Die Wahl von NPD-Mann Enrico Böhm in den Stadtrat stellt ein Novum dar. Erstmals wird ein ehemaliger Fußball-Hooligan die Interessen eines kleinen Teils der Leipziger Stadtgesellschaft vertreten. Dass dem vorgeblich seriösen Kommunalpolitiker das Engagement in der NPD nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhält, scheint nun ein Vorfall vom Freitag, den 23. Mai zu belegen. Denn wie L-IZ.de aus Szenekreisen erfahren hat, soll Enrico Böhm am hellichten Tage in Stötteritz einen angeblichen Antifa-Aktivisten gestellt und mit Pfefferspray bedroht haben.

Dem Vernehmen nach war Böhm in einem Auto unterwegs. Sein Opfer bewegte sich zu Fuß. Offenbar wollte der angehende Kommunalpolitiker den linken Aktivisten festnehmen, da er ihn willkürlich verdächtigt haben soll, für die Anschlagsserie gegen NPD-Aktivisten im Vorfeld der Stadtratswahlen verantwortlich zu sein. Neben seiner “Verhaftung” alarmierte Enrico Böhm die Polizei.

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Die Beamten waren von diesem Alleingang “not amused”. Sie fertigten eine Anzeige – gegen Enrico Böhm. Der 31-Jährige wird sich wegen Nötigung zu verantworten haben, da die Festnahme von Tatverdächtigen Sache der Polizei ist und bleibt. Nur auf frischer Tat ertappt besteht die Möglichkeit für Jedermann, einen Täter festzuhalten, um ihn den Behörden zu übergeben.

“Die Polizeidirektion Leipzig bestätigt, dass es diesen Sachverhalt gegeben hat”, teilt Pressesprecher Uwe Voigt mit. “Weitere Erkenntnisse teile ich zu einem laufenden Verfahren nicht mit.”

Der Vorfall ist ein denkbar ungünstiger Start für die Leipziger NPD in die neue Wahlperiode. Mit dem Ergebnis der Kommunalwahl sind die Rechtsextremen naturgemäß unzufrieden, mussten sie doch Verluste hinnehmen. Die erreichten 2,5 Prozent der Stimmen kosten der Partei den zweiten Sitz in der Ratsversammlung.

JN-Kader Alexander Kurth sieht die Verantwortung für den politischen Niedergang des Kreisverbandes in den eigenen Reihen. “Die Altlasten einer in meinen Augen unfähigen KV-Führung, ein NPD-Kreisverband der in den letzten Jahren nur als Hinterzimmerverein agierte, wirkte sich auch auf diese Wahl aus”, so Kurth auf seiner “Facebook”-Seite. “Die NPD Leipzig muß in Zukunft tagtäglich in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und in Leipzig als erstzunehmende politische Alternative wahrgenommen zu werden.”

Worte, die durchaus als Kampfansage zu verstehen sind. Die vielen Provokationen und das gezielte Befeuern von emotionsgeladenen Protestthemen (Moscheebau, Asylbewerberunterkünfte, …) werden nicht zuletzt mit Blick auf die Landtagswahl am 31. August in den nächsten Monaten ihre Fortsetzung finden.

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