Dieser Fall könnte ein Skandal werden. Ein Leipziger Polizist soll Ende Oktober im Dienst vorsätzlich einen Mann angefahren haben, um ihn zu töten. Das Opfer ist den Ermittlern nach eigenen Aussagen bislang nicht bekannt. Der Beamte, der laut Medienberichten einer Spezialeinheit angehören soll, sitzt jedoch in Untersuchungshaft. Die "Dresdner Morgenpost" berichtete am Donnerstag, 14. November 2013 über den Fall. Die Redakteure spannten dabei den Bogen vom Drogenmilieu zur organisierten Kriminalität.

Nachdem der Beamte, der der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) angehören soll, bei einem Festnahmeversuch mit einem Zivilfahrzeug einen Dealer angefahren habe, hätte er sich gegenüber einem Rocker aus dem Umfeld der “Hells Angels” mit der Tat gebrüstet. Die Telefone der Höllenengel seien seinerzeit angezapft gewesen.

“In diesem Telefonat soll der Polizist den vermeintlichen Dienstunfall nach Interpretation der ermittelnden Oberstaatsanwältin als gezielten Tötungsversuch dargestellt haben”, heißt es bei der MoPo Dresden.Das Boulevard-Blatt bringt die Tat in Beziehung zu Ermittlungen der Sonderkommission “Connect”. Diese ermittelt seit dem Mord an einem Luxemburger in Leipzig-Leutzsch. Der 23-Jährige war am 19. Mai erschossen im Gleisbett gefunden wurden. Die Behörden vermuten Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Die Soko gräbt nach zwei Schießereien auch im Drogenmilieu.

Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz betonte am Donnerstag, die Tat des Polizisten würde nicht in Zusammenhang mit “Connect”-Ermittlungen stehen. Ferner hätten diese nicht ergeben, dass der Beamte nach der Tat einen Rocker kontaktiert habe. Besonders bizarr: Der Staatsanwaltschaft liegen laut Schulz keine Informationen zu Identität und Verletzungen des Geschädigten vor. “Der Beschuldigte hat gegen den Haftbefehl Haftbeschwerde eingelegt”, berichtet Schulz. Anscheinend bestreitet der Mann die Tat. “Eine Entscheidung des Landgerichts hierzu liegt der Staatsanwaltschaft noch nicht vor.” Die Ermittlungen dauern an.

Auf Nachfrage von L-IZ.de machte der Oberstaatsanwalt keine Angaben zu den Tatumständen. Begründung: Schwebendes Verfahren. Wenn man bedenkt, dass der Erlass eines Haftbefehls einen dringenden Tatverdacht voraussetzt und dass der Korpsgeist in geschlossenen Einheiten nach im Amt verübten Straftaten recht ausgeprägt ist, deutet vieles auf einen handfesten Polizeiskandal hin. Die Leipziger BFE geriet zuletzt wegen eines umstrittenen Einsatzes nach einem Fußballspiel am 28. September in Zwenkau in die Schlagzeilen. Videoaufnahmen belegen, wie die Beamten ohne konkreten Anlass auf einen unbeteiligten Zuschauer einprügelten, der die Polizeimaßnahmen mit dem Handy filmte.

Sollte sich jetzt der Verdacht erhärten, Mitglieder dieser Elite-Einheit würden Kontakte zur organisierten Kriminalität pflegen, müsste sich Innenminister Markus Ulbig (CDU) unangenehme Fragen gefallen lassen. Insoweit wirkt die Informationspolitik der Staatsanwaltschaft schon jetzt reichlich ungeschick. Im Regelfall informieren die Strafverfolger äußerst zeitnah über ihre Ermittlungserfolge nach schweren Straftaten.

Auch die sächsische Politik hat sich bereits unmittelbar nach den ersten Berichten zugeschalten. Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Grünen-Fraktion im Landtag: “Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen einen Beamten der Leipziger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit müssen umfassend und restlos aufgeklärt werden. Der Fall zeigt, wie notwendig eine funktionierende und gut ausgestattete interne Ermittlung – unabhängig von polizeilichen Hierarchien – ist. Hier besteht im Freistaat noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.”

Sollte es nach Meinung der Politikerin Verbindungen zwischen dem kriminellen Rockermilieu und Polizeiobeamten geben, sei eine Offenlegung dringend und ein Fall fürs sächsische Innenministerium. Jähnigen weiter: “Der Bericht erschüttert das Vertrauen in das rechtsstaatliche Agieren der Polizei. Dem muss das Innenministerium mit totaler Transparenz begegnen. Wie erwarten auch eine Aussage, ob die Ermittlungen durch externe Polizisten durchgeführt werden, um eine Verbindung zu den betroffenen Beamten auszuschließen.”

Zum Artikel vom 14. November 2013 auf L-IZ.de
Kein versuchter Mord? Landgericht lässt verdächtigten Polizisten laufen

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