganze Sache linear erzählt wird von der Völkerschlacht bis in die Gegenwart, sollten die “Identitätsinseln” sichtbar machen, was die Leipziger mit ihrer Stadt identifizieren. Fertiggestellt waren bislang die “Inseln” zur Buchstadt und zur Sportstadt. Am Sonntag, 14. Juli, um 16 Uhr werden nun ganz offiziell auch die beiden neu gestalteten Inseln präsentiert.

Die eine widmet sich der Musikstadt Leipzig, die andere der Messestadt. Beide befinden sich auf der östlichen Seite des 1.200 Quadratmeter großen Ausstellungsraumes, außerhalb der eigentlichen “Moderne”-Ausstellung. Die Musikstadt passiert der Besucher, wenn er durch den langen Verbindungsgang zum Anfang der Zeitleiste geht. Ein paar strenge Gipsköpfe schauen ihn an. Und auch der zweite Blick bestätigt: Es überwiegt das 20. Jahrhundert, es dominiert das klassische, großbürgerliche Leipzig mit seinen drei prägenden Musikinstitutionen Gewandhaus, Konservatorium und Thomanerchor. Für den steht sogar das große Holzmodell der Thomaskirche in der Ecke. Manches drängt sich dicht beieinander. Die Totenmaske Felix Mendelssohn Bartholdys liegt nicht weit entfernt vom Gipsabguss der Hände der Klaviervirtuosin Clara Schumann.”Die ausgewählten Stücke sollen die enge Vernetzung der Leipziger Musikinstitutionen zeigen”, sagt Kerstin Sieblist, die im Stadtgeschichtlichen Museum für die Musik zuständig ist. Und die natürlich nicht ein Drittel von dem in der Kabine unterbringen konnte, was sie sich gewünscht hatte. Ein Blüthner-Klavier steht in der Ecke, stellvertretend auch für die Leipziger Musikinstrumentenbauer. Das Hammerklavier Wagners, das nun wirklich endlich Leipzig gehört, wird in der Ecke keinen Platz mehr finden. Dafür sieht man Wagners Locke und auch die große Tradition der Leipziger Musikverlage kommt ins Bild.

Eng wird’s dabei mit allem, was das 20. Jahrhundert und was die Populär-Musik betrifft. Die Gitarre Peter Cäsar Gläsers ist zu sehen und ein Flyer erinnert an die berühmte Beat-Demo. Es sieht ganz so aus, als müsse das ganze Feld der nicht-klassischen Musik in Leipzig erst einmal gründlich erarbeitet werden.Hören kann man Vieles. An jeder Vitrine findet man eine Hörstation, mit der man in die Klänge der Vergangenheit eintauchen kann. Und an einem Bildschirm-Terminal kann man sich in die Leipziger Musikgeschichte hineinklicken.

Für viele Besucher wird die “Musikstadt” die erste Station sein auf ihrem Weg durch die “Moderne”. Und man ahnt hier schon, dass das eine lange Tour wird mit vielen Hör- und Seh-Stationen. Deswegen wird mancher froh sein, dass die “Messestadt” eher eine visuelle Station ist, die die Allgegenwart der Messe in der Leipziger Stadtgeschichte noch einmal sichtbar macht. Und so ein bisschen auch ahnen lässt, dass das die meiste Zeit eben nicht die bedingungslose Faszination war, sondern eine tief verwurzelte Liebe zum Handel und zur weltweiten Kommunikation. “Die Messe hat Leipzig auch immer zur Weltstadt gemacht”, sagt Rodekamp.

Ebenfalls eröffnet wird am Sonntag das “Museumslabor”. Zu finden ganz am Ende des Ausstellungsraumes auf der Südseite des Geschosses. Da staunten selbst die Journalisten, die diesen Raum auch noch nie gesehen hatten. Irgendwann in den glorreichen 1980er Jahren hat sich hier die Museumsleitung ein im Geschmack der Zeit ausgestattetes Schmuckkästchen als Büro oder Empfangsraum ausbauen lassen – mit Glasvitrinen, Sitznische und Paneelen selbst an der Decke. Wer die zeitaufwändige Ausstellung zur “Moderne” durchgestanden hat, kann sich hier ausruhen. Eine Sitzgruppe mit Sesseln lädt ein. “Hier sollen die Besucher vor allem die jüngeren Publikationen zur Stadtgeschichte vorfinden und darin blättern”, verspricht Volker Rodekamp.

Ganz in Weiß gehalten ist eine Fensternische mit zwei Computer-Arbeitsplätzen, wo man sich multimedial noch einmal zu allem informieren kann, was man eben erlebt hat. Und eine Sitzgruppe an der südlichen Fensterfront lädt ein, sich mit dort angebrachten iPads zu beschäftigen, die zu einer kleinen digitalen Reise in die beiden letzten Jahrhunderte einladen. Es gibt auch Hör- und Spielstationen. Und Kaffee soll’s geben, verspricht der Museumsdirektor. Wer in dieses “Museumslabor” eintritt, soll sich wirklich erholen können, alles noch mal sacken lassen können und – wo Fragen aufgetaucht sind – in aller Ruhe recherchieren können. Eine Ruheinsel, aus der der Blick hinaus auf Markt, Naschmarkt und Grimmaische Straße geht.

Mit dem PCs kann man auch auf das neue Angebot auf der Website des Stadtgeschichtlichen Museums zugreifen.

Aber was man dort findet, das erzählen wir morgen an dieser Stelle.

www.stadtmuseum-leipzig.de

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