Am 27. März verhandelt das Oberlandesgericht über den Fall Leipziger Wasserwerke versus LBBW. Verhandelt wird unterm Aktenzeichen 8 U 1078/13 der für Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden, nachdem die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) im vergangenen Jahr gegen ein Urteil des Landgerichtes Leipzig in Berufung gegangen war.

Im Prozess ging es – wie bei dem im April in London beginnenden Prozess mit der Schweizerischen Großbank UBS – um die Frage, wer nun eigentlich für die Folgen der Deals einzustehen hat, die der ehemalige Geschäftsführer der Wasserwerke Leipzig Klaus H. im Namen der Wasserwerke eingegangen ist. Er hat die Wasserwerke Leipzig mit seinen Deals quasi zum Versicherer gemacht – in diesem Fall zum Versicherer für Hochrisiko-Papiere.

Im Juristendeutsch klingt das nicht ganz so heftig, sondern eher nach einem normalen Geschäftsvorgang, in dem quasi die Wasserwerke Leipzig GmbH der Akteur gewesen wären:

“Diese hatte zwei Cross-Border-Leasingverträge (CBL) über ihr Anlagevermögen abgeschlossen, woraus künftige Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro erwuchsen”, erläutert das Oberlandesgericht den anstehenden Streitfall.

Aber auch diese Schilderung macht deutlich, wie komplex das Konstrukt war, das Klaus H. da mit mehreren Banken als Partner aufgebaut hat. Neben der Landesbank Baden-Württemberg, mit der sich die KWL jetzt in Dresden auseinandersetzen, war es als Hauptakteur die UBS, mit der der Fall ab April in London verhandelt wird.

“Zur Absicherung dieser Verpflichtungen erwarb die Klägerin Schuldverschreibungen bei mehreren großen internationalen Finanzinstituten. Zur Diversifizierung der aus den Schuldverschreibungen resultierenden Einzelrisiken vereinbarte die Klägerin mit der späteren Streithelferin der Beklagten, der U. AG, sog. Credit Default Swaps (CDS), wonach der Streithelferin gegen Zahlung einer Prämie das Ausfallrisiko der Klägerin aus den Schuldverschreibungen übertragen wurde.”

Klägerin ist in diesem Fall die KWL, deren Aufsichtsgremien nach eigenem Bekunden über all die von Klaus H. eingefädelten Deals nicht informiert waren. Auch Leipzigs OBM Burkhard Jung und die Geschäftsführung der Konzernmutter LVV gehen davon aus, dass Klaus H. solche Vereinbarungen ohne Zustimmung der Aufsichtsgremien nie hätte eingehen dürfen. Es sei also ein Unding, nun das kommunale Unternehmen und damit letztlich die Leipziger zur Kasse zu bitten, um für die finanziellen Kosten eines nicht genehmigten Vabanque-Spiels gerade zu stehen.

“Im Gegenzug übernahm die Klägerin in gleicher Höhe ebenfalls gegen Prämienzahlung das Kreditausfallrisiko eines gemanagten Portfolios, sog. Collateralized Dept Obligations (CDO)”, schildert das Oberlandesgericht das Konstrukt weiter. “Ein weiteres Ziel der Transaktionen war es, der Klägerin zusätzliche Einnahmen zu generieren. Für den Abschluss weiterer Transaktionen, mit denen die Klägerin weitere Risiken gewinnbringend absichern wollte, trat die Beklagte als Intermediärin auf, indem sie gegen Zahlung einer Gebühr versprach, das Ausfallrisiko der Klägerin zu tragen. Zugleich übernahm die Klägerin gegen Zahlung einer Gebühr das Ausfallrisiko für eine Tranche des Portfolios (CDO), wobei die Beklagte das selbe Risiko mittels ‘Back-To-Back-Swap’ gegenüber der Streithelferin übernahm. Hierzu unterzeichnete der Geschäftsführer der Klägerin, ohne dass deren Gremien über den Geschäftsabschluss einen Beschluss gefasst hatten, am 8. September 2006 mehrere Vereinbarungen, insbesondere eine CDS/CDO-Transaktion. In diese Vereinbarungen wurde auch ein schon bestehender Rahmenvertrag über Finanztermingeschäfte einbezogen.”Eine wichtige Frage also: Hatten die Gremien der KWL über den Geschäftsabschluss nur keinen Beschluss gefasst? Oder haben sie auch nicht gewusst, dass es zu solchen Geschäftsabschlüssen überhaupt kam? Oder gar, welches Risiko Klaus H. da eigentlich einging? Ein Risiko, das schneller eintrat, als es sich wohl zumindest Klaus H. je ausgemalt hätte.

“In Folge der ab 2007 aufgetretenen weltweiten Finanzkrise kam es zu Ausfällen der in den Portfolios gebündelten Kreditrisiken. Nachdem die Klägerin nunmehr die Ansicht vertrat, die zur Diversifizierung getätigten Transaktionen seien nicht wirksam zustande gekommen, kam es zu Kündigungen der Vertragspartner, so auch der Beklagten im Juni 2010.”

Aufgeflogen waren die Geschäfte von Klaus H. im Dezember 2009. Die Wasserwerke Leipzig hatten also recht lange gezögert, bis sie die Verträge kündigten. Was dann ein zentraler Verhandlungspunkt auch im Berufungsprozess wird: Die LBBW müsse gewusst haben, dass der KWL-Geschäftsführer H. solche Verträge nicht aus eigener Verantwortungsbefugnis eingehen konnte.

“Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe gewusst, dass die geplanten Transaktionen nicht vom Geschäftsgegenstand der Klägerin gedeckt gewesen seien. Ihr sei bekannt gewesen, dass die Klägerin als kommunaler Betrieb der öffentlichen Daseinsvorsorge ein solches Geschäft überhaupt nicht habe abschließen dürfen. Auch sei der Beklagten bewusst gewesen, dass ein Totalausfall und damit der Eintritt der Haftung der Klägerin sehr wahrscheinlich gewesen sei”, formuliert es das Oberlandesgericht. “Die Klägerin hatte im vorliegenden Verfahren zunächst beantragt festzustellen, dass die mit der Beklagten am 08. September 2006 geschlossene Transaktion nichtig und die im Juni 2010 erklärte Kündigung unwirksam sei. Diese Klage hat die Klägerin zurückgenommen, so dass das Landgericht diesbezüglich nur noch über den Eintritt der Erledigung des Rechtsstreits zu entscheiden hatte. Widerklagend verlangte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung eines Schadenersatzbetrages aufgrund der Kündigung von rd. 75 Mio. EUR.”

75 Millionen Euro? Wofür?, fragten sich die Wasserwerke. Und waren dann selbst verblüfft, wie knochentrocken dann das Landgericht Leipzig im Juni 2013 entschied.

“Das Landgericht Leipzig hat die Klage abgewiesen, weil es die Erledigungsanträge der Klägerin als unbegründet angesehen hat. Weder sei das mit der Beklagten abgeschlossene Geschäft vom 8. September 2006 als nichtig anzusehen, noch sei die Kündigung der Beklagten vom Juni 2010 unwirksam gewesen”, interpretiert das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts. “Der Zahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin wurde dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die beim Oberlandesgericht Dresden eingelegte Berufung der Klägerin.”

Am 27. März beginnt jetzt dieser Berufungsprozess. Ausgang durchaus offen.

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