Es ist Herbst. Das lässt einen frösteln und schauern. Oder weckt die Vorfreude auf den Literarischen Herbst, der vom 19. bis 26. Oktober wieder in Lesungen und Diskussionen lockt, wo es um all das geht, was die langen Herbstnächte wieder gemütlich und aufregend macht: Lesestoff. Und zwar vom Feinsten. Mit deutlich mehr bekannten Namen als in den vergangenen Jahren, denn der Literarische Herbst hat sich als Literaturfestival einen Namen gemacht. Das Podium lockt auch Autoren, die man sonst selten in Leipzig sieht.

Was auch an Kooperationen liegt, die ihre Früchte tragen – so mit dem Literaturinstitut, dem Börsenverein und der Deutschen Nationalbibliothek. Man schätzt einander, sieht, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Und so wird der Literarische Herbst auch von Namen erleuchtet wie Omri Boehm, Peter Sloterdijk, Karl Schlögel und Herbert Grönemeyer.

Grönemeyer im Gewandhaus? Da steigt die Ticketnachfrage sofort an. Obwohl es am 19. Oktober eigentlich um die von Michael Lentz vorgelegte Biografie „Grönemeyer“ geht. Ein Dichter und ein Sänger im Gespräch über Musik, Literatur, Politik und ein außergewöhnliches Leben. Auch das ist Literaturerlebnis.

Genauso wie am Montag, 20. Oktober, das Gespräch von Karl Schlögel mit Stephan Detjen im Festsaal des Alten Rathauses. Eine Veranstaltung, die längst ein Leipziger Klassiker ist. Denn Schlögel ist der aktuelle Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels. Und den lädt der Börsenverein jedes Jahr auch nach Leipzig ein. Natürlich ins Alte Rathaus.

Götz Aly. Foto: Susanne Schleyer
Götz Aly. Foto: Susanne Schleyer

Während man den Philosophen Omri Boehm diesmal (am 20. Oktober) in der Deutschen Nationalbibliothek erleben kann, wo er mit Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, über ein Land spricht, über das sich heute die Menschen heillos zerstreiten können: Israel.

Und zwar mit Vorlauf. Denn wer die israelische Geschichte seit 1948 nicht kennt, versteht „ein Land an der Grenze“ nicht wirklich. Das Gespräch wird mit Garantie ein nachdenklicher Beitrag zu erhitzten Debatte.

Und wo es schon einmal um Geschichte geht, kann man auch gleich noch über die irritierende deutsche Geschichte von 1933 bis 1945 reden, so wie es der bekannte Historiker Götz Aly am 21. Oktober mit Alexander Cammann in der Bibliotheca Albertina tun wird.

Ozan Zakariya Keskinkılıç. Foto: Max Zerrahn
Ozan Zakariya Keskinkılıç. Foto: Max Zerrahn

Aber der Literarische Herbst lebt natürlich nicht nur von großen Namen. Schon traditionell gehört zu seinem Profil die junge Literatur. Und zwar ganz vorn angefangen: bei den Debütanten, denen jedes Jahr das Format „Beste erste Bücher“ gehört, zu dem eine gestrenge Jury die aus ihrer Sicht vielversprechendsten Debütanten einlädt.

Etwas, was auch die Leipziger Buchmesse zunehmend wieder in den Mittelpunkt rückt, die hier mit dem Literarischen Herbst kooperiert. Und wer sie noch nicht gelesen hat, kann sie am 21. Oktober im Passage-Theater kennenlernen: Natalja Althauser mit „Dunkelholz“, Ozan Zakariya Keskinkılıç mit „Hundesohn“, Sophia Klink mit „Kurilensee“ und Maya Rosa mit „Moscow Mule“.

Welche Macht hat Literatur?

Schon an den Titeln merkt man: Da geht der Blick übers deutsche Kleinklein hinaus. Es ist längst an der Zeit, dass wir uns wieder mit unseren Nachbarn beschäftigen. Gelegenheit dazu gibt es am 22. Oktober im Literaturhaus, wo keine Geringere als die Friedensnobelpreisträgerin Inna Scherbakowa zu Gast ist und mit Najem Wali über Schriftsteller/-innen im Widerstand spricht.

Denn welche Rolle spielt eigentlich widerständige Literatur gerade in autoritären Gesellschaften? In Ländern, wo auch Autor/-innen verfolgt, verhaftet und getötet werden, weil die Mächtigen Angst haben vor ihrer Stimme?

Zeit, sich genau damit zu beschäftigen. Das geht auch philosophisch wie mit Peter Sloterdijk am 23. Oktober im Gespräch mit Durs Grünbein im Literaturhaus: „Europa als geopolitischer Raum“ Es geht um Integration und Abgrenzung, Trennung, Schutz und Schamgrenzen. Manch einer wird sich nicht entscheiden können. Denn parallel liest in der Alten Nikolaischule die Leipziger Autorin Anja Kampmann aus „Die Wut ist ein heller Stern“, ein Roman, der seine Leser entführt in die finsteren Entwicklungen des Jahres 1933.

Ulf Stolterfoht. Foto: Dirk Skiba
Ulf Stolterfoht. Foto: Dirk Skiba

Jede Veranstaltung eine Eröffnung von Horizonten. Oder von Begnungen, wie sie gerade Literatur ermöglicht. Begegnungen, die manchmal Bücher über Jahrzehnte hinweg begegnen lassen. So wie am 24. Oktober im Lyrikhotel Eins in der Alten Post in Lindenau. Da treffen sich der Lyriker Ulf Stolterfoht und der Leipziger Übesetzer Elmar Schenkel.

Schenkel hat, hat 1970 für einen DDR-Verlag den Gedichtband „Crow“ von Ted Hughes übersetzt, ein Band, der schon lange vergriffen ist und im Antiquariat richtig teuer. Ulf Stolterfoht hat nun bei kookbooks sein Abenteuergedicht „rückkehr von krähe“ veröffentlicht, das auf gewisse Art das Gedicht von Ted Hughes fortgeschrieben hat. Was haben sich da also Stolterfoht und Schenkel am 24. Oktober alles über Krähen zu erzählen?

Extremwetterlagen

Denn immer geht es ums Erzählen. Bücherschreiber wissen das. Oft genug besser als Journalisten. Man muss losgehen und die Leute zum Erzählen bringen. Dann wird das eine Geschichte. Oder ein Kosmos aus vielen Geschichten, so wie in „Extremwetterlagen – Reportagen aus einem neuen Deutschland“. Dafür haben sich Manja Präkels, Tina Pruschmann und Barbara Thériault 2024 auf die Socken gemacht, um in literarischen Reportagen die Stimmung in Ostdeutschland zu erkunden.

Ein durchwachsenes Bild ergibt sich da natürlich von „Menschen, die wegsehen unmd schweigen“ und solchen, die ihr Bestes geben, um im tobenden Sturm „gegen den Wind zu atmen“. Manja Präkels und Tina Pruschmann stellen das Buch am 22. Oktober im Zeitgeschichtlichen Forum vor.

Das Programm des Literarischen Herbstes ist so rappeldicht gepackt, dass man es in dieser Kürze nur überfliegen kann. Wer sich durch alle Termine lesen möchte, findet sie sämtlich online unter www.literarischer-herbst.com.

Und ein Ereignis lassen wir heute noch unerwähnt. Dazu gibt es morgen mehr an dieser Stelle.

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