Das Wundervolle am Älterwerden ist ja, dass man auf dem gegangenen Weg - wenn's gut lief - interessante Menschen traf. Tanner jedenfalls traf derer viele. Und so wird selbst beim Still-Schoko-Croissants-Futtern gewunken und sich gefreut, dass man Bekannte und Freunde sieht. So wie letztens, als Preston von Mister Twist in Eile war und der Tanner eben nicht. Am Ende dieses Aufeinandertreffens war da ein Interview fertig - mit den neuesten, heißesten und wirklich grandiosesten Informationen zum RockAndRoll!

Hallo Preston, ich sitze hier mit dem Töchterchen und wir schnabulieren Schokocroissants – und da kommst Du hier vorbeigehastet, mit Rollkoffer und feinst geschniegelter Haarpracht. Stop! Nicht weiterhasten. Ich hab da ein paar Fragen an Dich. Geht ganz schnell: Du bist ja der Vordermann bei Mister Twist – der High Quality R´n´R´ Entertainment Kapelle der Herzen. Sommer ist ja Dauertourzeit. Lebst Du eigentlich aus Deinem Rollkoffer? Da kommst Du doch nur noch selten nach Hause. Wie ist der Stand?

Hallo Volly, hallo Vollys Tochter. Die Zeit nehme ich mir natürlich gern! Ja, ich bin im Sommer ein gern gesehener Gast daheim. Der morgendliche Kaffee – wobei “morgendlich” hier ein dehnbarer Begriff ist – wird mir sehr häufig von fremder Hand eingeschenkt und die Räder des Rollkoffers haben einiges an Profilverlust zu verzeichnen. Meine Freundin monierte jüngst bei einem Telefonat, dass ich in der Zeit zwischen April und Juni ganze 10 Tage zu Hause verbracht habe, wobei sich natürlich meine Lieben auch sehr über die Entwicklung unserer Band freuen; und ich will mich erst recht nicht beklagen!

Einige werden es gar nicht wissen, aber Du hast Leipzig als Hauptwohnort vor einiger Zeit gen Westdeutschland verlassen. Was waren die Gründe?

Auch hier kommt wieder die Familie ins Spiel. Mein Mädel bekam 2013 eine Anstellung bei einer großen Schokoladenbude offeriert. Der Vorteil: der ganze Keller voller Nougat, der Nachteil: Wohnortswechsel. Wir mussten trotzdem nicht lange sinnieren. Nachdem meine Freundin mir für einige Jahre den Rücken für meine Umtriebigkeiten freigehalten hatte, dachte ich, es ist Zeit, sich zu revanchieren. Mit dem Herz in der Hand begriffen wir dies als Chance, auch um sich mal zu entstauben und um sich einer interessanten Herausforderung zu stellen. So ging es also mit Sack und Pack ab ins Frankenländle. Für mich als freischaffender Global Player…räusper…war es natürlich ein leichtes, mich umzugewöhnen.

Und nun – jetzt haltet Euch fest, liebes Leservolk – kommst Du wieder vollends zurück nach Leipzig. Wann ist es denn soweit – und was sind dafür die Gründe?

Und weiter geht's mit dem Rollkoffer. Foto: Volly Tanner
Und weiter geht’s mit dem Rollkoffer. Foto: Volly Tanner

Diesen Sommer geht es, wie Du schon richtig sagst, “vollends” zurück. Wir hatten uns ein Hintertürchen offen gehalten und uns schon nach kurzer Zeit im “Ausland” eine kleine Bleibe fürs Wochenende im schönen Leipziger Westen organisiert. Es war relativ schnell klar, dass wir uns nie richtig von der Heimatstadt lösen können. Heimweh wiegt halt schwerer als Kohle. Zudem kamen dann noch streng geheime familienplanerische Sachen hinzu, welche uns die Entscheidung für eine Rückkehr zusätzlich erleichterten.

Es gab mehrere Auftritte mit Mister Twist & Miss Rhythm Sophie. Wer ist das denn? Von dieser jungen Dame hab ich ja noch nie gehört. Erzähl doch mal bitte.

