Die Leipziger Nikolaikirche war als Ort für die Buchpremiere bewusst gewählt. Am Ort der Friedensgebete stellte Sabine Ebert am Donnerstag, 14. März, ihren neuen Roman "1813 - Kriegsfeuer" vor. Er handelt von der Völkerschlacht und den Entwicklungen in den Monaten zuvor. Nikolaipfarrer Bernhard Stief mahnte zum Abschluss, aufzustehen gegen Ausgrenzung.

Wer weiß, ob man in Leipzig noch von der Völkerschlacht spräche, stünde nicht im Süden der Stadt seit knapp 100 Jahren das Völkerschlachtdenkmal. Die Stadt hat die Verluste und Verwüstungen der Schlacht schrittweise überwunden und hernach eine imposante Entwicklung genommen.

In der postheroischen Bundesrepublik gibt es keine staatsamtliche Erzählung, in der die Schlacht und die Befreiungskriege eine konstitutive Rolle spielen. Auch die Bundeswehr kommt ohne Heldenmythen aus. Sprichwörtlich wie Waterloo wurde die Leipziger Schlacht auch nicht. Keine Pop-Band trug den Namen Leipzigs mit einem Grand-Prix-Siegerhit in die weite Welt, wie es ABBA 1974 mit Waterloo gelang.

Gleichwohl wabert so manches aus der zeitgenössischen Propaganda des frühen 19. Jahrhunderts noch durch das kollektive Gedächtnis der Deutschen und so manche Schulstunde. Das geht bei “Völkerschlacht” los und hört bei “Befreiungskriege” noch lange nicht auf.

Mit all dem will Sabine Ebert aufräumen. Drei Jahre hat sie dafür recherchiert, sich von Experten beraten lassen. Um die Aura des Ortes zu spüren, ist sie eigens nach Leipzig gezogen.Am Donnerstagabend nun die Buchpremiere in der bis in die Empore gefüllten Leipziger Nikolaikirche. Ihre erfolgreichen Hebammen-Romane über die Zeit des Mittelalters habe Sabine Ebert immer in einer Nikolaikirche vorgestellt, nämlich der im sächsischen Freiberg, erinnerte Hausherr Pfarrer Bernhard Stief.

Ebert habe einen Antikriegsroman geschrieben, kein Schlachtenepos, so Stief. “Ein Buch wider den Krieg” zu präsentieren, dafür sei die Leipziger Nikolaikirche prädestiniert, befand der Hausherr. Schließlich fänden in St. Nikolai seit über 30 Jahren Friedensgebete statt, die während der Friedlichen Revolution 1989 wichtige Impulse gegeben hätten.

Das kurze Friedensgebet am Ende der Buchpremiere solle daran erinnern, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist, unterstrich Pfarrer Stief. Er mahnte dann zum Abschluss der Veranstaltung, gegen Ausgrenzung von Menschen aufzustehen und in Europa weiter den nötigen Sinn für Gemeinsamkeiten zu finden.

Ein Wandteppich mit vielen Handlungsknoten
Gleichzeitig Sachbuch, aber auch Roman sei das neue Werk, lobte Dr. Hans-Peter Übleis, Verlagsleiter von Droemer Knaur. Er verglich “1813 – Kriegsfeuer” mit einem Wandteppich, der bei näherer Betrachtung viele kunstvoll verwobene Handlungsknoten offenbare. Die Handlung sei zu 90 Prozent historisch verbürgt. Sabine Ebert sei es in ihren Recherchen mehr um das Finden, als um das Erfinden gegangen.

Die Dimensionen des Grauens

Nach dem Desaster des napoleonischen Russland-Feldzuges 1812 suchten im Jahre 1813 die beteiligten Mächte die Entscheidung. Machterhalt und Machtausbau trieben die Kaiser von Frankreich, Russland und Österreich sowie die Herrscher Preußens und Schwedens. Die, die gegen Napoleon zu Felde zogen, wollten zugleich in Europa die alte monarchische Ordnung aus der Zeit vor der Französischen Revolution von 1789 wiederherstellen.

So, wie die Truppen im Frühjahr 1813 nun einmal verteilt waren, schien für alle Seiten als Ort der Entscheidungsschlacht die Leipziger Tieflandsbucht die “logische Wahl”. All das beschreibt Sabine Ebert im Prolog ihres Romans. Er ist einer von fünf Kapiteln, aus denen sie bei der Buchpremiere liest.Die anderen Textpassagen handeln von den Dimensionen des Grauens. Eine Schlacht mit 500.000 Soldaten ist nun einmal kein fröhliches Wochenendevent in Fortsetzung mittelalterlicher Ritterturniere. Für ein solches Unterfangen nimmt die Kriegsmaschinerie über Monate ganze Landstriche in Beschlag.

Erste, im Wortsinne verheerende Regel der Kriegsführung: Die Soldaten versorgen sich in der Region, in der sie sich aufhalten. Nahrungsknappheit für die Zivilisten und Verwandlung allen Mobiliars in Feuerholz ist damit programmiert.

So bestellt am 15. Oktober 1813 der Sanitätschef der französischen Armee, Dominique Jean Larrey, die Leipziger Verantwortlichen ein. “Sind sie darauf vorbereitet, in den nächsten Tagen hunderttausend Verwundete aufzunehmen?”, fragte er die Herren gerade heraus.

Und das in einer Stadt, deren Kapazitäten schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausreichten, Bürger und Verwundete zu versorgen. Es fehlt eigentlich an allem: an Brot, Verbandsmaterial, Lazarettstroh als Lagerstatt und vor allem Platz. Der qualvolle Tod vieler Tausender war also von Anbeginn ein kalkulierter Teil des Kampfgeschehens.

Von den fürchterlichen Szenen in der Stadt berichtet Henriette Gerlach. Die junge Frau ist eine der fiktiven Hauptfiguren des Romans. Das Pathos der Befreiungskriege ist ihr fremd. Spätestens, seit sie im Mai 1813 in ihrer Heimatstadt Weißenfels einen französischen Soldaten tötete, um sich und ihren jüngeren Bruder zu schützen. Auch das ist eine Facette des Krieges.

In Weißenfels, dann bei ihrem Onkel in Freiberg und schließlich im Herbst in Leipzig übt Henriette durch das Pflegen von Verwundeten und die Begleitung von Sterbenden tätige Buße. Ihre Erlebnisse führen uns vor Augen, in welchen Dimensionen Tod und Zerstörung in jenen Oktobertagen 1813 in Leipzig wüteten.

Sachsens König, Friedrich August I. (1750 – 1827), hingegen war auch im Angesicht der Zerstörungen der Schlacht mit sich im Reinen, wie Sabine Ebert erzählt. Nach der Niederlage Napoleons plante er sofort ein Arrangement mit den Siegern zum Erhalt seiner Macht. Und schlief ruhig und fest, wie jede Nacht.

Sabine Ebert “1813 – Kriegsfeuer”, Droemer Knaur, München 2013, 928 Seiten, ISBN: 978-3-426-65214-5

www.sabine-ebert.de

www.droemer-knaur.de

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