Keine Kittelschürze, kein Queen-Kostüm war bisher vor Tom Pauls sicher, dem berühmten Dresdner Kabarettisten aus Leipzig mit eigenem Theater in Pirna, kein "Sommernachtstraum" oder Olsenbanden-Look. Jedoch einen Quasimodo als Parodie-Nummer oder gar Abendfüller hätte man von ihm nicht unbedingt erwartet. Umso neugieriger kaufte man die Tickets. Noch dazu wenn die Landesbühne Sachsen ihr Quartier in Radebeul verlässt und dorthin reist, wo historisch gewachsene Kulissen schon da sind. Nach Vorstellungen auf der Leisniger Burg und der Meissner Albrechtsburg wird nun noch auf der Felsenbühne Rathen in der Sächsischen Schweiz weitergespielt.

Burg Mildenstein, eine Kulisse wie gemalt

Zum Theater wurde dieser Tage die Wiese auf dem Hof der Burg Mildenstein in Leisnig mit einer Kulisse, samt Burglehn drumrum, wie sie sich ein Burgen-Zeichner nicht schöner erträumen könnte. Nun strahlt sie abends in anderem Licht als man es sich für das Jahr 1482 um eine Pariser Kathedrale vorstellen könnte… Friedlich harren die Belagerer aus, die nach freier Platzwahl zeitig zur Eroberung kamen, belohnt mit Getränkeservice bis in die Stuhlreihen!

Weil die Burg Mildenstein keinen Glöckner hat, schlägt stündlich das Glöcklein, allerdings nach einem seltsamen, geradezu geisterhaften Motorengeräusch. Mit einem Glöckner wäre das schlagartig vorbei… Auf der Bühne genügen hier die Wasserspeier, ein Thron und eine  Holzbank, dahinter der kleine Pavillon für die Musiker des Freddie-Ommitzsch-Studio Ensembles, zwei der Musiker haben übrigens den Nachnamen Pauls. Zwar hat das Schauspiel einen Soundtrack bekommen, mit Musikzitaten von Mundharmonika bis “Queens”, mit dem einstigen Musical, uraufgeführt am Potsdamer Platz in Berlin, hat es aber nichts zu tun.

"Der Glöckner von Notre-Dame" vor einer Papp-Kathedrale auf der Felsenbühne Rathen. Foto: Landesbühne Sachsen / Hagen König
“Der Glöckner von Notre-Dame” vor einer Papp-Kathedrale auf der Felsenbühne Rathen. Foto: Landesbühne Sachsen / Hagen König

Fischelanz mit Würde und Humor

Seit dem Bestehen des “Zwinger-Trios” weiß man, dass Eleganz und feine Gentlemen auf sächsischen Bühnen nicht ausgestorben sind. Aus den Sachsen angeborener Fischelanz und Würde keltert man eine edle Art von Unterhaltung. Wo man im Alltag Humor findet, kann man den Ernst des Lebens aushalten.

Mit Hilfe eines Erzählers, samt einer lebendigen Buchstütze, tauchen wir in die Geschichte des 23-jährigen Quasimodos ein. Und dass Tom Pauls schon ein bisschen älter ist, sieht man ja unter der Maske nicht.

Peter Dehler hat seine eigene Stück-Version geschrieben, nach Victor Hugos Roman um Quasimodo und Esmeralda, die sogar Leuten ein Begriff sind, die das Buch nie in der Hand hielten. Peter Kube, auch einer aus dem “Zwinger-Trio” hat die Sache als Ensemblestück inszeniert. Nein, es ist keine Tom-Pauls-Show.

Auf der Burg Mildenstein in Leisnig boten die historisch gewachsenen Mauern eine besondere Kulisse als Burgtheater. Foto: Landesbühne Sachsen / Hagen König
Auf der Burg Mildenstein in Leisnig boten die historisch gewachsenen Mauern eine besondere Kulisse als Burgtheater. Foto: Landesbühne Sachsen / Hagen König

Großes Drama mit heimlichem Star

Um Quasimodo herum spielt die Welt der Mächte, beim Narrenfest gerät er in die Fänge der Jury und wird Narrenkönig. Bis er sich wieder auf seinen Turm zurückzieht, vor seinem Peiniger um Gnade fleht, das ist nun mal seine Chance im Getriebe. Wie Tom Pauls das macht, von leise bis sehr laut, das hat Klasse, auch wie es eine Wortwitznummer gibt, die Quasimodos Geist und Intelligenz umrahmt, oder wie er Esmeralda empfängt und ihr seine Freunde namentlich vorstellt, und es sind nur die steinernen Wasserspeier. Dieses Wenige, Beiläufige zieht die Blicke auf sich wie ein Strudel.