Scharf wie Paprika und wild wie ein Pusztareiter, eine rassige Sängerin aus Budapest! Sie zog mit ihrer Familie vor ein paar Jahren von Ungarn nach Halle an der Saale. Sie war bereits als zarte Jugendliche in Ungarn und im europäischen Ausland musikalisch aktiv und konnte sich einen guten Ruf als neuer Stern am Himmel des Rhythm & Blues und Rockabilly erarbeiten. Dann kam der Umzug. Neu in Halle, mit Null Deutschkenntnissen und ohne Kontakte, machte sie sich gleich auf die Suche nach Musikern. Ich pflege normalerweise selten bis nie auf Anfragen mir fremder Musiker, im positiven Sinne, zu antworten. In diesem Fall aber hatte ich eine Vorahnung. Kurze Zeit später holte ich sie am Hauptbahnhof ab und es kam zu einer ersten Session bei uns im Proberaum. Lustigerweise eine klassische Internetbekanntschaft, mein Gefühl gab mir recht. Sie ist ein Spitzentyp, musikalisch wie menschlich. Wir sind stolz, ihr als Band zur Seite stehen zu dürfen. Mittlerweile ist Rhythm Sophie ein Main-Act in der Rock’n’Roll-Szene Europas.

Einst sah ich Euch – also Mister Twist – auf dem Fest der Wohnungsgenossenschaft Kontakt auf der Gewandhausseite des Augustusplatzes zu Leipzig. Ihr spieltet ein wahrhaft schweineliges Lied zum RockandRolltakt, während Omis und Opis Kaffee tranken, schnatterten und Kuchen aßen – und Euch nicht zuhörten und somit gar nicht mitbekamen, was für grandiose Textzeilen über Geschlechtsverkehr und menschliche Düfte Ihr da kredenzt habt. Wie gehst Du damit um, lieber Preston, wenn Dir soviel Unaufmerksamkeit entgegengebracht wird. Jeder Künstler möchte doch geliebt werden für sein Schaffen, dachte ich …

Die Frage ist komplex. Abgesehen von allen Umständen ist mir persönlich eine sogenannte “bezahlte Probe” manchmal ganz genehm. Ich glaube dem damaligen Veranstalter war nicht klar, wen er sich da ins Boot holt. Uns war bei diesem Auftritt ja bewusst, dass wir voll daneben hauen, aber wir haben es durchgezogen. Liebe wollten wir uns also nicht verdienen, um auf die Frage zurückzukommen. Die unkonventionelle Art lag mir schon immer gut. Dieser Auftritt liegt ja schon ein paar Monde zurück. Vielleicht kann man sagen, dass er in meine persönliche Sturm- und Drang-Phase fällt, eventuell ist es aber auch so, dass wir damals eher mit Provokation reizen, als mit Musikalität überzeugen konnten. Was die Schweinskramtexte angeht, nun ja, in gewissen Kreisen sind diese zum Kult avanciert, anderswo wiederum haben wir Auftrittsverbot erhalten. Zudem konnten wir uns dazumal die Gigs leider noch nicht aussuchen, die blödesten Muggen waren halt am besten bezahlt. Momentan sind wir auch wieder in einer Periode der Orientierung oder Neuerfindung. Weg von der schnöden Dienstleistung, hin zu eigener Musik mit Herz und Sack.

Und abschließend – dann kannst Du weiterhasten: Du bist ja auch in den Rock-And-Roll-Stammtisch bei Tonellis involviert. Das kennt ja nun nicht jeder Mensch. Was ist das denn? Einfach ein zusammen Trinken?

Bergfest für Schmalztollen! Jeden Mittwoch gibt es Rock’n’Roll Live-Musik für läppisches Geld im Tonellis. Rockabilly, Surf, Swing – also alles aus den 50ern und 60ern steht hier auf dem Programm. Dabei gaben sich schon internationale Acts mit hohem Standing die Klinke in die Hand. Leider macht es viel Arbeit, die Bands zu organisieren, so können wir nicht jede Woche mit einem Burner aufwarten. Ein Kommen lohnt aber immer, da sich alternativ die Leipziger Musikszene auf der Bühne tummelt. Ach ja, die Abende werden lang, denn Durst haben die auch alle.

Danke, Preston, für Deine Antworten.

Immer wieder ein Fest, war lange nicht in den Medien.

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