Der Streit um Schüler-Besuche in der improvisierten Asylbewerberunterkunft in Leipzig-Schönefeld nimmt neue Züge an. Die Elterninitiative "Leipzig steht auf" teilte am Dienstag, 21. Januar vollmundig mit, eine einstweilige Anordnung gegen die Astrid-Lindgren-Schule erwirkt zu haben. Offensichtlich eine gezielt platzierte Falschmeldung, um einem seltsamen Anliegen eine juristische Dimension zu geben.

Die Grundschule hatte nach Eröffnung des benachbarten Flüchtlingsheimes angekündigt, mit allen Schülern die neuen Nachbarn besuchen zu wollen. Die Besuche sollten im Rahmen des Ethik-Unterrichts stattfinden – um Vorurteile abzubauen. Für ideologisch vorgeprägte Mitmenschen, die ihren Kindern offenbar jeden abweichenden Erfahrungshorizont ersparen wollen, eine äußerst unangenehme Sache. Hatte man noch vor wenigen Wochen zudem Gerüchte gestreut, es seien gar TBC-Erkrankungen unter den Asylbewerbern in der Schönefelder Notunterkunft zu befürchten.

Nachdem einige Eltern bei Schulleitung und Bildungsagentur protestierten und ankündigten, ihre Kinder zu den bekannt gegebenen Zeiten nicht zum Unterricht zu schicken, führte die Schule die Begehungen zu unangekündigten Zeiten durch.

Die allermeisten Schüler nahmen an diesen Veranstaltungen teil. Bis auf einen. “Bei etwa 260 Kindern gab es insgesamt an der Schule Widerspruch in neun Fällen. In der Sächsischen Bildungsagentur Leipzig gingen fünf Beschwerdeanrufe ein”, berichtet Sprecher Roman Schulz. “In einem Fall kam es zur Klage am Verwaltungsgericht wegen Kindeswohlgefährdung. In diesem Einzelfall hat die Schule auf Bitte des Gerichtes vom Besuch des Kindes in der Unterkunft abgesehen.”
Allerdings auf freiwilliger Basis. Nicht, weil das Gericht dies so entschieden hatte. “Eine gerichtliche Entscheidung in der Sache war entbehrlich, nachdem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Das Verfahren wurde sodann mit Beschluss eingestellt”, berichtet Gerichtssprecherin Susanne Eichhorn-Gast.

Bemerkenswert ist allerdings, was die Richterin zur Begründung der Kostenentscheidung mitteilt. Demnach muss die Mutter des Kindes das Verfahren bezahlen. Denn: “Zur Begründung der Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsteller führte das Gericht aus, dass ein Anspruch auf Befreiung von der Pflicht zur Teilnahme an dem Besuch der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, der mit einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu sichern gewesen wäre, nicht zu erkennen sei”, so Eichhorn-Gast. Daraus ließe sich ableiten, dass die zuständige Kammer sehr wahrscheinlich zu Gunsten der Bildungsagentur entschieden hätte.

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Dass dem Kind der Besuch bei den Flüchtlingen erspart blieb, war also Ergebnis eines faulen Kompromisses, nicht aber eines Gerichtsbeschlusses. Umso überraschender, dass sich die am Dienstag im Netz aufgetauchte Initiative “Leipzig steht auf” rühmt, vor dem Verwaltungsgericht eine entsprechende Verfügung erstritten zu haben.

Die Inititative begründet ihre ablehnende Haltung selbstredend nicht mit Fremdenfeindlichkeit, sondern “… der Überzeugung, dass die zwischen 6 und 9 -jährigen Kinder mit derartigen Brennpunktsituationen in der Realität konfrontiert, insbesondere den beengten und schwierigen Zuständen in dieser provisorischen Einrichtung, vollkommen überfordert” sein könnten. Diese Annahme wirkt genauso alibihaft wie der Verweis auf die Tatsache, dass Besuche in Flüchtlingsunterkünften bisher nicht auf dem Lehrplan standen.

Hinter der bürgerlichen Fassade verbergen sich offensichtlich Anhänger rechten Gedankenguts. Die Rechtsextremisten hatten mehrfach und in teils aggressiver Manier gegen die Eröffnung der Notunterkunft protestiert. Die Homepage-Software der Elterninitiative ist nach Anmutung und Sortierung der Seite höchstähnlich, welche die Leipziger NPD benutzt. Als administrativer Ansprechpartner sind bei der Domain-Registrierungsstelle “DENIC” die Kontaktdaten eines früheren Geschäftspartners vom sächsischen NPD-Vize Maik Scheffler hinterlegt.

Auffällig auch, dass die Elterninitiative ganz selbstverständlich zu einer Online-Petition verlinkt, die von der von rechten Kräften angeführten “Bürgerinitiative” gegen die geplante Moschee in Gohlis initiiert wurde. Auf Nachfrage äußerte sich “Leipzig steht auf” nicht zu möglichen Verstrickungen zum politisch rechten Rand.
In einem Rundschreiben wandte sich nun auch der Stadtelternrat an die Eltern der Astrid-Lindgren-Schule und schildert hierin seine Sicht auf die bislang zwei auch an die Presse gelangten anonymen Schreiben einer “Elterninitiative” zum Thema Notunterkunft in Schönefeld.

Wie auch das erste Schreiben vom 19. 12. 2013 (“Schüler durch Flüchtlingsheim geführt: Eltern drohen mit Klage” ) verbreitete auch in einem zweiten Schreiben eine anonyme Elterninitiative teils Gerüchte, teils Unwahrheiten über die Notunterkunft und zu den Begleitumständen der Schülerbesuche in der Notunterkunft)

Zum Schreiben des Stadtelternrates Leipzig vom 24. Januar 2014 auf L-IZ.de
Leserbrief des Stadelternrates Leipzig zu Elterninitiative “Leipzig steht auf”: Ausländerfeindlichkeit hinter spießbürgerlicher Fassade

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