Die Schlampereien des Leipziger Rechtsamts im Umgang mit sogenannten "Herrenlosen Grundstücken" waren keine Einzelfälle. Zwei Mitarbeiter des Sonderprojekts "Gesetzliche Vertretung" belasteten im Prozess gegen drei ehemalige Kollegen und eine Rechtsanwältin vor allem den Angeklagten Torsten M. Der 60-Jährige hatte anscheinend regelmäßig fällige Verwaltungsgebühren nicht erhoben.

Markus R. (25) war ab Juli 2011 im Rechnungsprüfungsamt, ab Januar 2012 beim Rechtsamt beschäftigt. Sein Job: Akten ordnen, durchforsten und die Fehler seiner Kollegen aufdecken. “Durch das Rechtsamt selber war in den wenigsten Fällen (nach Eigentümern/Anm. Red.) recherchiert worden”, berichtet der Verwaltungsbeamte. Im Zuge der Aktenarbeit fiel ihm sogar ein Schreiben des Amts in die Hände, in dem die irrige Rechtsauffassung festgelegt gewesen sei, die Kommune sei nicht zur Eigentümerermittlung verpflichtet gewesen.

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Jahrelang war es gängige Praxis, dass die Behörde für Grundstücke, deren Eigentumsverhältnisse unklar waren, sogenannte “gesetzliche Vertreter” bestellte, die die Immobilien teils erheblich unter Wert an Investoren veräußerten. Immerhin hat die Stadtverwaltung aus ihren Fehlern gelernt. Markus R. berichtet, heute werde im Falle einer Eigentümerrecherche prinzipiell die Stadtkämmerei eingebunden. Außerdem würden Anfragen an das Amt für offene Vermögensfragen, das Grundbuchamt und die Nachlassabteilung des Amtsgerichts erfolgen. Legt ein Antragsteller selbst recherchierte Urkunden vor, würden diese auf ihre Authentizität hin überprüft.

Hinsichtlich unterschlagener, weil nicht erhobener Verwaltungsgebühren belastet der Zeuge Torsten M. schwer. Der Assistent der Amtsleitung war bis 2011 im Rechtsamt alleine mit den “Herrenlosen Grundstücken” betraut. Dabei besaß er nicht einmal eine juristische Ausbildung. Dennoch zählte das Anfertigen von Bestallungsurkunden und Verkaufsgenehmigungen zu seinem Tätigkeitsfeld. Amtsleiterin Gesa D. (48) und ihre Vorgängerin Heide Boysen-Tilly schenkten dem Mann blindes Vertrauen. In 173 Fällen soll M. eine fällige Bestallungsgebühr nicht erhoben haben. Schaden: Rund 21.500 Euro. “Es ist eher die Regel als die Ausnahme”, stellt Staatsanwalt Christoph Brückner fest. “Wir verhandeln hier keine exemplarischen Fälle.”

Die Kommune übt sich seit Bekanntwerden in Schadensbegrenzung. “Im Rahmen des Sonderprojekts haben wir Gebühren nacherhoben, wo sie noch nicht verjährt waren”, sagt die Mitarbeiterin Tanja S. (26). Allein in den 93 Akten, die sie überprüft haben, sei in 91 Fällen keine Gebühr erhoben werden. Zwei Fälle konnte S. nicht mehr prüfen. Die Akten waren bereits vernichtet.

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