“Darf ich mal anfassen?”

Ein Buckel ragt unterm Kostüm empor, der Glöckner hinkt und hüpft, die Maske verhüllt und übermalt das ganze Darsteller-Gesicht, dabei ist diese Verkörperung schon Darstellung genug, eine Haltung mit einer geistigen Haltung. Ach ja, und wie er dann vor ihr steht und sagt: “Darf ich mal anfassen? Dein Haar!”

Esmeralda und ihre Freunde, ihr Volk, sie bezeichnen sich selbst als Zigeuner. “Mutations-Europäer” wird sie ein anderer nennen. Da heißt es auch mal “Offene Zweierbeziehung”, aber mehr Modernisierung ist nicht drin. Ein Dichter-Talent schwelgt in Worten aus Goethes Faust, und hat Probleme, sich seine vermeintlich genialen Einfälle zu merken. Es werden edle Roben getragen wie Statussymbole, die Kleider wehen, der Stoff rauscht bei den Schauspielern und Tänzern, und Quasimodo sieht eben ärmlich aus, aber nicht vernachlässigt. Selbst die Musiker sind sorgsam eingekleidet worden.

Die Landesbühne Sachsen tourt mit dem "Glöckner von Notre-Dame" durchs Land.  Peter Dehler schrieb das Stück nach Victor Hugos Text. Foto: Landesbühne Sachsen / Hagen König
Die Landesbühne Sachsen tourt mit dem “Glöckner von Notre-Dame” durchs Land. Peter Dehler schrieb das Stück nach Victor Hugos Text. Foto: Landesbühne Sachsen / Hagen König

Sandra Maria Huimann spielt die Esmeralda, Matthias Henkel den Frollo und Moritz Gabriel den Phoebus. Holger Uwe Thews ist als Gringoire dabei und Michael Heuser als Clopin; Jost Ingolf Kittel als Victor, Julia Rani als Susette, Sophie Lüpfert als Antoinette. Am Aufführungsabend in Leisnig waren auch zwei Pferde und diverse Reiter dabei.

Treppen geht es viele Male hinauf und herab, zu Pferd zum Burgtor hinunter. Besonders in Erinnerung bleibt der gar nicht sichtbare Zweikampf Quasimodos mit seinem Peiniger, zu sehen aber ist sein Sieg. Und die Folterszene mit Peitschenhieben in eine andere Richtung, als die Schreie Quasimodos kommen. Und wie die Häscher ihn stocksteif auf den Boden fallen lassen, er da eine mitgefühlte lange Zeit liegt, bis ihn Esmeralda pflegt.

Auf dem Karren fährt Quasimodo seine Esmeralda letztendlich davon und beschließt, sich zu ihr ins Grab zu legen: “Dann ist es immer warm.”  So ist es Quasimodos letzte Sehnsucht, nicht größer, nicht schöner. Ein Ausklang, kein Schlusslied, kein Finale. Da war kaum ein Platz frei in den Stuhlreihen auf dem Leisniger Burghof, das Publikum lauschte mit Krimispannung und applaudierte nach über zwei Stunden Spieldauer ausgiebig.

Hinterher nach “Hätte” und “Warum nicht” zu fragen ist müßig, doch eine Aufführungsserie mit dem Leipziger Tom Pauls als “Glöckner von Notre Dame” in seiner Geburtsstadt, das  hätte gut ins 1000-jährige Fest gepasst. Würde auch nächstes Jahr noch passen!

“Der Glöckner von Notre Dame” auf der Felsenbühne Rathen:
Am Fr.,  24. Juli 2015, 20.00 Uhr, Sa., 25. Juli 2015, 20.00 Uhr  Felsenbühne Rathen So., 26. Juli 2015, 20.00 Uhr Felsenbühne Rathen Do., 30. Juli 2015, 20.00 Uhr Felsenbühne Rathen

Felsenbühne Rathen, Amselgrund 17, 01824 Kurort Rathen,  Tel. 035024/ 777-0 http://www.felsenbuehne-rathen.de

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