Dass in der Zeit der Nazis so einiges in den Beständen unserer Museen gelandet ist, was zuvor anderen Menschen geraubt worden ist, ist schon länger bekannt. Aber wie findet man heraus, welche Sammlungsstücke das sind, woher sie kommen und wem sie eigentlich gehören? Das ist eine aufwendige Tätigkeit, für die man in der Regel extra Personal braucht, das Stück für Stück den Fundus daraufhin untersucht. Das Stadtgeschichtliche Museum startet jetzt so eine Suche.

Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig forschte in den vergangenen Jahren immer wieder und in unregelmäßigen Abständen in den unterschiedlichsten Sammlungsbereichen nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Diese Forschungen waren stets besonders gefördert, meist durch entsprechende Projekte des Bundes oder engagierter Stiftungen. Sie waren freilich auch zeitlich und thematisch eng begrenzt. Meist zeigte gerade das, was die darin beschäftigten Forscher herausfanden, erst so richtig, wie umfangreich die fragwürdigen Bestände sind und wie schwierig der Nachweis des tatsächlichen Erwerbs.

Denn auch die Museumsmitarbeier der NS-Zeit wussten sehr wohl, dass einige der ihnen angebotenen Bestände eine sehr fragwürdige Herkunft hatten. Da war ein lückenloser Nachweis der Herkunft nicht wirklich erwünscht.

Doch gerade durch diese punktuellen Forschungen ist nun bekannt, dass sich auch in den Beständen des Stadtgeschichtlichen Museums Objekte mit „verdächtigen“ Provenienzen befinden, insbesondere im Sammlungsbereich Kunst und Kunsthandwerk.

Gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste soll daher nun im Museum dieser Sammlungsbereich systematisch geprüft werden, um NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter zu identifizieren, teilt das Stadtmuseum mit.

Durch Schenkungen, Ankäufe im Rahmen von Auktionen, Überweisungen oder Tauschgeschäften gelangten Kunstwerke ins Museum, die eine Prüfung der Erwerbungen zwischen 1933 bis 1945 erforderlich machen.

Eine umfängliche Dokumentation der jeweiligen Objekte wurde selten ausgeführt, sodass nur wenige Biografien sowie Vorbesitzer bekannt sind. Zunächst werden im Rahmen dieses Forschungsprojekts die Gemälde und Plastiken sowie Grafiken (Aquarelle, Zeichnungen) untersucht, sodass 325 Provenienzen systematisch aufgearbeitet und Beziehungen zu lokalen Kunsthändlern und städtischen Ämtern herausgearbeitet werden, um einen besseren Überblick über die Strukturen zu erhalten. Es besteht Handlungsbedarf.

Und man weiß in einigen Fällen auch schon, wo denn gesucht werden muss. So wird man sich mit den Erwerbungen und Schenkungen aus der Leipziger Kunsthandlung von Curt Naubert oder dem Versteigerungshaus Hans Klemm umfassend beschäftigen, da es sich hierbei um Unternehmen handelt, die am NS-Kulturgutraub beteiligt waren und sich somit hohe Verdachtsmomente hinsichtlich eines NS-verfolgungsbedingten Entziehungshintergrundes ergeben.

Beide Häuser hatten in großem Umfang ehemaligen jüdischen Besitz übernommen, als die jüdische Bevölkerung zunehmend den Repressionsmaßnahmen der Nazis unterlagen, ihre Wohnungen verloren und deportiert wurden. Und das in den seltensten Fällen auf eine rechtmäßige Weise.

Wichtige Erkenntnisse und Ergebnisse des Forschungsprojektes sollen, so kündigt das Stadtmuseum an, auf der Webseite des Museums veröffentlicht werden. In der Sammlungsdatenbank sollen die recherchierten Provenienzen ausführlich dokumentiert werden und zum Abschluss des zweijährigen Projekts soll auch eine Publikation mit den Forschungsergebnissen veröffentlicht werden.

Das Projekt wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert.

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