Der Mammutprozess um den Tod des Oschatzer Wohnungslosen André K. ist am Freitag abgeschlossen worden. Das Landgericht Leipzig verurteilte fünf Männer, zur Tatzeit 16 - 26 Jahre alt, wegen gemeinschaftlichen Totschlags zu Haftstrafen von 2 Jahren und 9 Monaten bis 13 Jahren. Ein 38-Jähriger erhielt wegen unterlassener Hilfeleistung 10 Monate auf Bewährung.

Bei drei Angeklagten wendete die Kammer das mildere Jugendstrafrecht an. Die Männer sollen den Obdachlosen am 25. Mai 2011 in einem Bahnhofswartehäuschen brutal malträtiert haben. Der Mann erlag eine Woche später seinen inneren Verletzungen. Wenngleich die mutmaßlichen Täter schnell ermittelt waren, zog sich das Verfahren in die Länge. Dass erst am heutigen 29. Verhandlungstag die Plädoyers gehalten wurden, lag nicht zuletzt an einer Flut von Anträgen seitens der Verteidigung. Im Laufe des Prozesses hatte nur ein Angeklagter den Angriff vollumfänglich gestanden.

Das Gericht folgte in seinem Urteil weitestgehend dem Antrag von Oberstaatsanwältin Claudia Laube. Die Nebenklage plädierte bei den beiden mutmaßlichen Initiatoren des Angriffs auf Mord aus niedrigen Beweggründen. Zwei Täter sollen zum Tatzeitpunkt rechte Symbolik auf der Haut tragen.

Dennoch wollte die 3. Strafkammer kein sozialdarwinistisches Motiv gelten lassen. “Einstellungen, die nicht in Straftaten münden, haben wir nicht zu bewerten”, begründete der Vorsitzende Richter Norbert Göbel die Entscheidung. Eine Verbindung zwischen der rechten Ideologie der beiden Haupttäter und der Tat sei nicht zweifelsfrei zu erkennen. Dennoch durften sich die Schläger im Glück wähnen. “Es war ein zielgerichtetes, geplantes Verhalten mit unglaublichen Verletzungen und mit Nähe zum Mord.” Die Angeklagten hätten jemand anderem eine Abreibung verpassen wollen. Weil sie diese Person nicht antrafen, hätten sie sich dem “unbescholtenen Herrn K.” bedient. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Angesicht dessen, dass die rassistischen Tatmotive in den durch den NSU begangenen Morden jahrelang nicht gesehen wurden, wäre es angebracht gewesen, entsprechenden Hinweisen im Fall von André K. mit angemessener Sensibilität zu begegnen und dem Beweisantrag zu folgen.” kommentiert Anastasia Krotova das Urteil. Die Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt des RAA Sachsen e.V. hatte den Prozess ab dem ersten Verhandlungstag begleitet.

Nach Recherchen der Zeitschrift “Die Zeit” sind seit 1990 mindestens 29 wohnungslose Menschen aufgrund ihres sozialen Status ermordet worden. Nur sieben dieser Fälle wurden bis jetzt offiziell als rechte Morde anerkannt. “Ob auch André K. sterben musste, weil er wohnungslos war und deshalb als minderwertig angesehen wurde, haben weder seine Angehörigen noch die Öffentlichkeit erfahren”, so Krotova.

“Das Strafmaß gegen die beiden Haupttäter setzt ein deutliches Zeichen”, meint die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke). “Ich bedauere es allerdings sehr, dass der neonazistische Hintergrund des Haupttäters Ronny S. im Urteil keinerlei Rolle gespielt hat. Wieder einmal sind deutliche politische Zusammenhänge ausgeblendet worden. Wie bei den anderen Todesopfern in Sachsen aus dem Milieu der sozial Randständigen wird dadurch auch dieser Tote nicht in die Reihe der Opfer rechter Gewalt aufgenommen werden.”

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