Nach dem Anschlag auf die Geithainer Pizzeria "Bollywood" ist das Entsetzen groß. Mutmaßlich Neonazis hatten das Lokal in der Nacht zu Sonnabend mit einem Sprengsatz in Brand gesetzt. Die Betreiber der Pizzeria fühlen sich in Geithain nicht mehr sicher. Der Angriff war bereits der fünfte in diesem Jahr.

Zuletzt positionierten sich am 6. Mai rund zehn Leute vor dem Geschäft und riefen rassistische Parolen: “Du bist Ausländer, du musst hier weggehen”. Einige führten Messer bei sich. Die Pizzeria war schon geschlossen, jedoch war noch ein Angestellter (39) anwesend. Als er die Männer nicht bedienen wollte, warfen sie die Schaufensterscheibe mit einem Stein ein. Bevor die Täter den Tatort verließen, sprachen sie noch eine Drohung aus: “Die Pizzeria musst Du zumachen, sonst machen wir Dich tot”.

Wie ernst die Drohung gemeint war, bewies sich vergangenen Sonnabend. Kurz nach Mitternacht detonierte in dem Laden ein Sprengsatz. 15 Personen mussten aus dem Wohnhaus evakuiert werden. Verletzt wurde niemand. Das Geschäft ist dadurch erheblich beschädigt worden, die Inneneinrichtung wurde teils völlig zerstört. Die Betreiber möchten nach Angaben der RAA Opferberatung aus Angst vor weiteren Angriffen das Lokal nicht wieder eröffnen. Schon vor den jüngsten Vorfällen gab es seit der Eröffnung im Januar 2012 zwei Sachbeschädigungen und eine Bedrohung.
Während das Landeskriminalamt vorsorglich in alle Richtungen ermittelt, äußerten sich Politiker bestürzt über das Geschehen. “Der in der Nacht von Freitag auf Samstag gezündete Sprengsatz vor der Pizzeria ?Bollywood? in Geithain ist ein Akt des Terrors”, meint der SPD-Abgeordnete Henning Homann. Kritik bläst LKA-Präsident Jörg Michaelis auch aus der Linksfraktion entgegen. “Ein LKA-Chef, der auch nur annähernd mit dem Ernst der Lage vertraut ist, wäre selbst am Wochenende in Geithain aufgetaucht”, meint die Grimmaer Abgeordnete Kerstin Köditz. “Vor allem aber hätte ein verantwortungsbewusster LKA-Chef darauf hingewiesen, dass sich das akute Problem mit Neonazis in Kleinstädten wie Geithain, Colditz, Burgstädt oder Limbach-Oberfrohna auch wegen der Ausdünnung der Polizeipräsenz in der Fläche derart zuspitzen konnte.”

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Der damit einhergehende Verdienstausfall sowie der hohe Sachschaden, der momentan nicht genau beziffert werden kann, bedeuten eine finanzielle Belastung für die Geschädigten. Engagierte Geithainer Bürger möchten die Betroffenen nicht im Regen stehen lassen. “Wir planen in Zusammenarbeit mit dem Erich-Zeigner-Haus eine Benefiz-Veranstaltung”, sagt Kerstin Krumbholz von der Bürinitiative “Weltoffenes Geithain”. Der Termin steht noch nicht fest. “Was mich beeindruck hat, war die hohe Präsenz von Neonazis und deren Akzeptanz in der Stadt”, berichtet Frank Kimmerle. Der Vorsitzende des Erich-Zeigner-Hauses veranstaltet seit Herbst 2011 Projekte in der Kleinstadt. Bei einer Veranstaltung im hatten Neonazis ein Spalier vor dem Geithainer Bürgerhaus gebildet. “Da fuhr eine Mutter mit dem Auto vor und setzte ihren Sohn bei den Neonazis ab”, erinnert sich Kimmerle. Doch die braune Basis bröckelt: “Nach zwei Vorträgen mit Günter Wallraff in Colditzer und Geithainer Schulen sind Jugendliche auf uns zugekommen, die meinten, sie hätten auf das rechte Image der Region keinen Bock mehr.” Günter Wallraff hat nun beschlossen, den Betroffenen 1.000 Euro zu spenden.

Und die Neonazis? “Ich tippe mal auf pubertäre Halbwüchsige, wenn denn überhaupt jemand außer dem Betreiber beteiligt war”, schrieb Manuel Tripp in einer Webcommunity. Der 23-Jährige sitzt für die NPD im Geithainer Stadtrat. Statt die eigenen Kameraden zur Räson zu rufen, versucht er den Verdacht auf die Betreiber zu lenken. Süffisant fragt er: “Warum besuchen eigentlich des öfteren mitten in der Nacht Limousinen mit zwielichtigen Anzugträgern das “Bollywood”? Egal, Nazis müssen’s gewesen sein.” Zumindest spricht mehr dafür als dagegen.

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