Die Kanzlei fsn-rechte Rechtsanwälte hatte beim Landgericht Leipzig auf Herausgabe der Diensttelefonnummern des Jobcenters Leipzig geklagt und im Januar 2013 Recht bekommen. Das Jobcenter stellte darauf einen Antrag auf Zulassung einer Berufung, der seit über einem Jahr beim Oberverwaltungsgericht Bautzen zur Bearbeitung vorliegt. Über die gesellschaftlichen Hintergründe der Klage und die Konsequenzen im Falle der Bekräftigung des Urteils haben wir mit Dirk Feiertag gesprochen.

Welches gesellschaftliche Ziel steckt hinter der Klage, was soll oder könnte sie Ihrer Meinung nach bewirken?

Primäres Ziel der Klage ist es, die Erreichbarkeit der Mitarbeiter des Jobcenters durch die Herausgabe der Diensttelefonnummern für den Bürger zu verbessern. Bestenfalls trägt eine gewonnene Klage auch zu einem Mentalitätswechsel innerhalb der Jobcenter in ganz Deutschland bei.

Gewinnen wir die Klage auf Herausgabe der Telefonnummern, wird das Jobcenter ein Stück weniger anonym. Die bedürftigen Menschen haben einen Ansprechpartner, den sie bei Problemen direkt anrufen können ohne zuvor stundenlang am Empfang oder tagelang auf einen Termin warten zu müssen.

Die Herausgabe der Telefonnummern hat jedoch auch einen ganz praktischen Nutzen. Beispielsweise wird es die Wohnungsumzüge von den Leistungsempfängern erleichtern, indem die Hilfeempfänger durch einen Anruf auf die Eilbedürftigkeit ihrer “Umzugsanträge” hinweisen können. Zur Zeit sind die Wohnungen, für die die Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten beantragt wurden, häufig schon vergeben, wenn der positive Bescheid des Jobcenters endlich ankommt. Durch einen telefonischen Hinweis an den Sachbearbeiter kann nun eine bevorzugte Bearbeitung des Antrags erfolgen.

Würde die Herausgabepflicht den Verwaltungsaufwand wesentlich erhöhen?

Nein, im Gegenteil. Der Verwaltungsaufwand würde durch eine direkte Kommunikation sogar verringert. So entstehen zur Zeit häufig Missverständnisse, wenn Hilfeempfangende ihre Anliegen einem anderen, nicht mit dem Fall betrauten, Sachbearbeiter schildern müssen und dieser den Sachverhalt an den tatsächlich zuständigen Sachbearbeiter weiterleiten muss. Die Situation zur Zeit gleicht einem großen “Stille-Post-Spiel”. So geht auch das Sozialgericht Berlin davon aus, dass ein großer Teil der einstweiligen Rechtsschutzverfahren vermieden werden könnten, wenn die Telefonnummern der Sachbearbeiter öffentlich gemacht würden. Dem kann ich mich nur anschließen. Denn es gibt schon einige Jobcenter in Deutschland, die ihre Diensttelefonnummernliste veröffentlichen – auch größere Jobcenter wie etwa Düsseldorf. In diesen Jobcentern werden nicht mehr Mitarbeiter benötigt als in anderen.

Wie können im Falle der richterlich beschlossenen Herausgabepflicht die Mitarbeiter des Jobcenters vor unsachgemäßem Gebrauch der Nummern geschützt werden?

Diese Frage ist tatsächlich schwierig zu beantworten, müssen wir uns doch zunächst über die Möglichkeiten klar werden, wie eine dienstliche Telefonnummer unsachgemäß gebraucht werden kann. Eine Telefonnummer könnte falsch gewählt oder eine falsche Telefonnummer aus der Liste angewählt werden. In der Praxis dürfe dies jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Die Veröffentlichung der Telefonnummern soll der Kommunikation dienen, hiervor wollen und können wir die Sachbearbeiter der Jobcenter nicht “schützen”.

Da es bereits einige Jobcenter gibt, die Ihre Telefonnummern veröffentlicht haben und es bei diesen Jobcentern nicht zu häufigeren Beleidigungen etc. gekommen ist, gehen wir davon aus, dass dies auch bei den anderen Jobcentern der Fall sein dürfte.

Es ist übrigens auch nicht ersichtlich, weshalb die Mitarbeiter der Jobcenter einer höheren Bedrohung ausgesetzt seien sollten, als Mitarbeiter anderer Behörden, wie etwa den Finanzämtern. Beide Behörden treffen Entscheidungen, die weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Bürger haben. SGB II-Leistungen empfangende Menschen sind nicht gefährlicher, nicht aggressiver als andere Menschen. Dies scheint in der öffentlichen Diskussion teilweise in Vergessenheit geraten zu sein.

Mit der Klage verlangen wir auch nicht die Herausgabe der Vornamen der Mitarbeiter, so dass die Ermittlung einer privaten Wohnanschrift der Mitarbeiter durch die Veröffentlichung der Listen nicht erleichtert werden dürfte. Im Übrigen bezeichnen die Bescheide und Zimmerbezeichnungen bereits jetzt die Nachnamen der Mitarbeiter, die Nachnamen in Verbindung mit den Vornamen werden sogar für die Dienst-Emails verwendet.

Sollten während der Telefonate doch einmal Beleidigungen und Drohungen ausgesprochen werden, so reicht es vollkommen aus, dass wie bereits praktiziert, mit den Mitteln des Strafrechts gegen die Täter vorgegangen wird.

Welche Mittel haben die Betroffenen im Moment, die Diensttelefonnummern einzufordern?

Für die Betroffenen wäre ein Antrag auf Herausgabe der Nummern beim Jobcenter am sinnvollsten. Das Jobcenter hat in diesem Fall drei Monate Zeit zu reagieren, andernfalls wäre eine Untätigkeitsklage möglich. Kommt es zu einer Ablehnung durch das Jobcenter haben die Betroffenen einen Monat Zeit in Widerspruch zu gehen und das Jobcenter hätte abermals drei Monate Zeit bis zur nächsten Untätigkeitsklage.

Ein Fall in Berlin hat gezeigt, dass auch Mitarbeiter des Jobcenters sich ein ?Herz fassen könnten? und die Nummern eigenständig sammeln und der Öffentlichkeit übermitteln. Die Aktion führte allerdings zu schwere Androhungen gegen den aktiv gewordenen Mitarbeiter. Nicht nur wirtschaftliche, auch körperliche Bedrohungen ließen den Berliner von seinem Aktionismus abbringen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig

http://fsn-recht.de/dokumente/Urteil%20VG%20Leipzig%205%20K%20981:11.pdf

Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts

http://fsn-recht.de/dokumente/PM%20VG%20Leipzig.pdf

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