Kunst ist manchmal schneller als die Welt da draußen. Während noch heftig über Maskenpflicht diskutiert wurde, machte sich der Leipziger Fotograf Michael Zettler an die Arbeit und verwandelte das ganze Maskenproblem in ein Kunst-Projekt. Seit dem 10. Juli ist es in der Ausstellung „Zwischen“ in der ODP Galerie in der Rolf-Axen-Straße 35 in Kleinzschocher zu sehen. Und das auch nur bis Donnerstag, 16. Juli. Ein echtes Zwischen-Projekt eben.

Denn geplant war die Ausstellung nicht. Aber weil sie ein Thema der Gegenwart so eindrucksvoll auf den Punkt bringt, wollte die ODP Galerie die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und schob die Fotoausstellung noch schnell dazwischen, bis am 17. Juli die Künstler/-innen der Galerie ihre Gruppenausstellung eröffnen.

„In den vergangen Wochen haben wir ja alle ganz neue Bilder in der Öffentlichkeit gesehen. Durch die Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und im Nahverkehr sind alle Menschen mit einem Mal versteckt und sehen teils recht gleich aus … Früher haben wir, auch ohne genau hinzuschauen, immer die Gesichter, die Mimik der anderen wahrgenommen. Das ist nun nicht mehr möglich, unsere soziale Wahrnehmung verändert sich“, heißt es in der Einladung der Galerie.

„Dieses Unbehagen, dieses Nicht-Sehen im sozialen Umfeld aber auch diesen Effekt der äußerlichen Gleichheit habe ich in den vergangenen Wochen in einem Fotoprojekt reflektiert. (…) Da wir mit der ODP Galerie dieses aktuelle Projekt noch vor deren geplanter Sommer-Ausstellung zeigen wollten, haben wir uns sehr kurzfristig entschieden, für eine Woche die Bilder zu zeigen.“

Michael Zettler, Ausstellung "Zwischen". Foto: ODP Galerie
Michael Zettler, Ausstellung „Zwischen“. Foto: ODP Galerie

Dabei verblüffen Zettlers Aufnahmen dadurch, dass sie die Fotografierten eben nicht mit Maske zeigen, sondern Kinn, Mund und Nase in weißer Schminke quasi „verschwinden“ lassen. Sie sind noch zu sehen – und trotzdem wirken die Gesichter wie zweigeteilt, der obere Teil lebendig, der untere wie verschlossen. Das Gefühl ist wohl allgemein: Ein wichtiger Teil der sonst selbstverständlichen Kommunikation über Mimik geht verloren. Das Unbehagen spüren ja nicht nur Künstler.

Doch der Verzicht auf die Maske in Räumen mit viel Publikum ist ja nur bedingt ein Akt der Rebellion, eher einer der Verzweiflung. Denn wer auf die Maske verzichtet, erhöht ja ganz bewusst das Risiko einer Tröpfcheninfektion. Der notwendige Schutz gegen das Virus greift eine ganz sensible Stelle im Selbstverständnis unserer offenen Gesellschaft an. Man wird sehr nachdenklich vor diesen Bildern.

Aber wer sie sehen möchte, muss die nächsten zwei Tage nutzen. Es ist wirklich nur eine Zwischen-Ausstellung.

Ausstellung: „Zwischen“, Fotografien von Michael Zettler, 10. bis 16. Juli in der ODP Galerie, Rolf-Axen-Straße 35, 04229 Leipzig. Öffnungszeiten: täglich 15–18 Uhr.

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